top of page

Eddington

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 1 Tag
  • 3 Min. Lesezeit
"Eddington": Bissige Satire auf die Zerrissenheit der gegenwärtigen USA
"Eddington": Bissige Satire auf die Zerrissenheit der gegenwärtigen USA

Ari Aster spiegelt in seinem während der Corona-Pandemie spielenden vierten Spielfilm in den sich in Gewalt entladenden Spannungen in einer Kleinstadt in New Mexico die Konflikte und die Zerrissenheit der USA: Ein großartig besetzter und teils brillanter, aber auch überfrachteter und mit 148 Minuten überlanger Mix aus bissiger Satire und brutalem Thriller.


Mit seinen beiden ersten Spielfilmen "Hereditary" (2018) und "Midsommar" (2019) etablierte sich Ari Aster auf Anhieb als einer der neben Robert Eggers ("The Lighthouse" (2019), "The Northman" (2022), "Nosferatu – Der Untote"(2024)) und Jordan Peele ("Get Out", 2017, "Us", 2019, "Nope" (2022)) wichtigsten Vertreter des modernen Art-Horror. Nachdem er in "Beau Is Afraid" (2023) Joaquin Phoenix auf einen abgefahrenen Psycho-Trip schickte, arbeitete er in "Eddington" wiederum mit dem zweifachen Oscarpreisträger.


Erzählte Aster aber bisher immer in erster Linie private Geschichten um Trauma und komplexe familiäre Beziehungen, so nützt er nun das Setting der fiktiven, in New Mexico gelegenen Kleinstadt Eddington, um darin die Zerrissenheit und die Spannungen der USA zu spiegeln.


Ein Ortsschild gibt genau Einwohnerzahl und Höhe der in der Wüste gelegenen Siedlung an. Ein Insert datiert die Handlung auf Ende Mai 2020 und damit auf die Zeit der beginnenden Corona-Pandemie und des ersten Lockdowns.


Im Mittelpunkt steht der an Asthma leidende Sheriff Joe Cross (Joaquin Phoenix), der nichts von der Maskenpflicht hält und sich für Mitbewohner einsetzt, die sich wie er weigern, eine Maske zu tragen. Der progressive Bürgermeister Ted Garcia (Pedro Pascal) ist ihm aber nicht nur deshalb ein Dorn im Auge, sondern auch dessen Plan für ein großes Technologiezentrum am Rande der Stadt lehnt der konservative Sheriff ab. Dazu kommt auf privater Ebene auch noch, dass Garcia in jungen Jahren ein Verhältnis mit Cross´ jetziger Frau Lou (Emma Stone) hatte.


Aber auch die ständigen Konflikte mit den Polizisten der benachbarten indigenen Siedlung und die Vorwürfe, dass Eddington auf dem Boden von Native Americans errichtet worden sei, nerven ihn. Dazu kommen im Zuge der Tötung von George Floyd die Black Lives Matter-Bewegung mit Protesten vor allem von Jugendlichen gegen Polizeigewalt.


Zu Hause wiederum ärgert ihn seine Schwiegermutter, die ursprünglich nur vorübergehend einziehen wollte, jetzt aber nicht mehr geht, mit ihrer Begeisterung für Verschwörungstheorien und auch mit seiner psychisch labilen Frau Lou, die sich für den Online-Guru Jefferson Peak (Austin Butler) begeistert, kommt es zunehmend zu Konflikten.


In mäandernder Erzählweise zeichnet Aster ein zunehmend komplexeres Bild der Verhältnisse in Eddington. Weil er dabei ganz aus der Perspektive des Sheriffs erzählt, spürt man, wie es in ihm gärt und die Wut langsam größer wird. Um einen politischen Umschwung herbeizuführen, beschließt er so schließlich, unterstützt von seinen Deputies, bei der bevorstehenden Wahl als Gegenkandidat zu Garcia anzutreten.


Geduld verlangt Aster von den Zuschauer:innen, wenn er sich für diese Exposition rund eine Stunde Zeit lässt, ehe die Gewalt hereinbricht und sukzessive eskaliert. Von der zwar satirisch überzeichneten, aber gleichzeitig quasidokumentarischen Milieustudie wandelt sich "Eddington" damit zum blutigen, von schwarzem Humor durchzogenen gesellschaftskritischen Thriller.


So bestechend aber auch die Auslotung der Kleinstadt ist und so großartig Joaquin Phoenix auch den neurotischen Sheriff spielt, so fehlt doch ein Sympathieträger, mit dem man mitfiebern könnte. Nicht nur die Verschwörungstheoretiker bekommen nämlich ihr Fett ab, sondern auch die jugendlichen Aktivisten und mit dem Bürgermeister rechnet Aster ebenso ab wie mit dem Sheriff.


Viel packt Aster zudem in seinen Film, wenn er die ganzen Spannungen und Konflikte der USA von aufstrebender Technologie-Industrie und Verschwörungstheoretikern über die Manipulation durch soziale Medien, Rassismus und Bürgerprotest bis zu Waffenfanatismus und Schuld gegenüber der indigenen Bevölkerung anschneidet. Gerade zu letzterem gelingt aber auch eine einprägsame Szene, wenn der Sheriff durch das Dach des städtischen Museums direkt auf die Vitrine mit den angeblichen Überreste des Apachenhäuptlings Geronimo fällt.


Überfrachtet sind so einerseits aber auch die 148 Minuten dieses Parallelfilms zu Yorgos Lanthimos´ "Bugonia" und Paul Thomas Andersons "One Battle After Another", und andererseits bleiben aufgrund des kalten Blicks und des nur kursorischen Anreißens von Themen auch Längen nicht aus.



Eddington

USA / Großbritannien / Finnland 2025

Regie: Ari Aster

mit: Joaquin Phoenix, Pedro Pascal, Emma Stone, Deirdre O’Connell, Michael Ward, Cameron Mann

Länge: 148 min.



Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.



Trailer zu "Eddington"


 

Kommentare


bottom of page