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  • AutorenbildWalter Gasperi

Bewaffneter ziviler Widerstand - Der europäische Partisanenfilm


Zwischen 1940 und 1980 entstanden in ganz Europa, vor allem aber in Osteuropa und Ex-Jugoslawien Filme, die vom bewaffneten zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus erzählen. Unter dem Titel „O partigiano!“ widmen das Österreichische Filmmuseum und die Viennale diesem Partisanenfilm eine Retrospektive.


Gerade in Zeiten, in denen illiberale und autoritäre Bewegungen und Parteien an Zulauf gewinnen, ist es wichtig an die Folgen solcher Strömungen im letzten Jahrhundert, aber auch an den bewaffneten Widerstand gegen den Terror zu erinnern.


In der Sowjetunion entstand noch während des Zweiten Weltkriegs mit Ivan Pyryevs "Sekretar rajkoma" ("The District Secretary", 1942) ein Film, der zeigt, wie ein Parteisekretär eine Partisanentruppe aufstellt und einen Guerillakrieg gegen die Nazis beginnt. Boris Barnet drehte ebenfalls 1942 mit "Slavnyj malyj" ("A Good Lad") ein surreales Musical über einen französischen Piloten, der nach Abschuss durch die Nazis in einem Partisanenlager landet, während Mark Donskoj 1944 in "Raduga" ("Rainbow") einer sowjetischen Partisanin ein Denkmal setzte und gleichzeitig Kollaboration anprangerte.


Unmittelbar mit Kriegsende entstanden dann auch in Frankreich und Italien Filme, die den Widerstandskampf feierten. René Clément erzählte in seinem ersten, zunächst als Dokumentarfilm angelegten Spielfilm "La bataille du rail" (1946) von Sabotageakten gegen die Züge der Wehrmacht, bei denen die Resistance auch von den Bürgern unterstützt wurde, während Roberto Rossellini in "Roma, città aperta" (1946) und "Paisà" (1946) den italienischen Widerstand ebenso wie grausame Vergeltungsmaßnahmen der Nazis schilderte.


Den „Vier Tagen von Neapel“, in deren Verlauf sich die Bevölkerung der süditalienischen Stadt durch einen Aufstand Ende September 1943 von der Nazi-Herrschaft befreite, widmete sich nicht nur Giacomo Gentilomo schon 1946 in "O sole mio", sondern auch Nanni Loy 1962 in "Le quattro giornate di Napoli".


Wenige Monate nach Kriegsende entstand auch in Dänemark mit Bodil Ipsens und Lau Lauritzens Jr. "De rode enge" ("The Red Meadows", 1945) ein Spielfilm, in dessen Mittelpunkt ein dänischer Saboteur steht, der sich im Gestapo-Gefängnis an seine Aktionen gegen die Nazi-Herrschaft erinnert. Dem norwegischen Widerstandskämpfer Jan Baalsrud und seinem Versuch 1943 einen Luftkontrollturm der Nazis in Nordnorwegen zu sprengen, setzte dagegen Arne Skouen 1957 mit "Ni liv" ("Nine Lives") ein Denkmal.


An den Widerstand in Griechenland erinnerte dagegen 1962 Takis Kanellopoulos, der in "Ouranos" ("Glory Sky") die Erfahrungen und die Leiden griechischer Soldaten während des Zweiten Weltkriegs schilderte.


Am intensivsten setzte man sich filmisch aber sicherlich in Osteuropa mit diesem zivilgesellschaftlichen Kampf gegen den Faschismus auseinander. In der Verklärung der Partisanen, die abseits der offiziellen Truppen der Roten Armee den deutschen Besatzern und deren Soldaten während des "Großen Vaterländischen Kriegs" zusetzten, wurde auch die Identifikation mit diesem Staat gefeiert und gefestigt.


