Matt Reeves inszeniert den Auftakt seiner geplanten "Batman"-Trilogie als düsteren, atmosphärisch dichten Film noir, in dem der Titelheld einen Serienkiller jagt, der die korrupte Führungsriege von Gotham City dezimiert: Statt bombastischer Action, bestechendes Storytelling, das mit starken Figuren auch über drei Stunden fesselnde, bildgewaltige Unterhaltung bietet.
Nichts mit der Ironie und Leichtigkeit der Spider-Man-Filme wie zuletzt "Spider-Man: No Way Home" hat Batman gemein. Während der eine spielerisch an seinen Spinnenfäden durch New York fliegt und jugendlich unbeschwert agiert, ist Batman eine dunkle, gebrochene Figur, ein düsterer Rächer. Das passt zur nachtaktiven Fledermaus und nachts spielt auch großteils Matt Reeves Auftakt seiner geplanten "Batman"-Trilogie.
An Halloween setzt "The Batman" ein und wird rund eine Woche später enden. Die Verkleidungen nützt hier mancher, um Verbrechen zu begehen, doch hie und da kann Batman / Bruce Wayne (Robert Pattinson) einschreiten.
Nicht verhindern kann er aber dem Mord am Bürgermeister von Gotham City. Zu Schuberts "Ave Maria" blickt der Film über ein Fernglas in dessen Wohnung. Schweren Atem hört man, doch den Voyeur, dem sich in der beobachteten Wohnung ein heiles Familienbild präsentiert, in dem der etwa achtjährige Sohn im Ninjakostüm im Spiel seinen Vater mit einem Schwert ersticht, sieht man nicht.
Wenig später ist der Junge ein Waise, der Vater brutal ermordet. Der Täter, der sich "The Riddler" ("Der Rätselsteller") nennt lässt Botschaften und Rätsel zurück, die immer auch eine Nachricht direkt an Batman enthalten. Als korrupt stellt er den getöteten Bürgermeister dar, und wird mit weiteren Morden, die Polizei ebenso betreffen wie Staatsanwaltschaft, und Videobotschaften ein weites Netz an Korruption und Bestechung der Öffentlichkeit sichtbar machen.
Wie dicht gewoben "The Batman" ist, zeigt sich aber auch an der Figur des verwaisten Sohnes des Bürgermeisters: Nie wird er im Grunde zwar eine Rolle spielen, aber einerseits erkennt sich Bruce Wayne / Batman, der ebenfalls als Junge seine Eltern durch einen Mord verloren hat, in ihm wieder, andererseits gibt es in dieser Familienkonstellation auch eine Beziehung zum Mörder.
Dieser wiederum selbst sieht sich als Spiegelbild Batmans, denn wie der Protagonist glaubt er Vergeltung üben zu müssen für die Heuchelei der Oberschicht und gebrochene Versprechen der Politik. In ihm artikuliert sich der Aufstand der Gedemütigten und in seinem Handeln wird sich auch zeigen, wie er mittels Social Media Anhänger finden kann, die ihn unterstützen.
Das ist die klare und aktuelle politische Ebene in diesem Film, der wenig mit Comic, aber viel mit dem Film noir zu tun hat. Grandios evoziert Matt Reeves, der schon mit "Planet der Affen: Revolution" (2014) und "Planet der Affen: Survival" (2017) auch inhaltlich starkes Blockbuster-Kino lieferte, die Atmosphäre des innerlich verdorbenen Gotham City. Leicht erkennbar ist in dieser fiktiven Großstadt das Vorbild New York.
Wie im Film noir der 1940er Jahre herrscht hier fast ständig Nacht, immer wieder regnet es heftig, kaum einmal scheint die Sonne. Von Ridley Scotts "Blade Runner" scheinen teils die Straßenszenen inspiriert mit den zahlreichen, in der Nacht hell leuchtenden Reklamewänden. Bei der Serienmördergeschichte stand dagegen unübersehbar David Finchers "Se7en" Pate.
