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  • AutorenbildWalter Gasperi

Sehr stylisch, sehr cool: Das französische Cinéma du Look


Subway (Luc Besson, 1985)

Frischen Wind brachten Jean-Jacques Beineix, Luc Besson und Leos Carax ins Kino der 1980er Jahre. An Gesellschaftskritik waren sie kaum interessiert, zentral war eine aufregende visuelle und akustische Oberfläche. Das Zürcher Kino Xenix widmet im Februar nicht nur diesem Cinéma du Look eine Filmreihe, sondern blickt auch auf dessen Wurzeln und Weiterleben.


"Diva" (1981) von Jean-Jacques Beineix gilt als Initialzündung des Cinéma du Look. Zahlreiche Elemente dieser filmischen Richtung, deren Werke einerseits von vorwiegend jugendlichen Fans geradezu kultisch gefeiert, andererseits von der arrivierten Filmkritik vielfach abgelehnt wurden, finden sich schon in diesem Großstadtmärchen.


Mit der Geschichte eines jungen Postboten, der durch eine heimliche Musikaufnahme einer Opernsängerin ins Visier von Gangstern gerät, setzte sich Beineix in Opposition zu den wirklichkeitsnahen und gesellschaftskritischen Filmen der Nouvelle Vague. Außerhalb des gesellschaftlichen Raums spielt nicht nur "Diva", sondern die meisten Filme des Cinéma du Look.


Zentrale Schauplätze sind wiederholt die Pariser Metro ("Diva", "Subway" von Luc Besson) oder die Straßen der Stadt. Auf Psychologisierung wird verzichtet, die Protagonist:innen bekommen kaum eine Hintergrundgeschichte, sondern leben ganz im Hier und Jetzt.


Wie bei den Figuren stylische Kleidung und Frisuren wichtiger als Persönlichkeit sind, so frönen die Filme insgesamt der Lust an der visuell aufregenden Oberfläche, die immer wieder an Werbe- oder Videoclips erinnert. Augenfutter soll durch das Spiel mit Licht und Farben sowie mit aufregenden Kamerabewegungen geboten werden und auch die Musik hat nicht nur untermalende Funktion, sondern soll selbstzweckhaft Hörgenuss bereiten.


Stil geht über den Inhalt, bei dem reichlich aus dem Fundus der Filmgeschichte zitiert und mit Mustern des klassischen Genrekinos gearbeitet wird. Frühe Beispiele des postmodernen Kinos sind die Filme des Cinéma du Look damit, dessen Aufblühen auch mit der Wahl Francois Mitterands zum französischen Präsidenten (10. Mai 1981) zusammenfällt. Im Aufbruch und Traditionsbruch dieser filmischen Bewegung spiegeln sich gewissermaßen auch die Hoffnungen, die mit der nach 30 Jahren erstmaligen Wahl eines Sozialisten zum Staatsoberhaupt verbunden waren.


Anders als die Nouvelle Vague zog das Cinéma du Look aber keine größeren Kreise, sondern blieb auf das Dreigestirn Jean-Jacques Beineix, Leos Carax und Luc Besson beschränkt. Während Beineix in "Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen" (1986) und Carax in " Die Liebenden von Pont-Neuf" (1991) maßlose Liebesgeschichten erzählten, orientierte sich Besson mit "Subway" (1985) und "Nikita" (1990) am Gangsterfilm. Offen bleibt dabei, ob in den knalligen Farben und Bildern wie Poster die übergroßen Gefühle der Figuren nach außen gekehrt werden oder sich dahinter ein ironischer Blick der Regisseure auf diese Generation verbirgt.


In der Betonung des Atmosphärischen gilt der Poetische Realismus der 1930er Jahre als zentraler Vorläufer des Cinéma du Look. So zitiert Carax mit dem Abtauchen in die Seine am Ende von "Die Liebenden von Pont-Neuf" Jean Vigos "L´Atalante" (1934) und der Fatalismus der tragisch endenden Liebesgeschichten hat seine Parallelen in Marcel Carnés "Quai des brûmes" (1938) und "Le jour se leve" (1939) sowie in Julien Duviviers "Pepe le Moko" (1937). Aber auch in der ausgefeilten Farbdramaturgie der sehr coolen und stilisierten Gangsterfilme von Jean Pierre Melville wie "Le samourai" ("Der eiskalte Engel", 1967) kann man Vorbilder sehen.


Gleichzeitig steht das Cinéma du Look, als dessen letzter Film Bessons Thriller "Leon – Der Profi" (1994) gilt, nicht isoliert im Kino der 1980er Jahre. Einer ähnlichen Lust an der Oberfläche frönte auch Francis Ford Coppola im Liebesfilm "One From the Heart" (1982) oder Alan Rudolph in "Choose Me" (1984) und auch in Coppolas schwarzweißem Jugendbanden-Drama "Rumble Fish" (1983) war die Form fast wichtiger als der Inhalt. Aber auch die späten Filme Rainer Werner Fassbinders kennzeichnet die Lust an manierierten Oberflächenreizen.


Während Beineix ab 1990 nur noch ganz wenige Filme drehte, sich Besson auf spektakuläre Großproduktionen vor allem im Fantasy- und Action-Bereich konzentrierte, blieb Carax seinem Stil treu, drehte aber in zunehmend größerem Abstand seine furiosen Kinoträume "Holy Motors" (2012) und "Annette" (2021).


Doch auch auf andere Regisseure blieb das Cinéma du Look nicht ohne Auswirkung. Vor allem Jean-Pierre Jeunet setzte mit Filmen wie Le Fabuleux destin d’Amélie Poulain" ("Die fabelhafte Welt der Amélie", 2001) und "Un long dimanche de fiançailles" ("Mathilde – eine große Liebe", 2004) diesen Stil fort und auch Julia Ducournaus Cannes-Sieger "Titane" (2021) scheint mit seiner expressiven Ästhetik und dem Schwelgen in knalligen Bildern von dieser Bewegung beeinflusst.


Weitere Informationen und Spielzeiten finden Sie hier.


Kurze Geschichte des Cinéma du Look


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