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AutorenbildWalter Gasperi

Master Gardener


Paul Schrader schließt mit einem langsamen und kühlen, aber intensiven Thriller um einen Gärtner mit dunkler Vergangenheit eine Trilogie ab, die er mit "First Reformed" und "The Card Counter" begonnen hat. Bei Leonine Studios ist die unter der ruhigen Oberfläche brodelnde Charakterstudie auf DVD und Blu-ray erschienen.


Einsame, mit Schuldgefühlen beladene Männer auf der Suche nach Vergebung sind das große und lebenslange Thema des streng calvinistisch erzogenen Paul Schrader. Von seinem Drehbuch zu Martin Scorseses "Taxi Driver" (1976) über seine eigenen Filme wie "Light Sleeper" (1992) bis zu seiner aus "First Reformed" (2017), "The Card Counter" (2021) und "Master Gardener" gebildeten Trilogie spannt sich der Bogen.


Stand in "First Reformed" ein Priester, der an seinem Glauben und der Umweltzerstörung verzweifelt, und in "The Card Counter" ein Kartenspieler, den die Folterungen von Abu Ghraib verfolgen, im Zentrum, so ist es hier der ruhige und unauffällige Gärtner Narvel Roth (Joel Edgerton).


In den auf dem Südstaaten-Anwesen der kühlen Witwe Norma Havervill (Sigourney Weaver) gelegenen Gracewood Gardens hat Narvel einen Ort gefunden, um den er sich mit seinem Team mit viel Liebe kümmert. Auch nach der Arbeit informiert er im Voice-over die Zuschauer:innen über verschiedene Pflanzen und den Gartenbau, in den er sich wie der Protagonist in "The Card Counter" ins Kartenspiel geradezu obsessiv zu vertiefen scheint, um alles andere zu verdrängen. Über eine Stunde lang verlässt so auch der Film nie das Anwesen und den Garten, der quasi ein Schutzraum des Gärtners zu sein scheint.


Wenn er freilich abends in seinem Gartenhäuschen sein Hemd auszieht, wird mit dem von Tattoos übersäten Oberkörper ein anderes, früheres Leben sichtbar: Hakenkreuze, Totenköpfe und Sprüche wie "Meine Ehre heißt Treue" und "White Pride" weisen unübersehbar auf eine Vergangenheit als Neo-Nazi hin. – Offen bleibt, wieso Narvel sich diese Tattoos nie entfernen ließ: Will er durch sie ständig an seine Vergangenheit erinnert werden, sich damit peinigen und Buße tun?


Sehr bruchstückhaft bricht diese Vergangenheit zunächst in kurzen Rückblenden herein, etwas länger werden diese erst, als seine Arbeitgeberin, der er auch zu sexuellen Diensten zur Verfügung steht, ihn beauftragt, sich um ihre drogensüchtige afroamerikanische Großnichte Maya (Quintessa Swindell) zu kümmern und in den Gartenbau einzuschulen.


Langsam entwickelt sich dabei zur Verärgerung von Mrs. Haverhill auch eine persönliche Beziehung zwischen Narvel und Maya, die aber sowohl durch ihre Drogensucht als auch durch seine Vergangenheit immer wieder auf der Kippe steht.


Gezielt spitzt Schrader die Gegensätze zu, wenn er nicht nur den Ex-Neo-Nazi sich in eine Afroamerikanerin verlieben lässt, sondern auch einen Endvierziger in eine 20-Jährige. Die provokative Frage, ob Liebe angesichts dieser Gegensätze und Versöhnung angesichts der früheren Taten des Gärtners möglich ist, wird dabei mit einem überraschend optimistischen Ende, das wohl nicht allen Zuschauer:innen passen dürfte, beantwortet.


Kongenial zum ruhigen Gartenbau passend, entwickelt Schrader die Handlung langsam, vermittelt die Kälte von Mrs Haverhill auch immer wieder mit distanzierten und genau kadrierten, teilweise symmetrischen Einstellungen und isoliert die Figuren durch langsame Kamerarückwärtsfahrten im Raum. Die langsame Erzählweise korrespondiert auch mit der Zurückgezogenheit und Unaufgeregtheit Narvels, der sich mehrfach als unwichtigen Menschen, für den sich niemand interessiert, bezeichnet.


Lange mag hier nicht viel passieren, doch Schrader gelingt es auch mittels der eigenwilligen, die Kälte verstärkenden Musik von Devonté Hynes eine Atmosphäre aufzubauen, bei der man spürt, dass es unter der Oberfläche brodelt und die Situation jederzeit explodieren könnte.


Der Garten und das Gärtnern dienen dem Altmeister dabei auch als Metapher für den Umgang mit Menschen. Dem Ausreißen und Ausrotten des nicht ins Bild Passenden, das Narvel bei den Neo-Nazis eingetrichtert wurde, steht seine jetzige Fürsorge und Pflege gegenüber, mit der er nicht nur die Blumen, sondern auch Maya zum Blühen bringen möchte. Kitschig wird es dabei freilich, wenn der Sex mit Maya mit einer Fahrt durch eine in buntesten Farben leuchtende nächtliche Wald- und Blumenlandschaft illustriert werden soll.


Die Wucht und Durchschlagskraft von "First Reformed" und "The Card Counter" mag "Master Gardener" insgesamt so vielleicht auch aufgrund der doch sehr geruhsamen Gartenbau-Thematik nicht entwickeln, aber meisterhaft inszeniertes und großartig gespieltes Kino ist dies allemal. Wie aus Ethan Hawke in "First Reformed" und Oscar Isaac in "The Card Counter" gelingt es Schrader auch aus Joel Edgerton alles herauszuholen, um das Porträt eines verstörend ambivalenten und gequälten Menschen zu zeichnen, das durchgängig fesselt und über das Filmende hinaus beschäftigt.


Bedauerlich ist freilich, dass dieser Film nie in die Kinos und nur fürs Homekino erscheint. An Sprachversionen bieten die bei Leonine Studios erschienene DVD und Blu-ray die englische Originalfassung und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Die Extras beschränken sich auf den Trailer zum Film sowie Trailer zu weiteren Filmen dieses Labels.


Trailer zu "Master Gardener"



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