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Filmbuch: Natur im Film

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 1 Tag
  • 4 Min. Lesezeit
"Natur im Film": Thomas Koebner spürt der Rolle von Natur in Spielfilmen nach
"Natur im Film": Thomas Koebner spürt der Rolle von Natur in Spielfilmen nach

Von "Wald und Dschungel" über "Berge" und "Inseln" bis  zu "Futuristischen Naturvisionen": Thomas Koebner bietet anhand zahlreicher ebenso knapper wie präziser Filmbeschreibungen Einblick in die Rolle, die die Natur in Filmen jenseits einer bildstarken Kulisse spielen kann.


Bescheiden gibt Thomas Koebner seinem im Schüren Verlag erschienenen Buch den Untertitel "Randbemerkungen" und schmal ist diese Publikation mit 90 kleinformatigen Seiten auch, bietet aber gleichzeitig sehr viel.


Auf grundsätzliche Überlegungen, in denen der Filmwissenschaftler und Germanist über die Natur als Gegenwelt zur städtischen Zivilisation reflektiert, folgen acht Kapitel, in denen der Bogen von "Wald und Dschungel" über "Berge", "Die Prärie", "Die Wüste" und "Inseln" bis zu "Wege in die Wildnis", "Seenot" und "Futuristischen Naturvisionen" gespannt wird.


Das umfangreichste Kapitel widmet sich dem Thema "Wald und Dschungel". Hier arbeitet Koebner zunächst den Gegensatz von bedrohlichem Wald im Märchen oder in Horrorfilmen wie Sam Raimis "Evil Dead" ("Tanz der Teufel", 1981) und dem Wald als quasi heiligem, unversehrten Ort in James Fennimore Coopers "Deerslayer" und Michael Manns Verfilmung "The Last of the Mohicans" (1991) heraus.


Anschaulich zeigt der Autor aber auch auf, wie sich in Akira Kurosawas "Rashomon" (1950) im Wald die Sicherheiten auflösen, oder wie in Ken Russells bzw. Pascale Ferrans "Lady Chatterley" (1993 und 2006) sowie in Jane Campions "The Piano" (1993) der Wald als Ort der befreiten Gefühle und der Lust im Gegensatz zur gesellschaftlichen Eingrenzung durch die Zivilisation fungiert.


In Werner Herzogs "Aguirre, der Zorn Gottes" (1993) und Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" (1979) erscheint der Dschungel dagegen in der Nachfolge von Joseph Conrads "Herz der Finsternis" als unergründlicher und geheimnisvoller Ort, der die Protagonisten letztlich verschlingt oder wahnsinnig werden lässt.


Nicht fehlen darf hier auch der Naturmystizismus von Terrence Malick in "The Thin Red Line" ("Der schmale Grat", 1998) und "The New World" (2005), in denen das Verhältnis von Mensch und Natur verhandelt wird. Die feindliche Natur bestimmt schließlich Werner Herzogs "Grizzly Man" (2005) und Alejandro G. Inarritus "The Revenant" (2015), in dem sich ein Einzelkämpfer nach einem Kampf mit einem Grizzly durch eine lebensfeindliche, wilde Natur zurückkämpfen muss.


Beim Kapitel "Berge" blickt Koebner ausgehend vom Furchterregenden und Bedrohlichen zunächst auf Arnold Fancks "Der heilige Berg" (1926) und Leni Riefenstahls "Das Blaue Licht" (1932), in denen die lebensfeindliche, aber erhabene Natur in Opposition zum Menschen gestellt wird. Anschließend wird aufgezeigt wie in Peter Weirs "Picnic at Hanging Rock" (1976) und in Ang Lees "Brokeback Mountain" (2005) ähnlich wie in "Lady Chatterley" mit dem Gegensatz von einengender Zivilisation und befreiender Natur gespielt wird.


Im Abschnitt zur Prärie widmet sich Koebner zunächst dem Western. Er zeigt an William Wylers "The Big Country" (1958) auf, wie die Landschaft gerade durch ihre Weite unübersichtlich ist, und arbeitet den ökologischen Gestus von Kevin Costners "Dance with the Wolves" (1990), in dem Naturzerstörung angeprangert wird, heraus.


