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  • AutorenbildWalter Gasperi

The Killer - Der Killer


Kühl, minimalistisch und hochspannend: Michael Fassbender brilliert in David Finchers minutiöser Studie eines Auftragskillers.


Es ist schon bedenklich, wie heutzutage auch Filme großer Regisseure teilweise fast unsichtbar bleiben: In Österreich läuft David Finchers neuer Film gerade mal in einem Kino (Burg Kino Wien) und auch in Deutschland nur in wenigen Kinos, ehe er ab 10. November bei Netflix gestreamt werden kann. Zum zweiten Mal nach "Mank" arbeitete der "Se7en"- und "Fight Club"-Regisseur bei dieser Verfilmung von Alexis Nolents und Luc Jacamons Graphic Novel "Le tueur" für den amerikanischen Streamingdienst.


Nur dort scheint eine so kühle und minimalistische Studie eines Auftragskillers noch finanziert zu werden. Über zwei Stunden folgt Fincher in sechs Kapiteln und einem Epilog dem von Michael Fassbender großartig zurückhaltend gespielten namenlosen Protagonisten von Paris über die Dominikanische Republik bis in die USA.


Praktisch kein Wort wird in der ersten halben Stunde gesprochen. Einzig die Gedanken des Killers gibt es im Voice-over zu hören, konsequent aus seiner Perspektive wird erzählt. Im Dachgeschoss eines leerstehenden Pariser Hauses beobachtet er tagelang eine gegenüberliegende Wohnung, bis endlich sein Opfer auftaucht. Höchster Professionalismus, aber auch eisige Kälte werden spürbar, wenn Fincher minutiös das in jedem Detail überlegte Handeln dieses Profis zeigt.


Immer wieder betont der Killer, wie zentral es ist, den Verlauf der Dinge vorauszusehen, nie zu improvisieren, sich immer an den Plan zu halten, niemandem zu vertrauen und auf keinen Fall Empathie zu zeigen, da man dadurch verwundbar werde. Weit über diesen eiskalten Perfektionisten hinaus erzählt Fincher so vom allgemeinen Drang zu Selbstoptimierung und der daraus resultierenden Empathielosigkeit. Hand in Hand damit geht ein nihilistisches Weltbild, in dem nur das Hier und Jetzt zählt und jeder nur auf sich schauen soll.


Meisterhaft korrespondieren dabei die hochprofessionelle und nach Perfektion strebende Arbeitsweise des Killers mit der Inszenierung Finchers. So kühl wie sein Protagonist ist auch der Blick des Regisseurs, doch durch die Genauigkeit der Schilderung, den treibenden Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross, die seit "The Social Network" Finchers Stammkomponisten sind, die ebenso kalten wie perfekten Bilder von Kameramann Erik Messerschmidt und den punktgenauen Schnitt von Kirk Baxter entwickelt diese von pechschwarzem Humor durchzogene Charakterstudie durchgehend große Spannung.


Auf keinen Fall auffallen will dieser Killer. In Paris verkleidet er sich als deutscher Tourist, nimmt in der Folge stets neue Namen an, die alle alten US-TV-Serien und TV-Shows entnommen sind, und entsorgt peinlich genau alles, um ja keine Spuren zu hinterlassen.


Obwohl sich schließlich in der französischen Hauptstadt doch noch eine Schussmöglichkeit ergibt, geht der Auftrag schief, und der Killer muss bei seiner Rückkehr in seine Luxusvilla in der Dominikanischen Republik feststellen, dass er nun selbst der Gejagte ist. Doch den Angriff auf seine Freundin wird er nicht ungesühnt lassen und in den USA zum Gegenschlag ausholen.


Jedes Kapitel ist einer Aktion und einem Gegner gewidmet. Auf den Job in Paris folgt der Anschlag auf der Karibikinsel und jeweils eine weitere Konfrontation in New Orleans, Florida, New York und Chicago. Neben der Professionalität tritt dabei zunehmend auch die Rücksichtslosigkeit und Brutalität, mit der der Killer arbeitet, deutlicher zu Tage. Gleichzeitig bleibt er aber auch immer ein Durchschnittsbürger, wenn er bei Amazon bestellt, über Ohrstöpsel Musik von "The Smiths" hört oder sich als Müllmann ausgibt.


Beeindruckend ist der Minimalismus dieses Films, denn mit einer Ausnahme verzichtet Fincher auf spektakuläre Action-Szenen. Er setzt ganz auf akribische Beobachtung, kühl-stringente Handlungsentwicklung und das großartig stoische Spiel von Fassbender.


Im Kern lässt sich so die auf das Skelett abgespeckte Handlung in zwei oder drei Sätzen zusammenfassen, doch in der ausschließlichen Fokussierung auf diesen Killer, für den wohl auch Alain Delons Jeff Costello in Jean-Pierre Melvilles Meisterwerk "Le Samourai – Der eiskalte Engel" Pate stand, entwickelt sich "The Killer auch zu einem von tiefem Pessimismus gegenüber den Menschen durchzogenen, meisterhaft konsequenten, typischen David Fincher-Film.



The Killer USA 2023 Regie: David Fincher mit: Michael Fassbender, Tilda Swinton, Charles Parnell, Arliss Howard, Kerry O´Malley, Sophie Charlotte, Monique Ganderton, Sala Baker Länge: 119 min.



Läuft derzeit im Skino Schaan und im Kino Scala in St. Gallen. - Ab 10. November zum Streamen auf Netflix


Trailer zu "The Killer - Der Killer"


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