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  • AutorenbildWalter Gasperi

Mank

Aktualisiert: 22. Nov. 2020


Sechs Jahre nach dem Thrillerdrama "Gone Girl" meldet sich David Fincher mit einer Netflix-Produktion über die Arbeit von Herman J. Mankiewicz am Drehbuch von "Citizen Kane" und das Hollywood der 1930er Jahre zurück. – Ein technisch perfekter und hervorragend besetzter Film, der mit seinen brillanten Schwarzweißbildern ins Hollywood der 1930er Jahre eintauchen lässt, aber auch starke Bezüge zur Gegenwart besitzt.


1940 hat sich Herman J. Mankiewicz (Gary Oldman), der nach einem Autounfall gehbehindert ist, mit seiner britischen Sekretärin Rita (Lily Collins) und seiner deutschen Pflegerin Freda (Monika Gossmann) auf eine Ranch in der Mojave-Wüste zurückgezogen. Hier soll er in 60 Tagen das Drehbuch für Orson Welles´ legendäres Debüt "Citizen Kane" schreiben.


Rückgrat des Films, zu dem David Finchers 2003 verstorbener Vater Jack das Drehbuch schrieb, ist dieser Schauplatz, von ihm aus blendet David Fincher immer wieder ins Hollywood der frühen 1930er Jahre zurück, in dem sich die Studios bekämpfen und auch politisch die Wellen hochgehen.


Passend zum Protagonisten leitet Fincher die Rückblenden wie bei einem Drehbuch nicht nur mit Angabe zu Ort und Zeit, sondern auch mit dem Vermerk "Rückblende", "innen/außen" und "Tag/Nacht" ein und lässt das Publikum mit brillanten Schwarzweißbildern (Kamera: Erik Messerschmidt), die nachträglich auf alt getrimmt wurden, und einem Soundtrack von Trent Raznor und Atticus Ross sowie dem Sounddesign von Ren Klyce, die sich am Hollywood-Kino der 1930er Jahre orientieren, in diese Zeit eintauchen.


Ein Fest für Cinephile ist dieser Film mit seinem dichten Netz an Zitaten und Verweisen. Unübersehbar wird so die Szene in "Citizen Kane" zitiert, in der dem sterbenden Zeitungsmagnaten Kane seine Schneekugel auf den Boden fällt, wenn Mank ein Fläschchen der Hand entgleitet, während eine Szene, die es in "Citizen Kane" nur als Erzählung gibt, hier visualisiert wird. Gleichzeitig erscheint die Ranch als Vorbild für Kanes Schloss Xanadu.


Wie "Citizen Kane" arbeitet auch "Mank" mit zahlreichen Rückblenden, doch der multiperspektivischen Struktur dieses Klassikers steht hier die Fokussierung auf Mankiewicz und seinen Blick auf Hollywood gegenüber. Großartig spielt Gary Oldman diesen genialen, aber alkohol- und spielsüchtigen Drehbuchautor, der mit seinem Zynismus und seiner liberalen Haltung die Studiobosse zunehmend verärgert.


Nicht nur den Zeitungsmagnaten William Randolph Hearst, der Vorbild für die Figur des Charles Foster Kane war, den Drehbuchautor Ben Hecht oder Mankiewicz´ Bruder Joseph lässt Fincher hier aufmarschieren, sondern auch die legendären Produzenten Irving Thalberg, David O. Selznick und Louis B. Mayer. Spürbar wird die Macht Mayers, wenn die Kamera ihn in einer Szene von unten erfasst und vor dem voranschreitenden Studioboss in langer Fahrt zurückweichen muss. Mayers Bonmot "Wenn ich eine Botschaft übermitteln will, schicke ich ein Telegramm", mit dem er seine Ablehnung gegenüber gesellschaftlich engagierten Filmen ausdrückte, fehlt hier ebenso wenig wie das Begräbnis des 1936 im Alter von nur 37 Jahren verstorbenen Irving Thalberg.


Sichtbar wird in den Rückblenden auch, wie Mankiewicz in sein Drehbuch für "Citizen Kane" seine Erfahrungen mit Hollywood einarbeitete, mit Hearst abrechnete und Kanes Frau eine Entsprechung in der von Hearst protegierten Schauspielerin Marion Davies (Amanda Seyfried) hat. In Nostalgie verfällt "Mank" dabei aber nie, viel zu rasant und geschliffen sind dazu die Dialoge, zu hoch das Erzähltempo, zu nüchtern – oder auch bissig - der Blick auf diese Zeit, die auch durch die detailreiche Ausstattung zum Leben erweckt wird.


Fincher bleibt aber keineswegs in der Evokation dieser Zeit und dieses Milieus stecken, sondern arbeitet auch Parallelen zur Gegenwart ein, wenn Mank über die republikanisch gesinnten Studiobosse spottet und bei den Wahlen für den Gouverneur von Kalifornien den von den Demokraten aufgestellten sozialistisch gesinnten Schriftsteller Upton Sinclair – quasi ein Bernie Sanders der 1930er Jahre - unterstützt.


Fake News werden thematisiert, wenn die Studiobosse die Wahl Sinclairs mit gefälschten Nachrichten verhindern. An die Krise der Kinos in Zeiten von Corona erinnern andererseits wieder die Bestrebungen der Studiobosse die Menschen nach der Großen Depression wieder fürs Kino zu begeistern.


Auch der Nationalsozialismus in Deutschland wird angesprochen. Unterschiedliche Positionen werden hier sichtbar, wenn die einen Hitler noch nicht ernst nehmen, andere aber, die gerade aus Deutschland zurückkehrten, sehr wohl vor den Nazis warnen und von Konzentrationslagern, dem Antisemitismus und der Bücherverbrennung berichten.


Fast schon übervoll ist "Mank" damit und vieles wird nur angetippt, aber nicht vertieft und ein Publikum, das mit dem filmgeschichtlichem Hintergrund nicht vertraut ist, wird wenig mit diesem Period Piece anfangen können. Interessant ist auch, dass Fincher dem Giganten Orson Welles kaum Platz einräumt. Lange ist er nur in wenigen Telefonaten mit Mankiewicz präsent, bis er im Finale seinen Drehbuchautor auf der Ranch besucht und dieser ihm das Zugeständnis in den Credits angeführt zu werden abringen kann, obwohl Mankiewicz im Vertrag zunächst darauf verzichtete.


Die Dreharbeiten an "Citizen Kane" werden dagegen ausgespart und von dieser Begegnung von Mankiewicz und Welles springt Fincher zur Oscarverleihung 1942, bei der beide in Abwesenheit die begehrte Statuette für das beste Originaldrehbuch erhielten. Wie vielfach üblich in solchen historischen Filmen verleiht auch Fincher am Ende mit Archivmaterial, in dem Mankiewicz seinen Oscar präsentiert, seinem Film Nachdruck und beglaubigt ihn, ehe er diese Hommage an diesen genialen Drehbuchautor mit Inserts zu seinem weiteren Leben beendet.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos. - z.B. im Skino in Schaan und ab 1.12. im Kinok in St. Gallen


Trailer zu "Mank"




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