Die Britin Rose Glass erzählt in ihrem düsteren Film noir vor dem Hintergrund der brutalen Männerwelt einer Kleinstadt in New Mexico von lesbischer Liebe. – Ein bildstarker, schmutziger kleiner Thriller, der genau das bietet, was der Titel verspricht.
Sternenübersät ist der Nachthimmel über einer Kleinstadt im wüstenhaften New Mexico. Ruhe und Schönheit strahlt diese Einstellung aus, doch dies ändert sich schon, wenn die Kamera von Ben Fordesman zu treibender Elektro-Musik zur Erde schwenkt und ein schäbiges Fitnesscenter ins Bild kommt.
Mit einer jungen Frau betritt die Kamera diese Räume, an denen überall Plakate auf die Eigenverantwortlichkeit der Bodybuilder hinweisen, und rückt die muskulösen Körper ins Bild. Wie heruntergekommen und trist das Milieu ist, macht die Britin Rose Glass, die nach ihrem gefeierten Debüt "Saint Maud" mit "Love Lies Bleeding" ihren zweiten Spielfilm vorlegt, deutlich, wenn in der nächsten Einstellung Lou (Kristen Stewart) als Managerin des Clubs mit ihrer Hand tief in die verstopfte Klomuschel greifen muss, um sie zu reinigen.
Als die Bodybuilderin Jackie (Katy O´Brian) auf dem Weg von Oklahoma zu einem Wettbewerb in Las Vegas in dem Kaff durchkommt, funkt es sofort zwischen den beiden Frauen. Explizite lesbische Sexszenen bleiben so nicht aus.
Um Geld zu verdienen, nimmt Jackie aber auch einen Job als Bedienung in einem Schießstand an, dessen Eigentümer Lous Vater (Ed Harris). Dieser lebt aber vor allem von illegalem Waffenschmuggel nach Mexiko. Eine prächtige Villa kann er sich so leisten und ein korrupter Polizist sorgt dafür, dass seine Aktivitäten nicht gestört werden. Doch das FBI ermittelt inzwischen gegen ihn.
Glass hat die Handlung des vom US-Unternehmen A24 in Kooperation mit dem britischen Film4 produzierten Thrillers 1989 situiert. Im Fernsehen informieren einmal Nachrichten vom Fall der Berliner Mauer, doch in dieser Kleinstadt sind die gesellschaftlichen Positionen fest zementiert. Regelmäßig wird so Lous Schwester von ihrem Mann verprügelt, doch die Polizei schreitet nicht ein. Frauenpower ist nötig, um endlich die männliche Vorherrschaft zu brechen und auch mit Lous kriminellem Vater kommt es so schließlich zur Konfrontation.
Als geradlinigen Thriller hat Glass diese Geschichte, die sie zusammen mit Weronika Tofilska schrieb, angelegt. Expressiv ist die Regie. Mit nahen Aufnahmen und schnellen Schnitten und der die Bilder aufputschenden Musik von Clint Mansell wird man unmittelbar ins Geschehen hineingezogen. Dazu kommen die satten Farben, aber auch mal grüne und mal rote Neonleuchtreklamen, die nicht nur Akzente setzen, sondern auch eine sinistre Stimmung aufbauen.
Vom Liebesfilm wandelt sich der zu großen Teilen bei Nacht spielende Film so mit Fortdauer zu einem Rachethriller, in dem Glass ebenso explizit die Gewalt zeigt wie zuvor den Sex. Ganz gezielt kein Hochglanzkino will dies sein, sondern ein Thriller, der fast in jedem Moment das Bild einer düsteren und schmutzigen Welt beschwört.
Auch die Beziehung zwischen Jackie und Lou, die ebenso an Ridley Scotts "Thelma und Louise" erinnert wie Fahrten auf den nächtlichen Landstraßen an Filme David Lynchs, ist keine süße Romanze, sondern die Leidenschaft wird immer wieder von heftigen Auseinandersetzungen durchbrochen. Programm ist so der Titel "Love Lies Bleeding" und vor allem letzteres gewinnt mit Fortdauer der Handlung an Gewicht.
Den klassischen Thriller stellt Glass dabei nicht nur mit der entschieden weiblichen Perspektive und der Abrechnung der Männerherrschaft auf den Kopf, sondern auch, indem sie in den schmutzigen Realismus mehrfach surreale Momente einbaut. Da mischen sich in einer Brechszene der mit Steroiden vollgepumpten Jackie nicht nur Realität und Traum, sondern die Regisseurin lässt auch in Detailaufnahmen Muskeln, Haut und Adern dieser Bodybuilderin sich spannen, hervortreten und knacken und sie am Ende im wahrsten Sinne des Wortes über sich hinauswachsen.
Ganz vermag die Britin den Drive und die Kraft, die sie in der ersten Hälfte entwickelt, allerdings nicht durchzuhalten. Zu sehr in ausgetretenen Bahnen bewegt sich im Kern doch die Handlung und zu wenig Profil gewinnt der von Ed Harris gespielte Vater. Aber ein visuell aufregender und von Kristen Stewart und der einstigen Polizistin und Profi-Kampfsportlerin Katy O´Brian kraftvoll gespielter, heftiger Genrefilm ist Glass hier allemal gelungen.
Love Lies Bleeding Großbritannien / USA 2024 Regie: Rose Glass mit: Kristen Stewart, Katy O’Brian, Ed Harris, Dave Franco, Anna Baryshnikov, Jena Malone, Eldon Jones, Catherine Haun, Orion Carrington, Matthew Blood-Smyth Länge: 104 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und Skino Schaan. - Kinostart in Deutschland: 18. Juli
Trailer zu "Love Lies Bleeding"
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