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AutorenbildWalter Gasperi

The Power of the Dog


Jane Campion entwickelt vor ebenso rauer wie grandioser Naturkulisse in ihrem Post-Western ein intensives Drama und hinterfragt, unterstützt von einem starken Ensemble, aus dem Benedict Cumberbatch, Kodi Smit-McPhee und Kirsten Dunst herausragen, klassische Rollen- und Geschlechterbilder.


Mit einem Insert verankert Jane Campion ihre Verfilmung von Thomas Savages 1967 erschienenem Roman im ländlichen Montana des Jahres 1925. Einsam steht die große Ranch der Burbank-Brüder Phil (Benedict Cumberbatch) und George (Jesse Plemons) in weiter, von sandigen Bergen umgebener Prärie.


Immer noch schlafen die Brüder zwar im gleichen Zimmer, doch Campion fokussiert von Anfang an auf den Unterschieden zwischen ihnen. Während sich George nämlich als moderner Geschäftsmann gibt, sich mit Anzug kleidet, ein Bad genießt und mit dem Auto fährt, zeigt sich Phil als klassischer Cowboys alten Schrots: Körperpflege interessiert ihn wenig, sein Auftreten ist rau und am liebsten scheint er im Sattel seines Pferdes zu sitzen.


Einer klassischen Westernfigur wie sie John Wayne, Gary Cooper und James Stewart prägten, steht so ein feinfühliger und sanfter Mann der neuen Zeit gegenüber und das Genre bedient Campion auch mit einem Viehtreck, der wohl Assoziationen an Howard Hawks`"Red River" oder Raoul Walshs "The Tall Men" wecken soll. Doch die Neuseeländerin belässt es bei ihrem ersten Kinofilm seit "Bright Star" (2009) nicht bei dieser Kontrastierung, sondern hinterfragt auch dieses Bild des harten und rauen Mannes.


Beim Viehtreck lernt George in einem Western-Städtchen, in dem Holzbauten von der sich langsam ausbreitenden Zivilisation künden, nämlich die Witwe Rose (Kirsten Dunst) und ihren Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee) kennen. Während sich Phil und seine Männer über den femininen jungen Mann und seine Liebe für Papierblumen lustig machen, verliebt sich George in die einsame Frau. Bald kehrt er so in dieses Städtchen zurück, heiratet Rose und zieht mit ihr und Peter auf die Ranch.


Abweisend und aggressiv reagiert Phil zunächst auf Rose und Peter, führt regelrecht einen Psychokrieg gegen sie, doch als Peter hinter ein Geheimnis Phils kommt, ändert dieser seine Strategie und beginnt sich wie ein Vater um ihn zu kümmern, aus dem er nun einen "echten" Mann machen will.


Nicht übersehbar sind dabei die Parallelen zu Campions Welterfolg "Das Piano". Denn wiederum gibt es eine Frau, die in eine abgeschiedene Region übersiedelt, wieder stehen sich zwei gegensätzliche Männer einander gegenüber und wieder spielt ein Klavier eine nicht unbedeutende Rolle.


An die Stelle der wilden Landschaft Neuseelands treten hier aber die sandfarbenen Weiten Montanas. Meisterhaft fängt die australische Kamerafrau Ari Wegner diese Prärie ein und isoliert die Farm und die Menschen immer wieder im schier endlosen Raum. Entscheidend trägt zur durchgängigen Spannung aber auch die ebenso variantenreiche wie ungewöhnliche Musik von Johnny Greenwood bei. Mal wird dadurch eine bedrohliche Stimmung aufgebaut, dann werden wieder elegische Momente verstärkt.


Viel Zeit lässt sich Campion für die Entwicklung der Handlung, erzählt langsam, aber mit großer Präzision und Konsequenz. Sukzessive zeichnet sie so vielschichtigere Figuren, deckt verborgene Schichten Schritt für Schritt auf. Bauen kann die 67-jährige Regisseurin dabei auf herausragende Schauspieler*innen.


Intensiv spielt Benedict Cumberbatch den rauen Phil, hinter dessen Betonung der Körperlichkeit und Lust am Nacktbad im Fluss bald auch eine andere Seite sichtbar wird. Eindrücklich vermittelt Kirsten Dunst auch, wie die Psychospiele Phils und die Einsamkeit auf der Ranch ihre Rose langsam zerbrechen lassen. Gleichzeitig lässt Campion dabei mit den beiden Figuren auch Materialismus und Besitzdenken und Menschlichkeit aufeinandertreffen, wenn der homophobe Phil Indianern keine Häute geben will, obwohl diese nur verbrannt werden, während Rose die Häute verschenkt.


Hinter Jesse Plemons kultiviertem George wird dagegen zunehmend auch Schwäche sichtbar, wenn er gegen den Terror seines Bruders nicht einschreitet oder ihn vielleicht auch gar nicht bemerkt. Schlechte Karten haben in Campions Film die Männer, üben aber die Macht auf und sind für das Leid der Frauen verantwortlich.


Doch dann gibt es da mit Roses Sohn Peter noch eine Männerfigur, wie man sie in einem Western wohl noch nie gesehen hat. Als "Schwuchtel" wird dieser von Kodi Smit-McPhee mit viel Gespür gespielte junge Mann in dieser homophoben Gesellschaft beschimpft und verlacht, doch langsam macht er eine Wandlung durch. Erscheint er zunächst als Schwächling, so erweist er sich im Kern als Phil überlegen, da er zu seiner Identität steht, während Phil sie ständig verdrängt und versteckt.


Still und heimlich entwickelt sich Peter so zum starken Antagonisten Phils, der schließlich auch zum im Hintergrund und von allen unbemerkt entschlossen Handelnden wird. Mit ihm wird sich am Schluss auch der Titel erklären, der sich auf den biblischen Psalm 22 bezieht: "Entreiß mein Leben dem Schwert, aus der Gewalt der Hunde mein einziges Gut!"


Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.


Trailer zu "The Power of the Dog"




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