In der Nachkriegszeit spannt sich die Auseinandersetzung mit dem Partisanenkampf in der ehemaligen Sowjetunion von Sergej Gerasimovs "Molodaja gvardija" ("The Young Guard", 1948) bis zu Elem Klimovs "Idi i smotri" ("Come and See", 1985). Das Bild vom heldenhaften Kampf und schlussendlichen Sieg wurde dabei zunehmend von der Schilderung der Zerstörung jeder Menschlichkeit durch den Krieg abgelöst.


Was freilich in den 1980er Jahren möglich war, führte 1968, als die Tauwetter-Periode zu Ende ging, bei Vladimir Denisenkos ästhetisch avanciertem "Sovist" ("Consciousness"), in dem ein gesamtes ukrainisches Dorf für den Mord an einem Wehrmacht-Offizier büßen muss, zu einem jahrzehntelangen Aufführungsverbot.


In Polen wiederum zeichnete Andrzej Munk 1955 in "Blekitny Krzyz" ("The Blue Cross") mit dokumentarischen Mitteln die Rettung eingeschlossener sowjetischer und slowakischer Partisanen durch polnische Bergsteiger nach, während Robert Glinski in "Akcja pod Arsenalem" ("Operation Arsenal", 1978) erzählt, wie polnische Partisanen versuchen ihren von den Nazis gefangenen Freund zu befreien.


In der ehemaligen Tschechoslowakei setzte sich Frantisek Cap 1946 in "Muzi bez Kridel" ("Men without Wings") ebenso wie Jiri Sequens knapp 20 Jahre später in "Atentát" („Attentat“, 1965) mit dem Attentat auf SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich am 26. Mai 1942 in Prag auseinander. Als Vergeltung ermordeten deutsche Truppen damals fast alle Männer des Dorfes Lidice.


Im blockfreien Vielvölkerstaates Ex-Jugoslawien sollte der Partisanenfilm auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der unterschiedlichen Ethnien und Konfessionen festigen. Zentrales Element der Kinematographie des Balkanstaates ist dieses "Genre" folglich. Internationale Großproduktionen wie Veljko Bulajics aufwändiges Schlachtengemälde "Bitka na Neretvi" ("The Battle of Neretva", 1969), in dem Stars wie Orson Welles, Curd Jürgens und Yul Brynner die Hauptrollen spielten, oder Stipe Delics "Sutjeska" ("Die fünfte Offensive - Kesselschlacht an der Sutjeska", 1972), in dem Richard Burton den Marshall und späteren Staatschef Josip Broz Tito spielte, entstanden hier ebenso wie France Stiglics ungewöhnlicher "Balada o trobenti in oblaku" ("The Ballad of the Trumpet and the Cloud", 1961). Im Mittelpunkt dieses Films steht ein Bauer, den kurz vor Weihnachten drei Soldaten aufsuchen, die auf der Jagd nach einigen verwundeten Partisanen sind, die sich in der Gegend verstecken.


Während Hajrudin Krvacac´ "Valter brani Sarajevo" ("Valter Defends Sarajevo", 1972), der mehr Agenten- als Kriegsfilm ist, als Kultfilm des Genres gilt, gilt Zivojin Pavlovic´ "Hajka" ("Manhunt", 1977) als eines der realistischsten Porträts des Partisanenalltags. Ungewöhnlich ist auch "Ni okrei se, sine" ("Jenseits der Straße", 1956), in dem der Kroate Branko Bauer erzählt, wie ein aus einem KZ entflohener Partisan, um das Vertrauen seines in einem Lager faschistisch erzogenen Sohnes kämpft.


Aber auch die religiösen Spannungen im Vielvölkerstaat wurden schon im Partisanenfilm thematisiert. Dies zeigt "Kad cujes zvona" ("Wenn die Glocken läuten", 1969) des Kroaten Antun Vrdoljak, in dem ein Politkommissar versucht, zwei Dörfer, die aufgrund unterschiedlicher Konfessionen – die Bewohner des einen sind orthodoxe Christen, die anderen Moslems - verfeindet sind, für den Freiheitskampf zu einen.


Weitere Informationen und Programm unter Österreichisches Filmmuseum und Viennale

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