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  • AutorenbildWalter Gasperi

74. Berlinale: Historienfilme über verzweifelnde und sich befreiende Frauen

Aktualisiert: 25. Feb.

Veronika Franz und Severin Fiala zeichnen in "Des Teufels Bad" atmosphärisch dicht ein beklemmendes Frauenschicksal im Oberösterreich des 18. Jahrhunderts nach. Margherita Vicario erzählt dagegen in "Gloria!" von weiblicher Selbstbehauptung mittels Musik im Venedig des frühen 19. Jahrhunderts.


Während Veronika Franz und Severin Fiala historische Gerichtsakten und die jahrzehntelangen Recherchen der Historikerin Kathy Stuart als Grundlage für ihr Historiendrama "Des Teufels Bad" dienten, dürften die Singer-Songwriterin Margherita Vicario und ihre Co-Drehbuchautorin Anita Rivarolli die Geschichte von "Gloria!" doch weitgehend frei erfunden haben.


Markant ist aber jedenfalls die zeitliche Situierung. Denn während "Des Teufels Bad" mit 1750 noch in der Zeit des Absolutismus spielt, weht in "Gloria!" 50 Jahre später schon der Aufbruch der Französischen Revolution durch den Film.


Nicht übersehen darf man freilich, dass die Filme in einem ganz unterschiedlichen Milieu spielen. Denn während Franz / Fiala in die archaisch-bäuerliche Welt des Alpenraums entführen, lässt Vicario ihr Spielfilmdebüt in einer Musikschule für elternlose Mädchen bei Venedig spielen, in dem der frisch inthronisierte Papst Pius VII. seinen Besuch ankündigt.


Der kargen und kalten Welt, die in "Des Teufels Bad" Kameramann Martin Gschlacht mit dunklen Farben und ärmlichen Behausungen atmosphärisch dicht beschwört, steht das Mädchenpensionat gegenüber, in dem zwar der Priester, der gleichzeitig das Orchester leitet, den Ton angibt, aber nie wirklich beklemmende Stimmung aufkommt.


Glück gibt es in "Des Teufels Bad" nach einem Kindsmord und einer Hinrichtung im Prolog nur noch bei der anschließenden Hochzeit zwischen dem Bauern Wolf und der jungen Agnes. Große Hoffnungen macht sich die Braut auf ein schönes Leben, doch schon in der Hochzeitsnacht wendet sich ihr Mann im Bett von ihr ab. Ihr sehnlicher Kinderwunsch bleibt unerfüllt.


Zudem steht ihrem Feingefühl, ihrer Zärtlichkeit gegenüber den Ziegen, ihrer Freude an Naturgeräuschen der reine Blick auf die Arbeit bei ihrem Mann und ihrer Schwiegermutter, die sich sukzessive mehr in die Ehe einmischt, gegenüber.


Zunehmend isoliert fühlt sich Agnes, driftet in eine Depression, die in dieser Zeit als "Des Teufels Bad" bezeichnet wird. Wie schrecklich aber Selbstmord geahndet wird, sieht die tiefreligiöse Frau am Schicksal eines Nachbarn. Der Priester weigert sich nämlich, diesen zu begraben, und spricht von ewiger Verdammnis, da der Selbstmörder im Gegensatz zu einem Mörder seine Tat nicht mehr beichten konnte.


So ist der Weg der von Anja Plaschg intensiv gespielten Agnes, der auch ein Bader mit seinen brutalen Heilmethoden nicht helfen kann, ziemlich genau vorgezeichnet, bis der Film in ein Ende mündet, das verstört, weil das zutiefst Tragische von der Protagonistin und ihrer Umwelt als Erlösung erfahren wird.


Mit beeindruckender Konsequenz und Geschlossenheit erzählen Fiala / Franz diese Geschichte, lassen sich Zeit für die Schilderung dieser beklemmenden und freudlosen bäuerlichen Welt, in der kaum – und schon gar nicht über Gefühle – geredet wird. Nicht Folk-Horror wird hier bemüht, sondern auf historische Genauigkeit und Realismus setzt das Regie-Duo, das mit diesem Film auch daran erinnern will, dass – wie ein Nachspanninsert informiert – in der frühen Neuzeit rund 400 Frauen durch "mittelbaren Selbstmord" ums Leben kamen. – Einzig die Relevanz für die Gegenwart vermisst man bei diesem ebenso packenden wie düsteren Kinostück.


Auch bei "Gloria!" steht am Ende ein Insert. Hingewiesen wird darin, dass der Film den hochbegabten Komponist:innen und Musiker:innen des frühen 19. Jahrhunderts, die in der Männerwelt totgeschwiegen wurden, ein Denkmal setzen will. Im Gegensatz zu Franz / Fiala schert sich Vicario aber nicht um historische Genauigkeit, sondern fabuliert ein Musical-Drama zusammen, in dem die Fronten mit talentierten jungen Frauen auf der einen Seite und dem reaktionären Priester auf der anderen Seite klar gezogen sind.


Reine Fiktion ist dabei wohl auch, dass diese Frauen schon um 1800 schmissige Popmusik als Gegenpol zur faden Kirchenmusik komponierten. – Große Filmkunst ist das sicher nicht, aber ein Feelgood-Movie, das mit seiner sympathischen Protagonistin, weiblicher Selbstermächtigung gegen die männlich dominierte kirchliche Autorität und ausgiebig eingesetzter Musik durchaus sein Publikum finden könnte.



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