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  • AutorenbildWalter Gasperi

Dorothy Arzner – Regisseurin in einer Männerwelt

Dorothy Arzner (1897-1979) (mit Kameramann Al Gilks)

Dorothy Arzner (1897 – 1979) gilt als eine der ganz wenigen Regisseurinnen des klassischen Hollywoods der 1930er und 1940er Jahre. Das Berner Kino Rex bietet mit einer Filmreihe Einblick in das Schaffen dieser Pionierin des Frauenfilms, die zwischen 1927 und 1943 über 16 Spielfilme drehte.


Lange Zeit vergessen und erst spät entdeckt wurden die Frauen, die in der Frühzeit des Kinos und im klassischen Hollywood eine bedeutende Rolle spielten. Neben der Stummfilmpionierin Alice Guy-Blaché gehört auch die am 3. Januar 1897 in San Francisco geborene Dorothy Arzner dazu. Erst wenige Jahre vor ihrem Tod 1979 wurde ihr Werk wiederentdeckt.


1975 veranstaltete so die Directors Guild of America in ihrer Anwesenheit ein Filmfestival mit ihren Filmen und vor allem die feministische Filmwissenschaft begann sich intensiv mit der Darstellung von Geschlechterrollen und weiblicher Sexualität in ihren Filmen auseinanderzusetzen. 1994 erschien mit "Directed by Dorothy Arzner" schließlich auch eine Biographie von Judith Mayne über diese Pionierin des Frauenfilms.


Dabei wollte Arzner angesichts ihres Interesse Menschen zu heilen zunächst Medizin studieren. Andererseits kam sie aber schon in ihrer Jugend in dem von ihrem Vater in Hollywood betriebenen "Hoffman´s Café" mit Hollywoodgrößen wie David Wark Griffith, Charlie Chaplin, Douglas Fairbanks, Mary Pickford und Erich von Stroheim in Kontakt.


Während des Ersten Weltkriegs arbeitete sie als Lazarettschwester und Krankenwagenfahrerin, doch die anschließende Arbeit bei einem Chirurgen brachte sie von dem Gedanken an ein Medizinstudium ab. Nun erklärte sie: "I wanted to be like Jesus, heal the sick and raise the dead, instantly, without pills, surgery, et cetera." (Wikipedia, englisch: Dorothy Arzner).


Ein Architekturstudium brach sie bald ab, und nahm, um finanziell unabhängig zu sein, einen Job als Stenotypistin bei Paramount an. Bald stieg sie zur Filmeditorin auf, erwarb sich große Beachtung durch ihre Arbeit an Fred Niblos "Blood and Sand" (1922), bei dem sie auch einen Teil der Stierkampfszenen selbst drehte, und wurde Chef-Editorin bei James Cruzes Western "The Covered Wagon" (1925).


Als Arzner 1927 zu Columbia wechseln wollte, bot ihr Paramount-Chef Walter Wangler die Regie an der heute verschollenen Komödie "Fashions for Women" (1927) an. Der Erfolg brachte ihr die Regie für die drei Stummfilme "Ten Modern Commandments" (1927), "Get Your Man" (1927) und Manhattan Cocktail" (1928), von denen einzig "Get Your Man" bruchstückhaft erhalten ist.


Schon bei "Fashions for Women" arbeitete Arzner bei den Modeschauszenen mit der Tänzerin und Choreografin Marion Morgan zusammen, die auch für die Tanzszenen in den folgenden Stummfilmen verantwortlich zeichnete. Morgan wurde aber auch zur privaten Partnerin der offen lesbisch lebenden Arzner und blieb dies bis zu Morgans Tod 1971.


Im Gegensatz zu anderen Regisseur:innen gelang Arzner problemlos der Sprung vom Stummfilm zum Tonfilm. Dabei erwies sie sich auch als einfallsreich in technischen Fragen. So schlug sie beim Dreh ihres ersten Tonfilms, der Liebesromanze "The Wild Party" (1929), dem Tonmeister vor, das fixierte Mikrofon auf einer beweglichen Angel zu befestigen, um die Bewegungsfreiheit der Schauspieler:innen zu vergrößern.


Thematisch bestimmen unkonventionelle Romanzen Arzners Spielfilme. So geht es in "The Wild Party" um eine hemmungslos hedonistische College-Studentin, die sich in ihren spießigen Lehrer verliebt, in "Honor Among Lovers" (1931) fühlt sich ein Geschäftsmann zu seiner Sekretärin hingezogen, die aber einen anderen Mann heiratet, und in der tragischen Liebesgeschichte "Christopher Strong" (1933) verliebt sich eine von Katherine Hepburn gespielte unabhängige Frau und passionierte Pilot in einen verheirateten Politiker.


In "Craig´s Wife" (1936) heiratet eine Frau (Rosalind Russell) einen Mann nur, um mittels dessen Geld Unabhängigkeit zu erreichen, und im Musical "Dance, Girl, Dance" (1940), der vielfach als der beste Film Arzners angesehen wird, stehen zwei Tänzerinnen im Mittelpunkt, von denen die eine (Lucille Ball) durch ihre körperlichen Reize zum Varieté-Star aufsteigt, während die andere (Maureen O´Hara) an ihrem Traum von einer Karriere als klassischer Balletttänzerin festhält.


So lassen sich die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen, die Ablehnung der Ehe und der Kampf um weibliche Selbstverwirklichung in einer von Männern dominierten Welt als wiederkehrende Themen im Werk Arzners ausmachen. Auf ein Genre ließ sie sich dabei aber nicht festlegen, denn sie drehte neben Komödien, Melodramen und Musicals auch Literaturverfilmungen nach Èmile Zola und Franz Molnar und mit "First Comes Courage" (1943) sogar einen Kriegsfilm.


Im Zentrum dieses ihres letzten Films steht dabei mit einer Frau, die sich im von den Nazis besetzten Norwegen in einen deutschen Offizier verliebt und vom eigenen Dorf verstoßen wird, obwohl sie in Wirklichkeit als Spionin für die Alliierten arbeitet, noch einmal der Kampf um ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben.


Nachdem Arzner die Regie von "First Comes Courage" wegen einer schweren Lungenentzündung schließlich an Charles Vidor abgeben musste, konnte sie nach ihrer Genesung keinen weiteren Film in Hollywood drehen. Unklar sind die Gründe dafür und können sowohl im schwindenden Erfolg ihrer Filme als auch in dem seit Einführung des Hays Codes 1934 wachsenden Sexismus und Homophobie in Hollywood gesehen werden.


Mit ihrer Partnerin Marion Morgan zog sie in ein Haus in das in der kalifornischen Wüste gelegene La Quinta. Neben Gelegenheitsjobs bei einer Radiosendung und als Beraterin für Werbefilme für Pepsi-Cola unterrichtete sie ab 1959 auch am Theatre Arts Department der University of California in Los Angeles, wo Francis Ford Coppola einer ihrer Schuler war. Acht Jahre nach ihrer Lebenspartnerin Marion Morgan starb sie am 1. Oktober 1979 im Alter von 82 Jahren in ihrem Haus in La Quinta.  

 


Spielplan und weitere Informationen zur Filmreihe im Berner Kino Rex finden Sie hier.


Video: The Films of Dorothy Arzner (9 min.)



 

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