Der phönizische Meisterstreich - The Phoenician Scheme
- Walter Gasperi
- 30. Mai
- 4 Min. Lesezeit

Der Texaner Wes Anderson bleibt sich auch bei seinem zwölften langen Spielfilm treu: Wiederum erzählt er eine sehr skurrile Familiengeschichte und unverwechselbar ist seine Form mit Puppenkastenperspektive und penibel arrangierten und ausgestatteten, oft symmetrischen Einstellungen. Dazu kommt wie gewohnt ein erlesenes Ensemble, bei dem selbst Stars wie Bill Murray oder Willem Dafoe nur in kleinsten Rollen zu sehen sind.
Die dysfunktionale Familie ist das große Thema von Wes Anderson. In immer wieder neuen Settings vom geräumigen New Yorker Haus in "The Royal Tenenbaums" (2001) über die Weiten des Meeres in "The Life Aquatic with Steve Zissou" ("Die Tiefseetaucher", 2004) und Indien in "The Darjeeling Limited" (2007) bis zum Südwesten der USA in der Nachkriegszeit in "Asteroid City" (2023) erzählt er davon.
In "Der phönizische Meisterstreich", der wie schon Andersons drei vorangegangenen Filme im Berliner Studio Babelsberg gedreht wurde, entführt der Texaner nun in einen märchenhaften Nahen Osten der 1950er Jahre. Der Geschäftsmann Zsa-Zsa Korda (Benicio del Toro), der mit Geschäften in der Rüstungs- und Luftfahrtbranche zu einem der reichsten Männer Europas aufgestiegen ist, möchte in diesem Fantasieland ein großes Infrastrukturprojekt verwirklichen, um sein Vermögen und seine Macht nochmals zu vergrößern.
Um die Pläne dafür, die Korda in fünf Schuhkartons verstaut hat, umzusetzen, müssen aber mehrere Investoren übers Ohr gehauen werden. Entsprechend diesen Verhandlungen gliedert sich "Der phönizische Meisterstreich" in mehrere Kapitel.
Weil seine Konkurrenten ebenso wie die US-Regierung Korda nach dem Leben trachten und er schon am Beginn zum wiederholten Male einen Bombenanschlag auf sein Flugzeug überlebt, möchte er sein Erbe regeln. Während seine neun Söhne nichts erhalten sollen, will er seinen gesamten Besitz seiner Tochter Liesl (Mia Threapleton), die als Nonne kurz vor dem Gelübde steht, vermachen.
So nimmt Korda Liesl ebenso wie einen norwegischen Insektenforscher (Michael Cera), der auch Privatlehrer ist, mit auf seine Reise. Das Verhältnis zu seiner Tochter ist aber ausgesprochen gespannt, verdächtigt sie ihren Vater doch mehrere seiner Ehefrauen, darunter auch ihre Mutter ermordet zu haben.
Im Gegensatz zu seinen letzten beiden Filmen "The French Dispatch" (2021) und "Asteroid City" erzählt Anderson in "Der phönizische Meisterstreich" wieder sehr geradlinig. Einzig vor einem Gericht im Jenseits spielende, durch Schwarzweiß und kleineres Format abgehobene Szenen, in denen auch Bill Murray einen Kurzauftritt als Gott hat, unterbrechen die Haupthandlung.
Wie an einer Perlenkette reiht Anderson dabei eine ebenso liebevoll und detailreich wie kunstvoll gestaltete Szene an die nächste. Echtes Augenfutter bieten die vielfach fast symmetrischen und perfekt ausgestatteten Einstellungen. Jeder Farbtupfer ist hier überlegt gewählt. Auch an inhaltlichem Einfallsreichtum mangelt es nicht, wenn bald auch Terroristen mitmischen, der norwegische Insektenforscher seine wahre Identität offenbart, Anschläge vereitelt werden müssen und ein Deal per Basketballspiel ausgehandelt wird.
Unübersehbar mit der Filmgeschichte spielt Anderson auch, wenn er seinen Protagonisten Zsa-Zsa Korda nennt. Einerseits will er damit an die Hollywood-Diva Zsa Zsa Gabor erinnern, die mehr durch ihre acht Ehen als durch ihre Filmrollen Berühmtheit erlangte, andererseits an den britischen Filmregisseur und Produzenten Alexander Korda, der neben dem Biopic "The Private Life of Henry VIII." (1933) mit dem Märchenfilm "The Thief of Bagdad" (1940) und "Rudyard Kipling’s Jungle Book" ("Das Dschungelbuch", 1942) auch für mehrere exotische Hollywoodfilme verantwortlich zeichnete.
Nicht nur mit dem Namen, sondern auch mit den zahlreichen Ehen seines Protagonisten verweist Anderson dabei auf Zsa Zsa Gabor und Kordas bekanntesten Film "The Private Life of Henry VIII.", der bekanntlich sechs Frauen hatte, von denen er zwei hinrichten ließ.
Auch eine Liebeserklärung ans klassische Hollywood ist "Der phönizische Meisterstreich" damit, in erster Linie spielt aber Anderson doch vor allem sein Spiel. Dazu gehören auch die Stars, die beim Texaner immer Schlange stehen, und selbst kleinste Rollen übernehmen. Stammschauspieler wie Jason Schwartzman und Owen Wilson fehlen zwar dieses Mal, dafür gibt es Kurzauftritte unter anderem von Scarlett Johansson, Tom Hanks, Mathieu Amalric, Charlotte Gainsbourg und Benedict Cumberbatch.
Im Zentrum stehen aber Benicio del Toro als Korda, Kate Winslets 23-jährige Tochter Mia Threapleton als Nonne Liesl und Michael Cera als Insektenforscher. Herrlich schmierig ist del Toro als durchtriebener Geschäftsmann, der doch langsam Gefühle für seine Tochter entwickelt. Ein Vergnügen ist es zuzusehen, wie die noch recht unbekannte Mia Threapleton als Nonne, die sukzessive Vergnügen an weltlichen Freuden wie Bier oder Lippenstift entwickelt, dem puerto-ricanischen Oscarpreisträger selbstbewusst Kontra gibt und mit sichtlichem Vergnügen spielt Michael Cera den nur nach außen hin schüchternen und langweiligen Insektenforscher.
Ihr stoisches Spiel und die knochentrockenen Dialoge passen perfekt zur bewusst künstlichen Welt des Films und sorgen in Verbindung mit dem Einfallsreichtum dafür, dass "Der phönizische Meisterstreich" bestens unterhält. Nicht zu übersehen ist aber auch, dass sich Anderson mit diesem Film nicht neu erfindet, sondern sich abgesehen von Setting und Handlung ein weiteres Mal in gewohnten Bahnen bewegt und an die Stelle der Originalität der frühen Filme mit der stilistischen Wiederholung zunehmend auch Abnützungserscheinungen treten.
Der phönizische Meisterstreich
USA / Deutschland 2025
Regie: Wes Anderson
mit: Benicio del Toro, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Rupert Friend, Benedict Cumberbatch, Bryan Cranston, Mathieu Amalric, Charlotte Gainsbourg
Länge: 102 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn (Deutsche Fassung) und im Skino Schaan (O.m.U.)
Einen ausführlichen Artikel zu den Filmen von Wes Anderson finden Sie hier.
Trailer zu "Der phönizische Meisterstreich - The Phoenician Scheme"
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