Unterhaltsam, aber überflüssig: Ridley Scotts Fortsetzung seines Erfolgsfilms aus dem Jahr 2000 bietet zwar spektakuläre Action, doch die Handlung ist nur grob zusammengeschustertes Patchwork des Originals.
Nach dem Flop von "Cleopatra" im Jahr 1962 war der Monumentalfilm für 38 Jahre quasi tot, bis Ridley Scott mit "Gladiator" (2000) ein doch recht überraschender Welterfolg gelang. Bei einem Budget von 100 Millionen Dollar spielte die Geschichte um den rechtschaffenen römischen Feldherrn Maximus, der nach Ermordung seiner Familie versklavt und zum Gladiator ausgebildet wird, mehr als 450 Millionen Dollar ein und wurde 2001 zudem mit fünf Oscars, darunter auch dem als bester Film ausgezeichnet.
Der Erfolg belebte das Genre des Monumentalfilms und bald folgten Wolfgang Petersens "Troja" (2004) und Oliver Stones "Alexander" (2004) und schon im Juni 2001 gab es auch Gespräche über eine Fortsetzung von "Gladiator". Die Ideen wurden zunächst weiter getrieben, doch dann kam das Projekt zum Stillstand und erst 2017 bekräftigte Ridley Scott wieder sein Interesse an einer Fortsetzung. David Scarpa, der schon bei "Alles Geld der Welt" (2017) und "Napoleon" (2023) mit Scott zusammenarbeitete, überarbeitete die Drehbücher von David Franzoni und Peter Craig und erstellte einen finalen Entwurf und mit Paul Mescal wurde schließlich Anfang 2023 der Hauptdarsteller verpflichtet.
Scotts Interesse kann nicht verwundern, hat er sich neben seinen großen Science-Fiction-Filmen "Alien" (1979) und "Blade Runner" (1982), beginnend bei seinem während der napoleonischen Zeit spielenden Debüt "Die Duellisten" (1977), doch immer wieder für historische Stoffe interessiert. Die Entdeckung oder Eroberung Amerikas brachte er mit "1492 – Die Eroberung des Paradieses" (1992) ebenso auf die Leinwand wie die Kreuzzüge mit "Königreich der Himmel" (2005) oder "Robin Hood" (2010) und mit "Exodus: Götter und Könige" (2014) die Geschichte von Moses.
Bildmächtiges Kino wird dabei immer wieder geboten, doch das Drehbuch konnte – wie zuletzt bei "Napoleon" – dabei oft mit dem visuellen Spektakel nicht mithalten. Spektakulär beginnt auch "Gladiator II" nach einem animierten Vorspann, in dem schemenhaft zentrale Ereignisse des Originals zusammengefasst werden, mit einem römischen Angriff vom Meer aus auf eine nordafrikanische Stadt. Immersives physisches Kino wird geboten, wenn Brandbomben auf den römischen Kriegsschiffen oder in der Stadt einschlagen und der Pfeilregen der Bogenschützen auf die Gegner niedergeht.
Präsentiert werden bei diesem Auftakt der im Jahr 200 n. Chr. und damit 16 Jahre nach "Gladiator" spielenden Fortsetzung mit dem jungen nordafrikanischen Kämpfer Hanno (Paul Mescal) und dem römischen Tribun Acacius (Pedro Pascal) aber auch schon die zentralen Antagonisten. Weil nämlich die Stadt erobert und Hannos Frau getötet wird, sinnt der von den Römern versklavte Nordafrikaner nur noch auf Rache.
Bald beweist er auch bei Gladiatorenkämpfen seine Kraft, gleichzeitig werden aber auch von Acacius und dessen Gattin Lucilla (Connie Nielsen) Intrigen zum Sturz der gemeinsam herrschenden Brüder Geta (Joseph Quinn) und Caracalla (Fred Hechinger) geschmiedet. Nicht genug damit tritt schließlich auch noch ein weiterer Intrigant auf, der die Macht an sich reißen will.
