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Crossing Europe 2025: Kinderwunsch und Trauerarbeit

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 1. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Mai

Crossing Europe 2025: "Holy Rosita" von Wannes Destoop und "Rok vdovy" ("Year of the Widow") von Veronika Lišková zeichnen starke Frauenporträts.
Crossing Europe 2025: "Holy Rosita" von Wannes Destoop und "Rok vdovy" ("Year of the Widow") von Veronika Lišková zeichnen starke Frauenporträts.

Zwei berührende Filme im Spielfilmwettbewerb des Crossing Europe Filmfestivals Linz: Der Niederländer Wannes Destoop erzählt in "Holy Rosita" von einer geistig leicht eingeschränkten Frau, die sich trotz Widerstand der Umwelt nach einem eigenen Baby sehnt. In "Rok vdovy" ("Year of the Widow") der Tschechin Veronika Lišková steht dagegen eine Frau im Zentrum, die nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes erst wieder ins Leben finden muss.


Der größte Wunsch der von Daphne Agten großartig gespielten Mittdreißigerin Rosita ist ein eigenes Baby. Liebevoll kümmert sich die schwer übergewichtige Frau immer wieder um die etwa sechsjährige Tochter ihrer Nachbarin, die ihre einzige Freundin zu sein scheint. Dabei kann sie aber auf dem Rummelplatz auch mal die Zeit vergessen und das Kind erst gegen 22 Uhr wieder zu ihrer Mutter bringen.


Allein lebt Rosita in einer Wohnung, doch ein völlig unabhängiges Leben kann sie offensichtlich nicht führen, denn um die Bezahlung von Rechnungen muss sich ihre Pflegemutter kümmern. Einen offensichtlich geschützten Arbeitsplatz hat sie in einer Großwäscherei, doch diesen schmeißt sie nach einem Streit hin. Weil sie keinen Überblick über ihre finanziellen Verhältnisse hat, kann es auch nicht verwundern, dass schließlich der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht.


Doch Rosita pocht auf ihre Selbstständigkeit und will, dass ihr Kinderwunsch von den anderen respektiert wird. Schon einmal war sie schwanger, hat dann aber auf Druck ihrer Pflegemutter, die ihr nicht zutraut, sich um ein Kind kümmern zu können, abgetrieben. Dieses Mal möchte sie das Kind aber behalten.


Hautnah folgt Wannes Destoop seiner Protagonistin durch den Film. Über 90 Minuten ist sie in jeder Szene präsent. Einfühlsam und sanft ist sein Blick auf diese Frau, intensiv macht er ihre Sehnsüchte spürbar, spart aber auch ihre Schwierigkeiten im Leben nicht aus. Keine Schwarzweißmalerei wird hier betrieben, sondern ambivalent bleibt der Film, macht auch die Bedenken der Umwelt wie der Pflegemutter verständlich.


Auch der Umgang mit einer Puppe, die sie vom Sozialamt bekommt, um für Situationen mit dem Baby zu trainieren, lassen Zweifel aufkommen, ob Rosita dieser Aufgabe gewachsen ist. Doch Destoop plädiert sanft, aber in der intensiven Schilderung Rositas doch eindrücklich und bewegend für Akzeptanz der Wünsche von Menschen wie Rosita, für Förderung und Unterstützung ihrer Selbstständigkeit statt Bevormundung und Einschränkung und macht Hoffnung, dass Rosita, die es mit der Erziehung ihres Babys auch anders machen will als ihre leibliche Mutter, die sie in Pflege weggegeben hat, eine liebevolle und fürsorgliche Mutter werden wird.


Von einem Moment auf den anderen ist das Leben der 50-jährigen Dolmetscherin Petra in Veronika Liškovás "Rok vdovy" ("Year of the Widow") auf den Kopf gestellt, als sie per Telefon erfährt, dass ihr völlig unvermutet Mann verstorben ist. Eben noch haben sie ein Bauernhaus auf dem Land gekauft, das sie sanieren wollten, jetzt steht sie allein mit ihrer Teenager-Tochter da, die lieber bei der Großmutter in Prag als auf dem Land leben will.


Mit Inserts zu den Jahreszeiten spannt Lišková den Bogen über ein Jahr von einem Frühling zum nächsten. Detailliert zeigt sie, wie zum persönlichen Schmerz, den Petra freilich nach außen kaum zeigt, sondern nur im Geheimen weint, wenn Gegenstände sie an den Verstorbenen erinnern, zahlreiche bürokratische Hürden kommen. Weder erhält sie so Einblick in die Autopsie ihres Mannes noch an ihn gerichtete eingeschriebene Briefe und schier endlos scheint sich auch die Erledigung des Nachlasses hinzuziehen.


Dazu kommen auch sich steigernde Konflikte mit ihrer Tochter, die ebenfalls nach Außen ihre Trauer verdrängt. Gleichwohl schleichen sich in die Beklemmung auch zunehmend gelöste Momente ein, wenn die Mutter dem benachbarten Bauern hilft, ein Kalb zu fangen, wenn Mutter und Tochter beim Nachbarn an einer Bauernhochzeit teilnehmen oder wenn sie am Schulball zusammen tanzen.


Die wiederholten Fahrten zum Bauernhof, bei denen die Kamera direkt durch die Windschutzscheibe auf das offene Land blickt, können auch als Bild für den langen Weg vom Tod des Mannes bis zur Auseinandersetzung mit dem Verlust und einem Neubeginn gelesen werden, denn am Ende – und damit nach über einem Jahr - wird sich Petra erstmals als Witwe definieren und beim Blick frontal in die Kamera lächeln.


Weder formal noch inhaltlich bietet "Rok vdovy" ("Year of the Widow") zwar wirklich etwas Neues, besticht aber durch die feinfühlige und runde Erzählweise, durch starkes Schauspiel und durch die Konzentration auf die Protagonistin und ein eng gefasstes Umfeld. Eindrücklich wird so die Verdrängung des Todesfalls in der Familie und das beklemmende Schweigen darüber spürbar und implizit für eine offene Thematisierung der Trauer und Auseinandersetzung damit plädiert.


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