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  • AutorenbildWalter Gasperi

Empire of Light


Sam Mendes verknüpft vor dem Hintergrund der zunehmenden sozialen Spannungen im England der beginnenden Thatcher-Ära eine zarte Liebesgeschichte zweier Außenseiter mit einer Liebeserklärung ans Kino. – Stimmungsvoll von Starkameramann Roger Deakins gefilmt und stark gespielt leidet der nostalgische Film insgesamt an seiner Überfrachtung.


Rückbesinnung auf Kindheit und Jugend ist derzeit bei Filmemacher:innen angesagt. Paul Thomas Anderson beschwor in "Licorice Pizza" (2021) das Kalifornien der frühen 1970er Jahre, James Gray ließ in "Armageddon Time - Zeiten des Umbruchs" (2022) in Queens / New York der frühen 1980er Jahre sein kindliches Alter-Ego seine Leidenschaft für Kunst entdecken und Steven Spielberg verarbeitete in "Die Fabelmans" (2022) seine Kindheit und Jugend von den 1950er bis zu den späten 1960er Jahren und die Reifung seines Entschlusses Filmregisseur zu werden.


Ist in diesen Filmen jeweils ein Alter Ego des Regisseurs der Protagonist, so gibt es in "Empire of Light" keinen Vertreter für den Regisseur Sam Mendes. Abgesehen von den Bond-Filmen "Skyfall" (2012) und "Spectre" (2015), die man wohl eher als globale Produktionen ansehen muss, drehte Mendes mit diesem persönlichen Film auch erstmals in seiner britischen Heimat. Bislang waren nämlich von seinem fulminanten Debüt "American Beauty" (1999) über den während der Weltwirtschaftskrise der 1930er spielenden Gangsterfilm "Road to Perdition" (2002), den im (ersten) Golfkrieg spielenden "Jarhead – Willkommen im Dreck" (2005) und das in den 1950er Jahren spielende Ehedrama "Zeiten des Aufruhrs – Revolutionary Road (2008) immer die USA sein Thema. Erst mit dem Ersten Weltkriegs-Film "1917" (2010), der mit virtuoser Inszenierung zu überwältigen versuchte, wandte sich der 57-Jährige Europa zu.


Die persönliche Färbung ergibt sich in "Empire of Light" durch die Figur der von Olivia Colman gespielten Kinoangestellten Hilary, die von Mendes´ Mutter inspiriert ist. Wie letztere leidet auch Hilary an einer bipolaren Störung, kommt ohne Tabletten kaum über die Runden und fühlt sich abgestumpft.


Der unsympathische Kinobetreiber Mr. Ellis (Colin Firth) sieht sich als Wohltäter, weil er der labilen Frau, die auf dem regulären Arbeitsmarkt seiner Meinung nach keine Chance hat, einen Job gegeben hat. Dafür holt er sie immer wieder in sein Büro, wo sie ihm sexuelle Wünsche erfüllen muss. Widerspruchslos nimmt Hilary dies lange hin, doch dann wird der junge, aus Trinidad stammende Schwarze Stephen (Michael Ward) eingestellt.


Wie Hilary aufgrund ihrer psychischen Krankheit eine Außenseiterin ist, so ist es Stephen aufgrund seiner dunklen Hautfarbe. Mehrfach bekommt er auf den Straßen und auch von einem Kinobesucher den Rassismus der Weißen zu spüren, bis Skinheads bei einer Demonstration sogar das Kino stürmen.


Spürbar werden in diesen Konflikten die sich zuspitzenden Spannungen unter Premierministerin Margaret Thatcher (1979 - 1990), doch dieser ernste Hintergrund wird durch den nostalgischen Blick auf das Kino und die zarte Liebe zwischen Hilary und Stephen übertüncht. Trotz des beträchtlichen Altersunterschieds - sie ist an die 50, er etwa 25 - kommen sie sich als Ausgegrenzte näher, sind sich gegenseitig Stütze, doch auch Konflikte bleiben nicht aus.


Eingebettet ist diese Liebesgeschichte wiederum in eine Liebeserklärung an das klassische Kino. Schon in die Jahre gekommen ist zwar das in einer Kleinstadt an der englischen Südküste gelegene Empire Cinema, doch mit seinem roten Samtbezug, seinem breiten Treppenaufgang und seinem großen Saal strahlt es immer noch Grandezza aus. Auch wenn zwei der ursprünglich vier Säle inzwischen leer stehen und als Taubenschlag dienen, ist das doch noch ein echter Kinopalast, der nichts gemein hat mit heutigen Multiplexxen.


Gleichzeitig beschwört Mendes auch die Magie des analogen Kinos, wenn er in den Vorführraum entführt, die mächtigen Projektoren ins Bild rückt, Filmrollen geschleppt werden müssen und der Filmvorführer (Toby Jones) Stephen in seine Arbeit einführt. Auch mit zahlreichen Stills aus Filmen wird hier die Filmgeschichte beschworen, während das aktuelle Filmprogramm "Empire of Light" Anfang der 1980er Jahre verankert.


Denn da läuft Bob Fosses "All that Jazz" und "Blues Brothers", später wird eine große Premiere von Hugh Hudsons Oscar-Erfolg "Chariots of Fire – Die Stunde des Siegers" vorbereitet, zu der nicht nur der Bürgermeister, sondern auch Dusty Springfield und vielleicht sogar Paul McCartney kommen sollen. Gegen Ende wechselt dabei auch Hilary für einmal die Position von der Angestellten zur Besucherin. Wenn der Lichtstrahl des Projektors die Bilder auf die Leinwand zaubert, sie sich allein im großen Saal Hal Ashbys Satire "Being There – Willkommen Mr. Chance" (1981) ansieht und sich vom Filmerlebnis berühren lässt, dann wird die Kraft des Kinoerlebnisses spürbar.


So sanft und zart Mendes von der Liebe von Hilary und Stephen erzählt, so nostalgisch ist sein Blick auf diese vergangene Kino-Zeit, die auch durch den stimmungsvollen Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross beschworen wird. Wie der Filmvorführer von der zentralen Bedeutung des Lichts für den Film spricht, so lässt Kameramann Roger Deakins diese in seinen in warme Farben und Licht getauchten Bildern spüren. Auf artistische Kamerabewegungen wie in "1917" verzichtet er hier, arbeitet funktional und macht mit seiner Bildgestaltung dieses Kino zu einem Hauptdarsteller, der Olivia Colman und Michael Ward fast in den Schatten stellt.


Zwar harmoniert das Duo bestens und macht eindrücklich die schwierige Situation ihrer Figuren spürbar, doch zu viel packt Mendes letztlich in seinen Film, wenn neben psychischer Krankheit, Rassismus und Hommage ans Kino auch noch die Verwerfungen der Thatcher-Ära und das Aufblühen der rechtsradikalen Skinheads angeschnitten werden. Zu wenig fokussiert wirkt "Empire of Light" in dieser Fülle und nicht zusammenpassen will auch der nostalgische Blick aufs Kino mit den harten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Bei allen Schönheiten wirkt Mendes´ neunter Film so auch zerrissen und lässt etwas zwiespältig zurück.


Empire of Light Großbritannien / USA 2022 Regie: Sam Mendes mit: Olivia Colman, Micheal Ward, Tom Brooke, Toby Jones, Colin Firth, Crystal Clarke Länge: 116 min.



Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Skino Schaan und im Kino Scala in St. Gallen TaSKino Feldkirch im Kino GUK: 19. bis 22.5.

Trailer zu "Empire of Light"


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