Filmbuch: Quentin Tarantino – Die Graphic Novel Biographie
- Walter Gasperi

- 4. Okt.
- 4 Min. Lesezeit

Der französische Comic-Zeichner Amazing Ameziane lässt in seiner Graphic Novel Quentin Tarantino selbst über sein Leben und Schaffen erzählen: Ein Buch, das nicht nur vielfältige Hintergrundinformationen bietet, sondern mit seinem abwechslungsreichen Zeichenstil, der gut zu den Filmen Tarantinos passt, auch bestens unterhält.
Biographische Graphic Novels auch über Filmregisseur:innen erfreuen sich in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit. Werke über Charlie Chaplin, Alfred Hitchcock und Fritz Lang sind so ebenso erschienen wie über Stan Laurel und Oliver Hardy oder die Filmpionierin Alice Guy.
Der Anfang der 1970er Jahre geborene Amazing Ameziane wuchs mit den Comics von Frank Miller und Bill Sienkiewicz sowie den Filmen von Bruce Lee und Sergio Leone auf. So spürt man auch in dieser Graphic Novel, die er dem legendären Sam Fuller gewidmet hat, die Leidenschaft des Franzosen für die Popkultur.
Nicht ein Comic-Stil zieht sich durch das Buch, sondern wie Quentin Tarantinos Filme auch immer wieder ein Patchwork aus unterschiedlichen Stilen sind, so wechselt auch Ameziane fließend den Zeichenstil. Erzählt er von der Kindheit und Jugend des Regiestars im Stil von alten schwarzweißen Comic-Strips aus Zeitungen, kommt später die Farbe hinzu und eine Hommage an Bruce Lee ist schließlich auch als dreiseitiger bildloser Artikel gehalten.
Chronologisch spannt der Autor den Bogen von der Kindheit Tarantinos über seine filmische Sozialisation und den Job in einer Videothek bis zu seinen neun großen Filmen. Den Abschluss bildet ein Kapitel über Zukunftspläne, bei denen Tarantino über seinen abschließenden zehnten Film, mögliche Fortsetzungen von "Kill Bill" und die Adaption seiner Filme fürs Theater sinniert. Mit einem Fragezeichen ist dieses Kapitel "The End" versehen, ist die Zukunft doch noch offen.
Dass Ameziane das Buch als Interview angelegt hat, passt zum großen Selbstbewusstsein oder auch der Arroganz Tarantinos, der die Erzählung so dominieren kann. Erst am Ende wird der Interviewer sichtbar, davor unterbrechen nur wenige, farblich durch eine grüne Sprechblase abgehobene Einwürfe den Erzählfluss des Porträtierten.
Seine Filmleidenschaft durchzieht die Graphic Novel, wenn er über die prägende Wirkung von Sam Peckinpahs "The Wild Bunch" (1969) und John Boormans "Deliverance" ("Beim Sterben ist jeder der erste", 1971), die er als etwa Siebenjähriger sah, oder Sam Fullers "The Big Red One" (1980) spricht und von den Exploitation- und Blaxploitation-Movies schwärmt, die ihm als Vorbilder für seine Filme dienten.
Über seine schwierigen Anfänge mit dem Brand seines ersten Spielfilms "My Best Friend´s Birthday" (1987), von dem nur 30 Minuten erhalten sind, und die langwierigen Bemühungen um die Verfilmung seines Drehbuchs "True Romance" (1993), bei dem schließlich Tony Scott Regie führte, erzählt Tarantino ebenso wie über den Durchbruch mit "Reservoir Dogs" (1992), für den er eine Starbesetzung gewinnen konnte.
Immer wieder geht es ausführlich um die Wahl der Schauspieler:innen wie John Travolta für "Pulp Fiction" (1994), die Blaxploitation-Ikone Pam Grier für "Jackie Brown" (1997) oder Christoph Waltz für "Inglourious Basterds" (2009). Aber auch langjährige Mitarbeiter:innen wie der Special-Effects-Experte Robert Kurtzman und seine KNB EFX Group oder seine 2010 verstorbene langjährige Editorin Sally Menke werden gewürdigt. Ausgiebig widmet er sich auch der Freundschaft mit Robert Rodriguez, mit dem ihn die Leidenschaft fürs Trashige verbindet und mit dem er auch das Double Feature "Death Proof" (2007) und "Planet Terror" (2007) drehte.
Die Handlung der Filme selbst wird bestenfalls angerissen, aber nie nachgezeichnet, denn Tarantino will ja nicht spoilern, sondern weckt gerade durch diese Offenheit die Lust auf eine neue Entdeckung der einzelnen Filme.
Dafür bietet er immer wieder eine Fülle von Hintergrundinformationen. Der Bogen spannt sich hier von seiner Faszination für Füße über den Schock über den Autounfall von Uma Thurman während der Dreharbeiten zu "Kill Bill 2" (2004) bis zu seiner Position zu der auch von Spike Lee geäußerten Kritik an der häufigen Verwendung des N-Worts in "Django Unchained" (2012) oder der Kritik an der Gewalt in seinen Filmen.
Immer wieder gleitet Tarantino dabei auch in Exkurse ab, erzählt beispielsweise ausführlich über das Leben und die Karriere Kurt Russells und Danny Trejos, der nach Haftstrafen zu einem erfolgreichen Schauspieler aufstieg, oder lässt Enzo Castellari über seine Probleme bei den Dreharbeiten von "Inglorious Bastards" erzählen.
Sein immenses filmgeschichtliches Wissen demonstriert er nicht nur mit den vielfältigen Verweisen auf seine Vorbilder, sondern auch, wenn er auf den Vorwurf aus anderen Filmen zu klauen durch Gegenüberstellung von Szenen aufzeigt, wie Spielberg bei "Raiders of the Lost Ark" (1981) und Kubrick bei "Shining" (1980) aus anderen Filmen zitierten.
Mit seiner Beteiligung an "Black Lives Matter"-Demonstrationen wird aber auch seine antirassistische Haltung herausgestrichen, doch auch ein Abschnitt zu Harvey Weinstein und # Me Too darf angesichts der Tatsache, dass Weinsteins Produktionsfirma Miramax alle Filme von Tarantino von "Reservoir Dogs" bis "Inglourious Basterds" produzierte, nicht fehlen.
Ganz im Sinne von Quentin Tarantinos fünf Hauptregeln der Filmarbeit, dass man das Filmgenre, in dem man arbeitet, kennen, sehr gute Dialoge schreiben und langweilige Stellen herausschneiden müsse, immer Spaß haben und ein Herz besitzen müsse, ist auch Amezianes Darstellung von großer Leidenschaft, aber auch von sorgfältiger Recherchearbeit und Sachkenntnis durchzogen.
Trotz der Fülle an Informationen wird diese Graphic Novel aber nie schwerfällig, sondern bewahrt durch die abwechslungsreiche visuelle Gestaltung große Leichtigkeit und bereitet großes Lesevergnügen.
Amazing Ameziane, Quentin Tarantino. Die Graphic Novel Biographie, Splitter Verlag, Bielefeld 2024, 240 S., € 35, ISBN 978-3-98721-269-7



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