Bei seiner 60. Jubiläumsausgabe (20.10. – 1.11. 2022) bietet das Wiener Filmfestival wiederum eine geballte Ladung an Highlights der heurigen Festivalsaison, aber auch ein vielfältiges filmgeschichtliches Programm. – Der Kartenvorverkauf beginnt am 15.10.
Eröffnet wird die heurige Viennale mit Tizza Covis und Rainer Frimmels in Venedig preisgekröntem, semidokumentarischem "Vera". Das Regieduo zeichnet darin ein Porträt der erfolglosen Schauspielerin Vera Gemma, der Tochter des Italo-Western-Stars Giuliano Gemma, der es nicht gelingt, aus dem Schatten ihres berühmten Vaters herauszutreten.
Gewohnt schräge Unterhaltung bietet Quentin Dupieux´ Komödie "Incroyable, mais vrai", während David Cronenberg mit "Crimes of the Future" - seinem ersten Film seit acht Jahren - wieder zum Bodyhorror zurückkehrt.
Klassisches sozialrealistisches Kino ist dagegen von den Brüdern Jean-Pierre und Luc Dardenne zu erwarten, die ihren neuen, in Cannes uraufgeführten Film "Tori et Lokita" zeigen. Ein starker, kitschfreier Heimat- und Liebesfilm vor der archaischen Kulisse der Innerschweizer Bergwelt gelang dagegen Michael Koch mit "Drii Winter", der auch die Schweizer Einreichung für die Oscars 2023 ist.
Gespannt sein darf man nach dem starken "Amanda - Mein Leben mit Amanda" auch auf Mikhael Hers neuen Film "Les passagers de la nuit". In dessen Zentrum steht eine von Charlotte Gainsbourg gespielte, alleinerziehende Mutter, die eine ziellose Jugendliche unter ihre Fittiche nimmt.
Mit der Empfehlung der Auszeichnung als bester Film in der Sektion Encounters bei der heurigen Berlinale kommt Ruth Beckermanns Dokumentarfilm "Mutzenbacher" zur Viennale. Beckermann konfrontiert darin im Rahmen einer realen Castingsituation 100 Männer unterschiedlichen Alters mit Textpassagen aus dem Roman "Josefine Mutzenbacher".
Gespannt sein darf man aber auch auf neue Filme des Franzosen Bertrand Bonella, der nach "Zombi Child" mit "Coma" einen Mix aus Fantasy- und Essayfilm präsentiert, in dessen Mittelpunkt ein junges Mädchen steht, das mit einer globalen Gesundheitskrise konfrontiert wird. Zu den Stammgästen der Viennale zählt der Koreaner Hong Sangsoo, der mit seinem bei der heurigen Berlinale mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichneten "Die Schriftstellerin" eingeladen wurde.
Zu den weiteren großen Namen gehören neben anderen der Rumäne Cristian Mungiu mit seinem neuen Film "R.M.N." und Sarah Polley mit ihrem neuen, beim Filmfestival von Toronto gefeierten Film "Women Talking", aber auch Laura Poitras´ Venedig-Sieger "All the Beauty and the Bloodshed".
In Cannes hoch gelobt wurden Park Chan-Wooks Thriller "Decision to Leave" und Lucas Dhonts "Close" und auch Martin McDonaghs "The Banshees of Inisherin" sowie Luca Guadagninos "Bones and All" dürften großes Kino bieten. Dazu kommen unter anderem James Grays autobiographisch inspirierter "Armageddon Time" und Rebecca Zlotowskis "Les enfants des autres".
Entdecken kann man auch Valentina Maurels in Locarno mehrfach preisgekrönte Coming-of-Age-Geschichte "Tengo sueños electricos – I Have Electric Dreams", Helena Wittmanns sehr fragmentarischen und an Claire Denis´ "Beau Travail" erinnernden "Human Flowers of Flesh" oder Patricio Guzmans neuen Essayfilm "Mi país imaginario".
Freuen darf man sich aber auch auf neue Filme der Briten Peter Strickland und Mark Jenkins. Während Strickland mit "Flux Gourmet" eine kulinarische Komödie um einen unter Verstopfung leidenden Schriftsteller gedreht hat, soll es sich bei "Enys Men" um einen im Stil von Stummfilmen gedrehten Horrorfilm handeln.
Wie gewohnt bietet die Viennale auch dem neuen österreichischen Film eine starke Plattform. Neben dem Eröffnungsfilm "Vera" wird so auch Ulrich Seidls "Sparta", der wegen Vorwürfen über die Umstände bei den Dreharbeiten mediales Aufsehen erregte, seine Österreich-Premiere feiern. Dazu kommen unter anderem Nikolaus Geyrhalters "Matter out of Place", in dem der Dokumentarfilmer global der Allgegenwart von Müll und dem Umgang damit nachspürt, David Wagners in Venedig ausgezeichneter "Eismayer" und Claudia Müllers Elfriede Jelinek-Porträt "Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen".
Auch der Kurzfilm findet mit zahlreichen Produktionen hier seinen Platz und gleich sechs Trailer von so renommierten Regisseuren wie "Drive My Car"-Schöpfer Ryusuke Hamaguchi ("Walden"), Sergei Loznitsa ("Independence Day") und Albert Serra ("Vienna Waltz") entstanden anlässlich dieser Jubiläumsausgabe der Viennale.
Die Filmgeschichte wird gepflegt mit Monografien zum Mauretanier Med Hondo, der als Wegbereiter des afrikanischen Kinos gilt und der Amerikanerin Elaine May, die als Erneuerin der Komödie gilt. Aber auch an den Iraner Ebrahim Golestan wird anlässlich seines 100. Geburtstages mit rund einem Dutzend Filmen erinnert. Dazu kommen Schwerpunkte zum argentinischen Film noir der 1950er Jahre und zum österreichischen Dokumentarfilm von 1972 bis 2017.
Die in Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum veranstaltete Retrospektive gilt heuer dem zumindest im Westen eher wenig bekannten japanischen Regisseur Yoshida Kiju. Zwölf Arbeiten werden von dem 89-Jährigen gezeigt, der den Höhepunkt seiner Karriere in den 1960er und 1970er Jahren mit Filmen feierte, mit der er das japanische Kino revolutioniert haben soll.
Weitere Informationen und das Programm finden Sie hier.
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Viennale Trailer "Walden" von Ryusuke Hamaguchi
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