Wie dort zeigt auch hier der Killer Einfallsreichtum bei den Morden und spielt mit der Polizei und Batman. Aber er öffnet dem Protagonisten auch den Blick auf einen schwarzen Fleck in seiner eigenen, scheinbar so sauberen Familiengeschichte. Immer tiefer dringt Batman so als Detektiv, der sich mit seinem einleitenden melancholisch-pessimistischen Voice-over in die Tradition von klassischen Film noir-Detektiven wie Sam Spade oder Philipp Marlowe stellt, nicht nur in den moralischen Sumpf von Gotham City, sondern auch in seine Familiengeschichte ein.
Überraschende Unterstützung erhält er dabei von der jungen Selina (Zoë Kravitz), die sich als äußerst flinke und Martial-Arts erfahrene Catwoman entpuppt. Graziler Gegenpol ist sie zum schwer, geradezu gepanzert auftretenden Batman. Gleichwohl entwickelt sich zwischen den beiden so etwas wie eine zarte Liebesgeschichte, die in scharfem Kontrast zur düsteren Handlung steht.
Mit der Jagd nach einem Mörder wird im Grunde eine klassische, kleine Krimigeschichte erzählt, dennoch hält Reeves mit seiner konsequent ernsten und stringenten Inszenierung die Spannung mühelos über 175 Minuten aufrecht. Setzt der Film mit harten, sehr körperlichen Kampfszenen ein, so treten bald die Figuren ins Zentrum, die Action dagegen in den Hintergrund.
Aus diesen starken und schillernden Figuren entwickelt dieser Thriller einen großen Teil seiner Spannung. Da gibt es den großen Kontrast zwischen dem emotionslos roboterhaft auftretenden Batman und seiner unsicheren Erscheinung im Privatleben als langhaariger Bruce Wayne, schillernde Gangster wie den von Colin Farrell gespielten Pinguin und John Turturro als Falcone oder Jeffrey Wright als Batmans Freund bei der Polizei und Andy Serkin, der als Bruce Waynes Diener Alfred in die Fußstapfen von Michael Caine in Christopher Nolans "Dark Knight"-Trilogie schlüpft.
Aber natürlich fehlen auch eine spektakuläre Verfolgungsjagd, bei der das Publikum direkt in die beiden Wagen versetzt wird, ebenso wenig wie ein Technoclub, in den die Kamera mit fulminanter Fahrt eintaucht. Variantenreichtum beweist Reeves auch, wenn er ein Feuergefecht nach einem Stromausfall in völliger Dunkelheit stattfinden lässt, sodass nur immer wieder kurz das Mündungsfeuer aufblitzt.
Superheldenmomente gibt es dagegen kaum. Und wenn sich Batman einmal in seinem Wingsuit von einem Wolkenkratzer stürzt, dann muss man damit rechnen, dass die Landung so hart ausfällt, dass auch das Publikum fast physisch spürt, wie sehr dieser Aufprall schmerzt. Eine spektakuläre Massenszene gibt es erst im Finale, doch auch diese wird nicht allzu breit ausgespielt.
Sukzessive zurrt Reeves auch Batman und den Killer, von dem man bis kurz vor Ende nur seine – ihn mit Batman verbindende - Gesichtsmaske sieht, mehr zusammen. Wenn es zur direkten Konfrontation der beiden kommt, wird dies bei Batman auch ein Umdenken auslösen, denn er erkennt im Gegenüber sich selbst. So erzählt dieser unglaublich dicht inszenierte Thriller auch eine Entwicklungsgeschichte, mit der nach 170 ebenso düsteren wie grandiosen Kinominuten doch noch ein hoffnungsvoller Schlussakzent gesetzt wird und der Batman lange antreibenden Vergeltung eine Absage erteilt wird. – Gespannt darf man sein, wie Reeves nach diesem fulminanten Auftakt die Trilogie im nächsten Film weiter entwickeln wird.
The Batman USA 2022 Regie: Matt Reeves mit: Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Paul Dano, Jeffrey Wright, John Turturro, Colin Farrell, Peter Sarsgaard Länge: 177 min.
Läuft derzeit in den Kinos
Trailer zu "The Batman"
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