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Bugonia

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 31. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit
"Bugonia": Pechschwarze Gesellschaftssatire von Yorgos Lanthimos
"Bugonia": Pechschwarze Gesellschaftssatire von Yorgos Lanthimos

Ein Anhänger von Verschwörungstheorien entführt mit seinem Cousin die Chefin eines Chemiekonzerns, die er für eine Außerirdische hält, die die Erde zerstören will: Yorgos Lanthimos rechnet in seiner pechschwarzen und zunehmend blutigen Gesellschaftssatire ebenso trocken wie bissig mit menschlicher Dummheit, Ignoranz und Gewaltbereitschaft ab.


Nach "The Favourite" (2018), "Poor Things" (2023) und "Kinds of Kindness" (2024) hat Yorgos Lanthimos zum vierten Mal mit Emma Stone zusammengearbeitet und wie in "Kinds of Kindness" spielt an der Seite der zweifachen Oscar-Preisträgerin ("La La Land", "Poor Things") Jesse Plemons die männliche Hauptrolle. Als Vorlage diente dem griechischen Regisseur dabei die 2003 erschienene südkoreanische satirische Science-Fiction-Komödie "Save the Green Planet!"


Der Titel von Lanthimos´ Film bezieht sich aber auf den in der griechisch-römischen Antike verbreiteten Glauben der Bugonie, nach dem aus dem Kadaver einer Kuh Bienen entstehen können. Darauf verweist auch das Wort, "das sich aus βοῦς“ (Ochse) und „γονή“ (Nachkommenschaft) zusammensetzt, was wörtlich „Ochsengeburt“ oder „aus dem Rind geboren“ bedeutet" (Wikipedia).


Die berühmteste Überlieferung dieser Vorstellung findet sich mit dem Aristaeus-Epillyion am Ende des vierten Buchs von Vergils "Georgica" (IV 281 – 558). Dort gewinnt der Imker Aristaeus nach Verlust seines ganzen Bienenvolkes die Bienen auf diese Weise zurück. Gleichzeitig wird diese Darstellung aber auch als Metapher für die Regeneration des Römischen Reichs durch die Herrschaft von Kaiser August gelesen.


So setzt auch Lanthimos´ Film mit Bildern von Bienen ein und verbindet deren Sterben mit dem Untergang der verkommenen menschlichen Gesellschaft, die Neuem Platz machen muss. Imker ist hier der nicht besonders intelligente Teddy (Jesse Plemons), der mit seinem Cousin Don (Aidan Delbis) in einem abgelegenen Haus lebt.


Der gesellschaftlich Abgehängte und Anhänger von Verschwörungstheorien zieht den noch einfacher gestrickten Don in seine Welt hinein und instrumentalisiert ihn als willigen Helfer beim Plan Michelle Fuller (Emma Stone), die CEO des Biomedizin-Konzerns, in dem Teddy als Paket-Packer arbeitet, zu entführen. Teddy gibt den Produkten des Unternehmens nicht nur am Sterben seiner geliebten Bienen und der Erkrankung seiner Mutter die Schuld, sondern glaubt auch, dass Fuller zu einer Gruppe von Außerirdischen gehört, die die Menschheit vernichten wollen. Mit der Entführung will er diese Aliens zum Rückzug von der Erde zwingen.


Mit gewohnt kaltem Blick deckt Lanthimos mit einer Parallelmontage der heruntergekommenen Welt der beiden Underdogs und der modernen Villa Fullers und dem von Glas bestimmten Unternehmenssitz die heutige gesellschaftliche Kluft auf. Großartig wird die kalte und beunruhigende Atmosphäre dabei auch durch die Musik von Jerskin Fendrix, die teilweise an die Thriller von Alfred Hitchcock erinnert, intensiviert.


Den beiden Hinterwäldlerin steht die stets topmodisch gekleidete und durchtrainierte Chefin gegenüber, die wie eine (Bienen)-Königin selbstbewusst auftritt und über ihr Unternehmen regiert. Ihren Angestellten gegenüber gibt sie sich nach außen hin zwar umgänglich, möchte im Grunde aber doch nur deren Arbeitsleistung steigern.


Abrupt endet dieses Leben aber, als ihr die beiden Underdogs vor ihrem Haus auflauern. Alles andere als nach Plan verläuft zwar die Entführung, denn Fuller leistet entschlossen Widerstand, kann aber von dem Duo schließlich doch überwältigt und in dessen Haus gebracht werden. Im Keller entwickelt sich so ein Psychospiel, bei dem einerseits Teddy auch mittels drastischer Methoden Fuller zu einem Geständnis über ihre wahre Identität und zur Kontaktaufnahme mit ihrem Raumschiff drängen will, andererseits Fuller Teddy und den ihm hörigen Don auszutricksen und zu entkommen versucht.


Im Gegensatz zum ausladenden "Poor Things" ist "Bugonia" so weitgehend als Kammerspiel angelegt, das mit drei Personen auskommt. Ein Vergnügen ist es freilich den groß aufspielenden Stone, Plemons und Aidan Delbis, der von seinem Cousin weitgehend zum Schweigen verdammt wird, bei ihren Auseinandersetzungen zuzusehen.


Mit knochentrockenem schwarzem Humor macht sich Lanthimos über die Dummheit der Verschwörungstheoretiker lustig und dreht sukzessive an der Eskalationsschraube, bis mächtig Blut spritzt und die Satire im furiosen Finale den Grad der Absurdität, aber auch der Bitterkeit nochmals steigert.


Souverän überträgt dieser gnadenlose Gesellschaftskritiker dabei den einleitenden Blick auf die Bienen auf die menschliche Gesellschaft, für die er keine Zukunft sieht, der er aber doch nachtrauert, wenn er den letzten bitteren Bildern Pete Segers berühmten Folksong "Where Have All the Flowers Gone" unterlegt.

 

Bugonia USA 2025 Regie: Yorgos Lanthimos mit: Emma Stone, Jesse Plemons, Aidan Delbis, Carmen Galindez Barrera, Marc T. Lewis, Stavros Halkias, Alicia Silverstone Länge: 118 min.



Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Skino Schaan.



Trailer zu "Bugonia"


 

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