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AutorenbildWalter Gasperi

Konklave

Der Papst ist tot. Ein Nachfolger muss gewählt werden, doch beim Konklave treffen unterschiedliche Positionen aufeinander, werden Intrigen geschmiedet und Geheimnisse aufgedeckt: Edward Berger inszeniert Robert Harris´ Bestseller als konzentrierten, wendungsreichen und großartig gespielten Thriller.


Mit den sieben Oscar-Nominierungen und vier gewonnenen Statuetten für die Neuverfilmung von "Im Westen nichts Neues" (2022) stieg Edward Berger zum gefeierten Regisseur auf. Zu sehen gab es die Netflix-Produktion allerdings kaum im Kino und, auch wenn sie über andere Kanäle wie Streaming ein breites Publikum erreichte, erscheint die zunehmende Unsichtbarkeit zahlreicher Filme als Problem.


Denn während früher Filme von "Vom Winde verweht" über "Spiel mir das Lied vom Tod" bis zu "Das Piano" durch wochenlange Spielzeiten, aber auch durch Wiederaufführungen große Präsenz beim Publikum entwickelten, verschwinden Werke wie David Finchers "Mank", Jane Campions "The Power of the Dog", Joel Coens "The Tragedy of Macbeth" oder eben "Im Westen nichts Neues" heute vielfach gleich wieder von der Bildfläche und geraten rasch in Vergessenheit.


Die Karriere von Edward Berger hat sein Oscar-Erfolg dennoch befeuert und der Deutsche hat nun mit amerikanischer Besetzung und auf Englisch Robert Harris´ 2016 erschienenen Bestseller "Konklave" verfilmt. Schon Harris´ Romane "Vaterland" (1994), "Enigma – Das Geheimnis" (2001) und "München – Im Angesicht des Krieges" (2021) wurden verfilmt. Roman Polanski konnte mit den Verfilmungen von "The Ghost Writer" (2010) und "Intrige" (2019), der die Dreyfus-Affäre nachzeichnet, auch seine eigenen klaustrophobischen Erfahrungen als Kind im Krakauer-Ghetto und sein Gefühl der ungerechten Behandlung durch die Öffentlichkeit verarbeiten.


Harris´ dichte und schnörkellose Erzählweise bietet sich für Verfilmungen geradezu an. Genau hält sich so auch Edward Berger an die Vorlage, lässt seinen Film mit dem Tod des Papstes einsetzen und mit der Wahl des neuen Papstes enden. Für Konzentration sorgt auch die räumliche Beschränkung auf die Sixtinische Kapelle und weitere Räume des Vatikans.


Im Zentrum steht Thomas Lawrence (Ralph Fiennes), der als Dekan des Kardinalskollegiums die Papstwahl leiten soll, aber selbst mit Glaubenszweifeln zu kämpfen hat. Wenn er in seiner Eröffnungsrede zum Konklave sich nicht in Floskeln ergeht, sondern von der Gefahr der Gewissheit spricht, die der größte Feind von Toleranz und Glauben sei, dann gewinnt "Konklave" auch gesellschaftspolitische Kraft. Denn dem fundamentalistischen Denken wird damit eine Absage erteilt und für Offenheit plädiert.


Aktuelle kirchenpolitische Probleme kommen ins Spiel, wenn bei der Wahl dem erzkonservativen Bischof von Venedig (Sergio Castellito), der eine Rückkehr zur Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) anstrebt, der liberale Staatssekretär Bellini (Stanley Tucci) gegenüberstellt, der den Kurs des verstorbenen Papstes fortsetzen will.


Chancen auf eine Wahl haben aber auch der Kämmerer Tremblay (John Lithgow), der offensichtlich ein letztes kontroverses Gespräch mit dem Verstorbenen hatte, und der Afrikaner Adeyemi (Lukas Msamati), der trotz oder gerade mit seinen reaktionären Ansichten über Homosexuelle und Frauen der erste afrikanische Papst werden könnte. Überraschend taucht mit dem in Mexiko geborenen Kardinal von Kabul (Carlos Diehz), der vom Papst aus Sicherheitsgründen geheim gehalten wurde, aber auch noch ein jüngerer Kandidat auf, von dem bisher niemand wusste.


