top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Viennale 2019: Kleine Entdeckungen

Aktualisiert: 31. Okt. 2019


Neben Festivalhits, die in den nächsten Monaten in die Kinos kommen werden, bietet die Viennale immer auch die Gelegenheit kleine Filme zu entdecken, die wohl keinen Verleiher finden werden. Zwei Beispiele sind „Ghost Tropic“ des Belgiers Bas Devos und „Wet Season“ des Singapurers Anthony Chen.


Mehr Evokation der Stimmung einer nächtlichen Stadt als konkrete Handlung bietet Bas Devos in „Ghost Tropic“ aber gerade darin liegt der Reiz des im 4:3 Format auf 16mm gedrehten Films.


Im Zentrum steht die Reinigungskraft Khadija, die auf ihrem Heimweg durch Brüssel in der letzten U-Bahn einschläft und nun versucht zu Fuß nach Hause zu kommen. Auf diesem Weg macht sie unterschiedliche kleine Begegnungen, bittet den Wachmann eines Einkaufszentrum, um Zugang zu einem Bankomat, ruft die Rettung, als sie einen Obdachlosen am Straßenrand entdeckt, sieht einen Flüchtling, der Zuflucht in einem leerstehenden Haus gesucht hat oder trinkt in einem Tankstellenshop einen Tee und beobachtet schließlich ihre 17-jährige Tochter bei einem Treffen mit Freunden.


„Ghost Tropic“ lebt vom Wechsel zwischen Großaufnahmen der von Saadia Bentaieb gespielten verwitweten Protagonistin, die offen und voll Empathie auf die Menschen zugeht und selbst spürt, dass nach ihrem Sohn wohl auch bald ihre Tochter ausziehen wird, und verlassenen, geisterhaften Schauplätze.

Großartig beschwört hier die Kamera von Grimm Vandekerckhove mit gleitenden Steadicamfahrten durch die Straßen, starken Farb- und Lichtakzenten mit knalligen Firmenwerbungen und gleißend weißem Neonlicht eine nächtliche Stimmung der Stille und Verlorenheit, die an die Bilder Edward Hoppers erinnert. Dafür nimmt man dann auch in Kauf, dass es Devos mit der Langsamkeit teilweise doch etwas übertreibt und eine Krankenhausszene gegen Ende wenig glaubwürdig wirkt.


Wird „Ghost Tropic“ von der nächtlichen Stimmung bestimmt, so stimmen in „Wet Season“ schon vor dem ersten Bild Regengeräusche und Gewitterdonner auf die Monsunzeit ein. Gleichzeitig wird in den Nachrichten aber auch über Demonstrationen in Malaysia gegen die Regierung berichtet. Die Protagonistin Ling kommt aus Malaysia, ihre Mutter lebt noch dort, sie aber ist seit Jahren in Singapur verheiratet und arbeitet als Lehrerin für Chinesisch.


Ihr größter Wunsch ist es, ein Kind zu bekommen, doch ihr Mann hat sich von ihr entfremdet, gibt immer wieder vor, berufliche Verpflichtungen zu haben, während sie sich um dessen bettlägerigen Vater kümmern muss. Sich selbst überlassen widmet sie sich verstärkt ihrem Beruf, setzt sich vor allem für einen Schüler ein, der aber bald die Lehrerin zu bedrängen beginnt.


Anthony Chens zweiter Spielfilm besticht durch die ebenso unaufgeregte wie elegante Inszenierung. Jede Einstellung ist sorgfältig kadriert und in gedeckte Farben getaucht und statt Emotionen aufzubauschen, nimmt Chen sie eher heraus. Er beschränkt sich darauf mit sichtlich empathischen Blick seine Protagonistin zu begleiten und unaufdringlich ihre Kränkungen und Benachteiligungen in einer männlich dominierten Gesellschaft sichtbar zu machen. Gerade diese Zurückhaltung nimmt für diesen leisen, aber mit großer Sorgfalt gemachten Film ein.


Weitere Viennale-Berichte: A Dog Called Money + Tlamess

bottom of page