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  • AutorenbildWalter Gasperi

73. Berlinale: Toxische Männlichkeit und Welt ohne Menschlichkeit

Aktualisiert: 26. Feb. 2023


John Trengove legt mit seiner "Taxi Driver"-Variante "Manodrome" einen düsteren Trip in die Welt toxischer Männlichkeit vor. Rolf de Heer erzählt dagegen in "The Survival of Kindness" von einer postapokalyptischen Welt ohne Menschlichkeit.


Ein Clou ist die Besetzung der Hauptrolle von "Manodrome" mit Jesse Eisenberg. Denn im Grunde steht der Amerikaner doch für den netten jungen Mann von nebenan, doch der Südafrikaner John Trengove fördert sukzessive die dunklen Seiten des von Eisenberg gespielten Uber-Fahrers zu Tage.


Entlassung von der Firma, prekäre finanzielle Situation, aber auch ein Kindheitstrauma versucht dieser Ralphie durch Krafttraining im Fitnesscenter zu kompensieren. Seine Männlichkeit muss er sich selbst demonstrieren, indem er narzisstisch mit nacktem Oberkörper vor dem Smartphone post und Selfies macht, schluckt aber dennoch, um den Muskelaufbau zu fördern, auch noch zahlreiche Pillen.


Trotz der schwierigen Lage scheint er mit seiner hochschwangeren Freundin aber glücklich zu sein, bis ihn ein Kumpel in den Männerkreis eines gewissen Dan (Adrien Brody) einführt. Hier wird nämlich den Beziehungen zu Frauen abgeschworen und die gebrochene Männlichkeit soll wieder gestärkt werden. Unter dem Einfluss dieser Gruppe brechen so Ralphies lange unterdrückte Wut und Homophobie durch, die sich zunehmend in Gewalt entladen.


Verankert im winterlich kalten und schmutzigen New York, das in scharfem Kontrast zum immer wieder auftauchenden Weihnachtsmann und Weihnachtsbaum steht, und unterstützt von starker Musik und Sounddesign entwickelt der Südafrikaner John Trengove, der sich vor sechs Jahren in seinem Debüt "The Wound" mit Homophobie in seinem Heimatland auseinandersetzte, ein dichtes und packendes Porträt seines zerrissenen Protagonisten.


Wie in "Taxi Driver" der von Robert de Niro gespielte Travis Bickle in New York eine Kloake sieht, so wird auch hier einmal die Welt als Müllhalde bezeichnet, die gereinigt werden müsse. Auch die körperliche Abhärtung verbindet beide Filme. Dazu kommen hier Männer, die glauben von den Frauen unterdrückt zu werden und sich ihre Position zurückerkämpfen zu müssen. Dem einsamen Wolf bei Scorsese steht hier aber eine Gruppe gegenüber, die erst die unterdrückten Gefühle des von Jesse Eisenberg herausragend gespielten Ralphie zu Tage fördert und ihn zu aggressiven Akten veranlasst.


Mag das Ende, bei dem Trengove mehrfach eins drauf setzt und die Handlung nochmals weitertreibt, wenig geglückt sein und mag auch unklar bleiben, welche Ziele die Männergruppe nach außen verfolgt und ob die Handlungen Ralphies vom Guru Dan überhaupt intendiert waren, so ist dem Südafrikaner hier doch ein intensives und packendes Kinostück und ein starkes Porträt toxischer Männlichkeit gelungen.


Wenn der Australier Rolf de Heer in "The Survival of Kindness" seine Charaktere nur ein Kauderwelsch oder durch Gasmasken unverständliche Worte sprechen lässt, dann verweist dies auch auf die Kommunikationslosigkeit, die in seiner postapokalyptischen Welt herrscht. Nur mit Gasmasken scheint aufgrund einer nicht näher definierten Katastrophe das Überleben möglich.


Doch die Katastrophe hat die Menschen nicht zusammengeschweißt, sondern immer noch herrschen Machtstrukturen und Ausgrenzung. So wird gleich zu Beginn eine im Abspann nur "BlackWoman" genannte Aborigine in einem Käfig im Outback ausgesetzt. Nächte und Tage vergeben und die Bilder vom durch die Hitze aufgerissenen Boden machen die Qual der Gefangenen fast physisch spürbar.


Der BlackWoman gelingt es aber schließlich aus dem Käfig zu entkommen. Vom Outback kommt sie langsam in zivilisiertere Gegenden, macht im Stil eines klassischen Road-Movies unterschiedliche Begegnungen, erfährt aber auch wieder die Gewalt und Brutalität der Weißen, die sie schließlich eine radikale Entscheidung treffen lassen.


So engagiert und bitter diese Parabel auf den Rassismus und die Abwesenheit von Menschlichkeit auch ist, so bleibt sie doch auch ziemlich abstrakt. Im Gedächtnis haften bleiben aber sicher die intensiven Bilder des Outbacks am Beginn und die Makroaufnahmen von Ameisen, die sich genauso gegenseitig töten wie die Menschen.


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