top of page
AutorenbildWalter Gasperi

Kinds of Kindness

Nach seinem Oscar-Erfolg "Poor Things" erzählt Yorgos Lanthimos in drei Episoden von verstörenden menschlichen Verhaltensweisen: So brillant Schauspieler:innen, Bildsprache und Soundtrack sind, so kühl und distanziert bleibt andererseits diese Versuchsanordnung.


Nach seinen verstörenden ersten Filmen von "Dogtooth" (2009) bis "The Killing of a Sacred Deer" (2017) schien Yorgos Lanthimos mit "The Favourite" (2017) und "Poor Things" (2023) zunehmend massentauglich zu werden. Doch nach der vor Einfallsreichtum sprühenden, rauschhaften, feministischen Frankenstein-Variation kehrt der Grieche mit "Kinds of Kindness", der nur ein halbes Jahr nach "Poor Things" in die Kinos kommt, wieder zu seinen Anfängen zurück.


In drei Episoden, in denen jeweils die sechs gleichen Schauspieler:innen in unterschiedliche Rollen schlüpfen erzählt Lanthimos von verstörenden menschlichen Verhaltensweisen und Beziehungen. Purer Zynismus ist dabei der Titel "Kinds of Kindness" ("Arten der Güte / Freundlichkeit), denn Güte und Freundlichkeit sind hier nirgends zu finden.


Um Macht und Hörigkeit geht es vielmehr in der ersten Episode "The Death of R.M.F", in der sich ein Mann (Jesse Plemons) ganz seinem Chef (Willem Dafoe) unterordnet und gehorsam dessen Befehle erfüllt, um angenommen zu werden und dazuzugehören. In "R.M.F. Is Flying" trauert dagegen ein psychisch labiler Polizist (Jesse Plemons), nachdem seine Frau auf See verschollen ist. Als diese (Emma Stone) aber überraschend zurückkehrt, glaubt er, dass sie ein anderer Mensch sei und beginnt verstörende Liebesbeweise zu verlangen. In "R.M.F. Eats a Sandwich" versuchen schließlich zwei Mitglieder (Jesse Plemons und Emma Stone) einer Sekte eine Frau zu finden, die in der Lage ist Tote zum Leben zu erwecken.


Gemeinsam ist allen Figuren, dass sie nach etwas suchen und von Obsessionen getrieben werden, aber auch, dass sie andere benutzen und manipulieren bzw. sich benutzen und manipulieren lassen. Darauf stimmt schon zum Vorspann der Eurythmics-Hit "Sweet Dreams" mit den Textzeilen "Everybody´s looking for something" und "Some of them want to abuse you, some of them want to be abused" ein.


Diese Fokussierung auf Manipulation, Abhängigkeitsverhältnisse und Kadavergehorsam, die hier im Berufsleben (Episode 1), in der Ehe (Episode 2) und in der Religion (Episode 3) durchgespielt werden, zieht sich freilich durch das bisherige Werk des Griechen. Sowohl "Dogtooth", in dem Eltern ihre Kinder hermetisch abschotten, als auch "The Favourite", in dem Hofdamen um die Gunst der Königin kämpfen, als auch "Poor Things", in dem sich Bella aus der Abhängigkeit ihres Schöpfers – und anschließend aus der von Männern – emanzipiert, kreisen um diese Themen.  


Gemeinsam ist den Episoden, die Lanthimos wie schon die Drehbücher zu "Dogtooth", "Alpis", "The Lobster" und "The Killing of a Sacred Deer" zusammen mit Efthymis Filippou schrieb, aber auch der kühle und distanzierte Blick. Indem auf jede Backstory zu den Figuren verzichtet wird, ist auch kein emotionaler Zugang möglich.


Eine undurchschaubare Figur bleibt nicht nur R.M.F., der in der ersten Szene ums Leben kommt und in der letzten einen Sandwich isst, aber sonst im Film nicht vorkommt, sondern auch die Protagonist:innen. Keine Erklärungen werden hier geliefert für die Hörigkeit des Protagonisten der ersten Episode, die zunehmenden Wahnvorstellungen des Polizisten im zweiten Kapitel oder die Gründe für den Sektenwahn im Schlussteil.


Gemeinsam ist den drei Episoden aber auch, dass am Ende immer zumindest ein Todesfall steht und dass jeweils kurz Träume oder Erinnerungen in bestechenden Schwarzweißbildern eingestreut werden. Aber auch die weitgehend anonymen und tristen Suburbs von Louisiana als Schauplatz halten dieses Triptychon zusammen.


Gesteigert wird die verstörende Wirkung der grotesken Handlung einerseits durch die vielfach schäbigen Schauplätze und die kühlen und distanzierten Bilder von Kameramann Robbie Ryan und andererseits durch den Score von Jerskin Fendrix. Choralartiger Musik stehen hier immer wieder metallen-harte Klavierklänge gegenüber, die eine eisige Atmosphäre verbreiten.

 

 

Kinds of Kindness Großbritannien / Irland / USA 2024 Regie: Yorgos Lanthimos mit: Willem Dafoe, Emma Stone, Mamoudou Athie, Joe Alwyn, Margaret Qualley, Jesse Plemons, Hong Chau, Hunter Schafer Länge: 165 min.


Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn und im Skino Schaan (O.m.U.)


Trailer zu "Kinds of Kindness"




Comments


bottom of page