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  • AutorenbildWalter Gasperi

Crossing Europe 2024: Spiel mit Gegensätzen

Aktualisiert: 5. Mai

Beim Crossing Europe Filmfestival Linz (30.4. – 5.5. 2024) erzählen die Wettbewerbsfilme "Hotel Pula" und "Ultima Thule nicht nur vom Aufeinanderprallen von Gegensätzen, sondern vermitteln mit ihrer eigenen Gegensätzlichkeit auch schon einen Eindruck von der Vielfalt dieses Festivals.


Ein beliebtes Baumuster von Filmen ist es, aus Gegensätzen Spannung aufzubauen. Aber auch ein Festival wird spannend durch das Aufeinandertreffen gegensätzlicher Filme. So stehen mit "Ultima Thule" und "Hotel Pula" nicht nur die im Norden Schottlands gelegenen Shetland Inseln der kroatischen Küstenstadt gegenüber und dem rauen nordischen Klima ein sommerliches Mittelmeeramiente, sondern auch eine ganz private Geschichte den Traumata des Jugoslawienkriegs.


In "Ultima Thule" des Polen Klaudiusz Chrostowski flieht der 30-jährige Bartek nach dem Tod seines Vaters in die Einsamkeit. Er findet diese in der nur 35 Einwohner:innen zählenden schottischen Insel Foula, die zu den Shetlands zählt. Der ältere Schafzüchter Magnus bietet ihm Unterkunft an, wenn er für ihn Arbeiten verrichtet, ihm beispielsweise beim Torf Stechen und beim Scheren der Schafe hilft oder das Haus weiß streicht.


Dokumentarisch wirkt "Ultima Thule" in der ausführlichen Schilderung der bäuerlichen Arbeiten und im intensiven Blick auf die von wechselndem Wetter bestimmten rauen Insel mit ihren grünen Hügeln und steilen Felsküsten. Wesentlich trägt diese herbe Landschaft zur Stärke dieses Films bei, aber Chrostowki versteht es auch eindrücklich, seine beiden Protagonisten Bartek und Magnus ins Bild zu rücken.


Nicht nur jung und alt treffen hier aufeinander, sondern mit dem Polen Jakub Gierszal und dem Einheimischen Arthur Henri auch ein Profischauspieler auf einen Laien. Auch diese Mischung verleiht "Ultima Thule" Authentiztät. Wenig sprechen die beiden Männer, doch immer stärker werden die Trauer und die Schuldgefühle Barteks spürbar, gleichzeitig findet er in Magnus auch jemanden, der ihm Raum zur Artikulation seiner Gefühle gibt und ihm seine Schuldgefühle zu nehmen versucht.


Chrostowski macht in diesem entschleunigten Film gerade auch mit der langsamen Erzählweise und dem ruhigen Blick die Trauer erfahrbar und die Zeit, die es braucht, diesen Schmerz zu verarbeiten, bis schließlich die Beklemmung lösende Tränen hervorbrechen.


Im Gegensatz zu dem jedem gesellschaftspolitischen Kontext enthobenen "Ultima Thule" spielt Andrej Korovljevs "Hotel Pula" vor dem Hintergrund des Jugoslawienkriegs der 1990er Jahre. Der Krieg ist zwar schon vorüber, doch der schwer traumatisierte Bosnier Mahir lebt seit drei Jahren in der kroatischen Küstenstadt in dem titelgebenden, halb verfallenen Hotel, das als Aufnahmezentrum für Flüchtlinge fungiert.


Schon einleitend berichtet er im Voice-over über seine entsetzlichen Erlebnisse und wird daraufhin vom Therapeuten gefragt, wie er im Gegensatz zu anderen überlebt habe. Schwer lastet auch auf Mahir diese Frage und erfüllt ihn sichtlich mit Schuldgefühlen.


Gegenpol zum tristen Hotel und Mahirs Traumatisierung bilden die Discos und die ausgelassene Partylaune, die das Leben der 18-jährigen Schülerin Una und ihrer Freundin Marina bestimmt. In harter Parallelmontage lässt Korovljew diese Gegensätze aufeinanderprallen, lässt Una und Mahir sich zunächst zufällig begegnen, dann aber konkret suchen.


Aber auch Una ist vom Krieg geprägt, denn ihr Vater hat die Familie danach in Richtung Italien verlassen, ihre Mutter ist dem Alkohol verfallen. Mahir ist als Bosnier dagegen im kroatischen Pula immer wieder nationalistischen Anfeindungen ausgesetzt.


So sehr die rund 20 Jahre Altersunterschied und die unterschiedliche Herkunft Mahir und Una auch trennen mögen, die Unerträglichkeit ihrer aktuellen Situation führt sie doch zusammen und es entwickelt sich eine unmögliche Liebe.


Insgesamt ist "Hotel Pula" zwar deutlich überkonstruiert, zeichnet aber dennoch ein eindrückliches Bild von den Nachwirkungen eines Krieges, von der Traumatisierung der direkt Beteiligten ebenso wie von den Wunden, die ein Krieg bei den überlebenden Angehörigen hinterlässt.



Weitere Berichte vom Crossing Europe Film Festival 2024:

- Zwischenbericht 2 ("Ellbogen" + "Il pleut dans la maison")


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