Großes Spektakel versteht Scott nicht nur mit der den Film eröffnenden Schlacht zu bieten, sondern auch in der Arena geht es wild zu und her. Da muss Hanno in einem Trainingskampf gegen eine seltsame Mischung aus überdimensionierten Pavianen und Hunden antreten und bekommt es dann im Kolosseum nicht nur mit einem Nashorn, sondern bei einer Seeschlacht auch mit Haien zu tun.
Dass es im Kolosseum im Jahr 200 n. Chr. wohl keine Seeschlachten mehr gab, ist das kleinste Problem von "Gladiator II", schlimmer ist schon, wie sich Scott und Scarpa mit den Haien und den Pavian-Hunden auf die Ebene des Trashs begeben. Auffallend ist aber auch angesichts eines Budgets von 250 bis 310 Millionen Dollar die Schlampigkeit der Inszenierung, wenn in einer Szene eine Inschrift in Englisch über dem Grab des am Ende von "Gladiator" gestorbenen Maximus zu lesen ist.
Doch das größte Problem dieser Fortsetzung ist zweifellos das Drehbuch. Statt eine genuin neue Geschichte zu erzählen, orientieren sich Scott / Scarpa am Original, erzählen wieder von Rache und von Intrigen am römischen Kaiserhof. Hanebüchen ist aber, wie über Rückblenden eine Verbindung zwischen dem verstorbenen Maximus und Hanno hergestellt wird, und auch auf der Gegenwartsebene laufen mehrere Erzählstränge mehr parallel als wirklich verzahnt zu werden.
Hannos Gladiatorenschicksal und die Intrigen am Kaiserhof fügen sich nämlich nicht zu einem Ganzen, sondern bleiben notdürftig zusammengeschustertes Patchwork. Während sich Scott und Scarpa dabei bei ersterem mit einer hölzernen Arena, der Ausbildung der Gladiatoren und einem Ausbildner wohl von Stanley Kubricks "Spartacus" inspirieren ließen, diente für die Schilderung der Dekadenz des römischen Kaiserhofs und der degenerierten kaiserlichen Brüder wohl Peter Ustinovs Nero aus "Quo vadis?" Als Vorbild.
Die Zweikämpfe und Massenszenen auf der einen Seite und die Intrigen auf der anderen Seite sorgen zwar dafür, dass immer etwas passiert und kaum Langeweile aufkommt, doch echte Spannung entwickelt sich kaum, da Figuren und Szenen kaum weiter entwickelt werden. Da mag Denzel Washington den Sklavenhändler Macrinus, der zunehmend die Fäden zieht, noch so großartig spielen und Connie Nielsen mit ihrer physischen Präsenz ebenso überzeugen wie der sonst für feinfühlige Männerfiguren bekannte Paul Mescal ("Aftersun", "All of Us Strangers") in der Hauptrolle - letztlich retten können die Schauspieler:innen diesen Monumentalfilm nicht.
Wenn man will, kann man in die Absage an dekadente Imperien und im Traum von einem neuen republikanischen Rom mit gleichberechtigten Bürgern auch eine Kritik an heutigem imperialem Denken lesen, doch wirklich zwingend ergibt sich das nicht. Eher weckt da schon Kaiser Caracallas Ernennung eines Pavians zum Konsul Assoziationen an Donald Trumps Bestellung seiner Berater, auch wenn diese bei der Produktion des Films noch nicht mitbedacht werden konnten. Offen bleibt auch am Ende, wie denn nun das neue Rom aussehen soll, denn wie sich hier das gesamte Heer auf einen Anführer einschwört, hat doch auch wieder unübersehbar faschistische Züge.
Unausgegoren wirkt so der gesamte Film. Einziges Ziel scheint es durch das Spiel mit dem Original und großes Spektakel die Massen ins Kino zu locken und das große Geld zu machen. Ob diese Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten, aber als völlig überflüssig kann man "Gladiator II" schon jetzt bezeichnen.
Gladiator II USA / Großbritannien 2024 Regie: Ridley Scott mit: Paul Mescal, Pedro Pascal, Connie Nielsen, Derek Jacobi, Denzel Washington, Fred Hechinger, Joseph Quinn, Lior Raz Länge: 148 min.
Läuft derzeit in den Kinos.
Trailer zu "Gladiator II"
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