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  • AutorenbildWalter Gasperi

Viennale 2019: Ein Festival der Frauen


Mit der Italienerin Eva Sangiorgi steht nicht nur eine Frau an der Spitze der Viennale, sondern auch im Zentrum auffallend vieler Filme des heurigen Programms stehen Frauenfiguren.


Welche Schwerpunkte sich bei einem Festival ergeben, das – Kurzfilme eingeschlossen – 300 Filme präsentiert, hängt zwar immer von der subjektiven Auswahl ab, auffallend ist bei der heurigen Viennale aber doch, wie viele Filme mit Frauen im Zentrum man entdecken konnte.


Schon zur Eröffnung wurde mit Céline Sciammas „Portrait de la jeune fille en feu“ ein meisterhafter Liebesfilm präsentiert, in dem Männer so gut wie nicht vorkommen. Randfiguren sind Jungs und Männer aber auch in Olivia Wildes sehr unterhaltsamer Highschool-Komödie „Booksmart“ und Rebecca Zlotowskis etwas anderen Coming-of-Age-Geschichte „Une fille facile“.


Dem Klischee vom ständig Party feiernden Teenager widersprechen in Wildes Regiedebüt die Teenager Molly und Amy völlig. Ganz dem Lernen haben sie sich verschrieben, einziges Vergehen während ihrer Zeit an der Highschool war, dass sie einen Ausweis gefälscht haben, um 24 Stunden Zugang zur Bibliothek zu haben. Als Lohn erwarten sie die Aufnahme an Elite-Unis wie Yale, müssen aber am letzten Schultag feststellen, dass auch die Schüler, die es mit dem Lernen nicht so genau genommen haben, an den renommiertesten Unis aufgenommen werden oder Spitzenjobs erhalten.


Wenigstens in der letzten Nacht soll nun nachgeholt werden, was bisher versäumt wurde und die beste Abschlussparty besucht werden. Bis die beiden Freundinnen freilich endlich dorthin gelangen, ist ein weiter und mit vielen Turbulenzen und Überraschungen gepflasterter Weg, da der Veranstaltungsort nicht so leicht in Erfahrung gebracht werden kann.


Da lernt man nicht nur den Schuldirektor in seinem Zweitjob als Taxifahrer kennen, sondern landet auch zunächst auf anderen schrägen Partys. Auch das Liebesglück scheint sich für das Duo in dieser Nacht zu erfüllen, aber auch Enttäuschungen bleiben nicht aus, bis sich selbst die scheinbar unzertrennlichen Freundinnen in die Haare geraten.


Das ist lustvoll inszeniert und gespielt, lebt vom Charme der unverbrauchten jungen Darstellerinnen und vom spielerisch leichten Wechsel zwischen den Tonlagen. Bei allem Witz vergisst Wilde nämlich auch nicht Einsamkeit und Sorgen und schafft so erfreulich vielschichtige Charaktere, deren Schicksal bewegt, und verbreitet andererseits mit der ebenso temporeichen wie unverkrampften Inszenierung, die auch unbekümmert eine lesbische Protagonistin präsentiert, viel Lebensfreude.


Auch im Mittelpunkt von Rebecca Zlotowskis an der Côte d´Azur spielendem „Une fille facile“ stehen zwei junge Frauen. Mit den Augen der 16-jährigen Naima, die soeben die Schule beendet hat, für eine Schauspielausbildung vorsprechen will und ein Praktikum in der Küche des Luxushotels machen soll, in dem auch ihre Mutter als Zimmermädchen arbeitet, lässt Zlotowski den Zuschauer auf ihre 22-jährige Cousine Sofia blicken.


Im Gegensatz zur schüchternen Naima ist sich Sofia ihrer Reize bewusst und setzt sie gezielt ein, um Männer zu erobern. Sie sucht nicht Liebe, sondern kurze Abenteuer. Nur eine Frau darf wohl einen Film drehen, in dem sich die Kamera so voyeuristisch an der Protagonistin festsaugt, die mit Po, großem Busen und Mandelaugen das Bild vom Sexsymbol perfekt bedient.


Rasch hat Sofia so auch einen reichen Briten geangelt und nimmt auch Naima mit auf dessen Jacht. Nur Zuschauerin bleibt die 16-Jährige zwar, aber am Luxus, der dabei für Sofia herausspringt, findet sie doch auch Gefallen.


Rund und in verführerisch eleganten lichtdurchfluteten Sommerbildern erzählt Zlotowski vom Eintauchen Naimas in eine ihr fremde Welt, verurteilt Sofia nicht, die in einer hedonistischen und materialistischen Welt ihren Körper einsetzt, um Luxus zu bekommen. Bissig ist der Blick nur auf die reichen Männer, die nicht nur ihre Angestellten schikanieren, sondern auch Sofia und Naima, ohne mit der Wimper zu zucken, mit falschen Beschuldigungen entsorgen, sobald sie ihrer überdrüssig sind.


Ums Frau- und Muttersein und von der Befreiung von allen Konventionen erzählt auch der Chilene Pablo Larrain, in dessen „Ema“ eine Tänzerin und ihr Partner zum Entsetzen der Gesellschaft ein adoptiertes Kind zurückgeben, ehe die Frau doch wieder um ihr Kind zu kämpfen beginnt.


Nicht unbedingt leicht zu folgen ist diesem Film in seiner wilden Szenenfolge, aber welchen Schwung und Drive Larrain durch das Spiel mit Licht und Farben und die Mischung von Handlung und mitreißenden, extrem körperbetonten Tanzszenen sowie einer herausragenden Mariana Di Girolamo in der Titelrolle entwickelt, das beeindruckt doch. – Ein zweiter Blick lohnt sich bei diesem rauschhaften Werk sicherlich.


Gegenpol zur Leidenschaftlichkeit von „Ema“ stellt die Kälte von Jessica Hausners „Little Joe“ dar. In geradezu klinisch kühlen Bildern erzählt die Wienerin darin von einer Pflanzenzüchterin, die mittels Genmanipulation eine neue Blume entwickelt hat, die einen Duft ausstößt, der Menschen glücklich machen soll. Bald scheint die Blume aber Macht über die Personen, die zu ihr Kontakt haben, zu gewinnen und sie verändern. – Oder ist dies nur eine Projektion der anderen?


Mit großem Stilwillen hat Hausner diese von perfekt entworfenen kalten Räumen, blassem Grün und Weiß, aus dem nur die rote Blume herausleuchtet, bestimmten Film inszeniert. Unübersehbar orientiert sie sich an Klassikern wie Don Siegels „Invasion of the Body Snatchers“ (1956) oder Roger Cormans „Little Shop of Horrors“ (1960), spielt auch mit klassischen Horrormotive, wenn sich zunächst ein Hund verändert, verzichtet aber auf die fürs Genre typischen Schockmomente.


Der Ausgangspunkt mag der Science-Fiction entnommen sein, bei der Entwicklung der Handlung bleibt Hausner aber ganz im Realistischen und verhandelt bis zum Ende höchst ambivalent Fragen der Wahrnehmung und der menschlichen Identität, aber auch des Geschäfts mit dem Versprechen von Glück.


Weitere Viennale 2019-Berichte: A Dog Called Money + Tlamess

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