In den Totalen der weiten russischen Landschaft in David Leans "Doctor Zhivago" (1965) wird dagegen eine Metapher für Gefühlsstimmungen erkannt, wenn der Eiswüste blühende Blumenfelder gegenübergestellt werden, und in Sidney Pollacks "Out of Africa" (1985) wird die unüberwindbare Fremdheit des Europäers gegenüber der afrikanischen Landschaft aufgezeigt.


Steht bei der Wüste von Victor Sjöströms "The Wind" ("Stürme", 1928) oder David Leans "Lawrence of Arabia" (1962) bis zu Anthony Minghellas "The English Patient" (1996) immer wieder das Lebensfeindliche im Zentrum, so werden Inseln gerne als paradiesischer Traumort geschildert. Dem Idyll in Robert Flahertys "Moana" (1926) steht aber die Bedrohung durch gesellschaftliche Normen der archaischen Gesellschaft in Friedrich W. Murnaus "Tabu" (1931) gegenüber.


Der Traum von der Flucht aus der Zivilisation auf eine Insel entwickelt sich dagegen in Nicholas Roegs "Castaway" (1986) zum Albtraum, während in Robert Zemeckis "Cast Away" (2000) ein gestresster westlicher Manager nach einem Flugzeugabsturz in der Robinsonade einer entbehrungsreichen Inseleinsamkeit seine Existenz überdenkt und zu einem entspannteren Lebensstil findet.


Der Abschnitt "Wege in die Wildnis" fokussiert auf Menschen, die teils nach traumatischen Verlusten im Gegensatz zur Flucht ins Kloster und in Askese in vergangenen Zeiten in die Wildnis flüchten, um durch das herausfordernde Leben das Trauma zu bewältigen. Am Beispiel von Sean Penns "Into the Wild" (2007), Tracks" ("Spuren", 2013) und "Land" ("Abseits des Lebens", 2021) zeigt Koebner, dass die Zivilisationsmenschen dabei von den Gefahren der Wildnis auch überfordert sein können und der Lösung des Traumas so auch der Tod gegenüberstehen kann.


Ausgehend von der biblischen Sintflut und der Frage nach der Schuld des Menschen und einer göttlichen Strafe wird im Abschnitt "Seenot" am Beispiel von John Fords "The Hurricane" ("...dann kam der Orkan", 1937) dem Spannungsfeld von paradiesischer Südseelandschaft und alles vernichtendem Sturm nachgespürt. Aber auch die Schifffahrt als Daseinsmetapher und den Schiffbruch als Krisenmetapher thematisiert Koebner, zeigt wie durch CGI die Katastrophe in "Life of Pi" (2004) auch Schönheit ausstrahlt und arbeitet heraus, wie in "The Perfect Storm" (2000) und "Poseidon" (2006) die Macht der tobenden Natur den Menschen demütig werden lässt.


Bei den "Futuristischen Naturvisionen" stellt Koebner Ridley Scotts düsterem "Prometheus" (2012) die Feier der natürlichen Welt in James Camerons "Avatar" (2009) gegenüber. Während bei Scott das Böse aus der Natur kommt, ist es bei Cameron gerade der aggressive, macht- und geldgierige Mensch der die friedliche Paradieslandschaft bedroht.


So begeistert "Natur im Film", das durch ein Literaturverzeichnis und Filmregister abgerundet wird, einerseits durch die Breite, die der Blick auf unterschiedlichste Naturlandschaften bietet, andererseits durch die Fülle der ebenso knapp wie präzise beschriebenen Filme. Dazu kommen zahlreiche Filmstills, die mit ihren erläuternden Bildunterschriften die Darstellung Koebners bestens unterstützen.


 

Thomas Koebner, Natur im Film. Randbemerkungen, Schüren Verlag, Marburg 2025, 92 S., € 12, ISBN 978-3-7410-0491-9

 

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