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Filmbuch: Ridley Scott (Film-Konzepte 67)

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi

Der 67. Band der bei et+k erscheinenden Reihe Film-Konzepte bietet in sieben wie gewohnt sehr fundierten und differenzierten Essays Einblick in bislang wenig beachtete Aspekte im Schaffen des Briten Ridley Scott.


Herausgeber Jörg Helbig legt im Vorwort dar, dass angesichts des umfangreichen Werks des inzwischen 86-jährigen Briten auf 100 Seiten kein umfassender Überblick möglich sei, sondern, dass vielmehr dem Heterogenen Rechnung getragen werde. Helbig skizziert auch die Vielfalt von Scotts Werk, seine Vorliebe für historische Themen und seine Meisterschaft in der visuellen Gestaltung.


Bindeglied sieht der Autor in der Vorliebe für starke Männerfiguren auf der einen und starke Frauenfiguren auf der anderen Seite, aber auch die Frage nach einer individuellen Handschrift wird aufgeworfen. Als Clou kann man einen kurzen Abschnitt ansehen, den Helbig von der KI Chat GPT über Ridley Scott schreiben ließ.


Auf diesen Einstieg folgt ein Essay von Georg Seeßlen, der dem Verhältnis von Ridley Scott zum Genre-Kino nachspürt. Ausgehend von einer ausführlichen Herausarbeitung der Merkmale von Genres blickt Seeßlen auf den Umgang mit den Genres ab den 1970er Jahren, um darauf aufbauend Scotts Umgang mit dem Genre-Kino zu analysieren. Der großartige Artikel mündet schließlich in eine Zusammenfassung von zwölf Merkmalen von Scotts Filmen.


Nicht weniger spannend und fundiert ist Jörg Helbigs Beitrag, der am Beispiel von "A Good Year" (2006), "Matchstick Men" (2003) und "The Last Duel" (2021) die Rolle von Zweifel, Vertrauensverlust, gefälschten Identitäten und Lügen sowie erzählerischer Unzuverlässigkeit in Scotts Filmen herausarbeitet.


Ganz auf "Thelma & Louise" (1991) fokussiert dagegen Rainer Winter. Der Autor widmet sich dabei dem kreativen Kräftefeld, aus dem der Film entstand, ebenso wie dem Anfang der 1990er Jahren noch neuartigen Genre-Mix sowie der weiblichen Selbstbehauptung als zentralem Thema. Aber auch die Bedeutung des Lachens, das dieses Road-Movie so anziehend mache, weil es dadurch lustvoll vom Widerstand gegen soziale Zumutungen und Zwänge erzähle, wird herausgearbeitet.


Spannende Einblicke liefert auch Andreas Rauscher, der Scotts filmische Japan-Referenzen in "Blade Runner" (1982), "Black Rain" (1989) und "The Last Duel" (2021) untersucht. Während der Autor in "Blade Runner", in dem die amerikanische Stadtlandschaft mit japanischen Elementen durchsetzt ist, einen paradigmatischen Film für transkulturelle und transmediale Wanderbewegungen sieht, beschreibt er "Black Rain" als Vertreter des auf Hochglanz-Ambiente ausgelegten US-Action-Kinos der 1980er Jahre, das in einen auf Oberflächenreize reduzierten japanischen Kontext verpackt wird. Bei "The Last Duel" dagegen zeigt Rauscher auf, wie Scott Kurosawas Rashomon-Prinzip des unzuverlässigen Erzählens um eine gender-politische Perspektive erweitert, wenn Kritik an der patriarchalen mittelalterlichen Gesellschaft geübt wird.


Matthias Klestil wiederum analysiert "The Martian" (2015) beeindruckend differenziert als anthropozänes Kino. Klestil arbeitet nicht nur heraus, wie Scott im Mars die Erde spiegelt, sondern auch wie die Klimakrise auf den Mars verlegt wird und wie der Film ambivalent vom Spannungsfeld zwischen genialem Wissenschaftler und Problemlösung durch Teamarbeit erzählt.


Einen starken Gegenpol zu den Scotts Leistungen würdigenden Beiträgen stellt Simon Spiegels Essay dar, der am Beispiel von "Hannibal" (2001) darlegen will, dass Scott zwar ein begnadeter Bildermacher und Ästhet ist, aber wenig Gespür für Geschichten und Figuren besitzt. Spiegel arbeitet so nicht nur die Konstruiertheit der Figur Hannibal Lecters heraus, sondern auch den fehlenden dramaturgischen Aufbau dieses Thrillers, der seiner Meinung nach nur funktioniert, wenn man ihn nicht ernst nimmt und als Camp liest, doch dazu fehle Scott die Ironie. Spiegel sieht aber sein Urteil über den Film nicht als abschließend an, sondern als Anregung zur Diskussion und zur Untersuchung auch anderer Filme des Briten.


Sabrina Gärtner schließlich widmet sich Scotts Karriere als Regisseur von Werbefilmen, bei deren Produktion er sich nach eigener Aussage Fertigkeiten in allen filmischen Bereichen angeeignet hat. Gärtner pickt aus Scotts rund 2000 Spots mit der Bäcker-Werbung "Boys on the Bike" (1973), den Spots für Chanel No. 5 (1979), "Apple Mac: 1984" (1984) und "Pepsi" (1985) vier besonders markante Beispiele heraus, die den Stil der Werbung teilweise revolutionierten und wesentlich zur Anerkennung von Werbespots als eigener Kunstform beitrugen.


Wie gewohnt runden eine kurze Biographie sowie eine Filmografie, die sich weitgehend auf die Kinofilme beschränkt, den kompakten Band ab, der mit seinen bestechend fundierten und differenzierten, aber trotz ihrer Wissenschaftlichkeit gut lesbaren Essays beeindruckt.



Jörg Helbig (Hg.), Film-Konzepte 67: Ridley Scott, Edition text + kritik, München 2023. 111 S., € 20, ISBN 978-3-96707-737-7




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