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Nackte Gewalt – The Naked Spur (1953)

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 15. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit
"Nackte Gewalt - The Naked Spur" (1953): Meisterhafter Western von Anthony Mann
"Nackte Gewalt - The Naked Spur" (1953): Meisterhafter Western von Anthony Mann

Ein Kopfgeldjäger fasst mit zwei Helfern einen Mörder, doch dieser versucht auf dem Rückweg das Trio gegeneinander auszuspielen: Bei Plaion Pictures ist Anthony Manns meisterhafter Western als 65. Titel in der Reihe Western-Legenden auf Blu-ray erschienen.


In den 1950er Jahren schuf Anthony Mann (Buchtipp: Ines Bayer, Anthony Mann - Kino der Verwundung) mit James Stewart in der Hauptrolle eine Reihe herausragender Western. "Winchester 73" (1950), "The Far Country" (1954) "The Man from Laramie" (1955), und "Man of the West" (1958), in dem Gary Cooper die Hauptrolle spielt, gehören ebenso zu den großen Meisterwerken des Genres wie "Nackte Gewalt – The Naked Spur" (1953).


Hier wird nicht mehr von der "glorreichen" (?) Eroberung des Westens erzählt, sondern im Mittelpunkt stehen gebrochene und gewalttätige Männer, die von Rache und Gier angetrieben werden. Auch "Nackte Gewalt – The Naked Spur" ist die Gewalt von Anfang an eingeschrieben. Bildschön ist in dem in den Bergen von Colorado in Technicolor gedrehten Film zwar die unberührte Landschaft mit Wald, Wiese, Fluss und schneebedecktem Berg im Hintergrund, doch auf diesen Establishing Shot von Kameramann William C. Mellor folgt sogleich eine Detailaufnahme der – im Englischen – titelgebenden Sporen am Reitstiefel eines Mannes.


Dazu setzt auch gleich eine dissonante, aggressiv-aufgeheizte Musik von Bronislau Kaper ein und auch die nächste Einstellung zeigt nicht einen Menschen, sondern vielmehr eine Pistole an einem Revolvergurt. Diese wird auch sogleich eingesetzt, wenn deren Träger, der erst jetzt ins Bild kommt, einen älteren Mann bedroht.


Misstrauen bestimmt von Anfang an die Atmosphäre und erst nach einem längeren Gespräch kann der erfolglose Goldgräber Jesse Tate (Millard Mitchell) sein Gegenüber zum Einstecken der Waffe bewegen. Bald offenbart dieser Howard Kemp (James Stewart), dass er auf der Jagd nach dem Mörder Ben Vandergroat (Robert Ryan) ist, und er bietet Jesse 20 Dollar für die Hilfe bei der Suche.


Kemp lässt Jesse im Glauben, dass er Sheriff sei, und zeigt ihm nur den halben Steckbrief ohne Hinweis auf die Belohnung von 5000 Dollar. So bestimmt mit dem Goldgräber und der Jagd auf die Belohnung von Anfang an Gier das Handeln der Protagonisten.


Bald schließt sich dem Duo auch ein unehrenhaft aus der Armee entlassener Leutnant (Ralph Meeker) an und gemeinsam können sie den gesuchten Vandergroat und seine Begleiterin Lina (Janet Leigh) auf einem Felsplateau überwältigen. Sogleich beginnt der Verbrecher aber Misstrauen zu säen, das Trio gegeneinander auszuspielen, indem er auf die hohe Belohnung hinweist und andeutet, dass Kemp am Ende wohl doch nicht teilen wolle. Zudem versucht er Lina zu instrumentalisieren, um Kemp zu manipulieren und abzulenken.


Abgesehen von einem Angriff von Native Americans, der durch einen früheren sexuellen Übergriff des Leutnants ausgelöst wird, kommt Anthony Mann mit fünf Protagonist:innen aus. Ganz auf ihren Weg in die rund 1000 Kilometer entfernte Stadt konzentriert sich der Film. Jede Zivilisation ist fern, kein Haus gibt es während des ganzen Films zu sehen, geschweige denn eine Stadt. Zuflucht vor einem heftigen Gewitter findet das Quintett nur einmal in einer Höhle.


So entwickelt sich die Handlung im Spannungsfeld von begeisternd schöner, unberührter Natur, die aber mit einem reißenden Fluss oder einer Felswand auch immer wieder große Herausforderungen an den Menschen stellt, und düsteren menschlichen Begierden. Kaum weniger unsympathisch als Vandergroat ist hier der Leutnant mit seinem Macho-Gehabe gegenüber Frauen und auch der Goldsucher lässt sich schließlich von seiner Gier verführen, während James Stewarts Kemp ein zutiefst zerrissener Charakter ist.


Die Männlichkeit wurde ihm förmlich von seiner einstigen Verlobten entrissen, als sie während seines Diensts im Amerikanischen Bürgerkriegs seine Farm verkaufte und mit einem anderen abhaute. Nun will er diese Schmach tilgen, indem er mittels des Lösegelds sein Land zurückkauft.


Die psychische Wunde, die auch in einem heftigen Fiebertraum sichtbar wird, korrespondiert mit äußeren Verwundungen, die Kemp auf diesem Ritt erleidet. Harmlos ist noch die Verbrennung, die er sich am Beginn beim Abseilen zuzieht, doch bald kommt eine Schussverletzung dazu und schließlich stürzt er auch vom Pferd und einen Abhang hinunter.


Intensiv macht Mann mehr noch als im gequälten Gesichtsausdruck von James Stewart in den Strapazen, die er seinem Protagonisten im Kampf gegen die Natur auferlegt, nicht nur die Entschlossenheit, sondern vor allem die Verbissenheit und verdrängte Verzweiflung dieses Getriebenen spürbar.


Zum großen Showdown kommt es dabei schließlich zwischen wildem Felsplateau und reißendem Fluss. Mit kompromissloser Härte und unerbittlicher Konsequenz inszeniert Mann nicht nur diese Auseinandersetzung, sondern den ganzen Film. Auch wenn dabei am Ende ein Schwenk über eine weite Ebene steht, ist dennoch klar, dass auf Dauer nichts gewonnen ist, sondern die Geschichte im Grunde erst beginnt und das Weiterleben in dieser offenen Landschaft Tag für Tag erkämpft werden muss.


An Sprachversionen bietet die bei Plaion Pictures erschienene Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie englische und deutsche Untertitel. Als Extras gibt es neben dem deutschen und dem englischen Trailer sowie einer Bildergalerie den deutsch untertitelten, komödiantischen Kurzfilm "Things We Can Do Without", der von den Tücken moderner Möbel und Einrichtungsgegenstände erzählt, sowie den kurzen Tex Avery-Animationsfilm "Little Johnny Jet", der anhand eines Propellerflugzeugs und eines kleinen Düsenjets eine Vater-Sohn-Geschichte erzählt. Dazu kommt ein Booklet mit einem sehr informativen Text von Fritz Göttler.



Trailer zu "Nackte Gewalt - The Naked Spur" (1953)


 

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