Nicht nur Machtgier tritt bald zu Tage, sondern auch Intrigen werden geschmiedet, um Kandidaten zu diskreditieren, und Lawrence, der gegen seinen Willen bei den Wahlgängen Stimmen erhält, muss nicht nur für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl sorgen, sondern versucht in Gesprächen auch zu eruieren, wer denn nun der für die Kirche beste Kandidat ist.


So entwickelt sich ein packender und wendungsreicher Thriller, der eine spannende Innensicht dieses doch recht altertümlichen Wahlverfahrens und des Kardinalskollegiums bietet. Der punktgenaue Schnitt von Nick Emerson treibt die Handlung zügig voran, die Musik von Volker Bertelmann setzt starke Akzente und steigert immer wieder die Spannung, vor allem aber drückt die Kameraarbeit von Stéphane Fontaine "Konklave" den Stempel auf.


Der Franzose, der schon mehrfach mit Jacques Audiard zusammenarbeitete, sorgt mit der weitgehenden Reduktion der Farbpalette auf die schwarzen und scharlachroten Soutanen und die ebenfalls scharlachrote, Pileolus genannte Kopfbedeckung der Kardinäle sowie den roten Teppichen und Bändern, von denen sich die kalten Marmorwände und Marmorböden abheben, ebenso wie mit Totalen des in Rot getauchten Speiseraums oder der Fülle weißer Regenschirme, unter denen sich das Wahlgremium über einen Platz nähert, nicht nur für einen starken visuellen Stil, sondern trägt damit auch wesentlich zur atmosphärischen Dichte bei.


Getragen wird dieser Kirchenthriller aber von einem großartigen Ensemble. Da brilliert nicht nur Ralph Fiennes als zweifelnder Protagonist, sondern auch die Nebenrollen sind mit Stanley Tucci als liberalem Kardinal Bellini, Sergio Castellito als polterndem Kardinal von Venedig und John Lithgow als machtgierigem Tremblay perfekt besetzt. Wenig, aber dann doch Entscheidendes mag hier Isabella Rossellini als Schwester Agnes, die den Nonnen vorsteht, die sich während des Konklave um den Haushalt kümmern, sprechen, dennoch strahlt auch ihre Figur große Präsenz aus.


Eine bestens geölte Kinomaschine, die bei der Oscar-Jury durchaus ankommen könnte, wird so geboten, doch eine eigene Handschrift Bergers lässt sich nicht erkennen. Er präsentiert sich als großartiger Handwerker, der eine starke Vorlage souverän umzusetzen vermag. Nicht ausgespart wird dabei auch die überraschende Schlusswendung von Harris´ Roman, die ein gesellschaftspolitisches Statement für den Weg der Kirche in die Zukunft liefert.


Irritierend ist an "Konklave" - zumindest in der deutschen Synchronfassung - einzig die Arbeit mit den Sprachen. Dass gewisse rituelle Formen auf Lateinisch gesprochen werden, ist logisch, doch wieso Lawrence, aber auch die anderen Kardinäle Gespräche oder Reden teils in Italienisch oder auch Spanisch beginnen, dann aber nach einigen Sätzen ins Deutsche oder in der Originalfassung wohl ins Englische wechseln, ist schleierhaft. In direkten Gesprächen wird man wohl bei der Landessprache des jeweiligen Kardinals bleiben, sofern man diese beherrscht, und in Reden an die Gesamtheit wird wohl durchgängig das allen vertraute Englisch verwendet werden.


Konklave USA / Großbritannien 2024 Regie: Edward Berger mit: Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow, Merab Ninidze, Isabella Rossellini, Lucian Msamati, Sergio Castellitto, Carlos Diehz Länge: 121 min.


Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn.


Trailer zu "Konklave"



 

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