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Miroirs No. 3

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 2 Stunden
  • 4 Min. Lesezeit
"Miroirs No. 3": Trotz thrillerhafter Momente versöhnlicher Sommerfilm über Verlust, Trauer und Heilung
"Miroirs No. 3": Trotz thrillerhafter Momente versöhnlicher Sommerfilm über Verlust, Trauer und Heilung

Christian Petzold erzählt im abschließenden Teil seiner Trilogie der Elemente von zwei Frauen, die ihren Bezug zum Leben und zur Welt verloren haben, aber durch ihre Begegnung langsam wieder zurückfinden: Ein meisterhaft inszenierter und gespielter, lichter Sommerfilm, durchsetzt mit märchenhaften und thrillerhaften Momenten, der von Trauer und Verlust zu Heilung führt.


Stand Christian Petzolds "Undine" (2020) mit einem Industrietaucher im Zeichen des Wassers und "Roter Himmel" (2023) mit einem sich ausbreitenden Waldbrand in dem des Feuers, so ist bei "Miroirs No. 3" der Bezug zur Luft weniger ersichtlich. Vielmehr führt der Titel zu Maurice Ravels Klavierstück "Une barque sur l’océan" ("Eine Barke auf dem Ozean"), das zu dessen Zyklus "Miroirs" gehört.


Wie eine Barke isoliert auf dem Ozean schwimmt, so scheinen nämlich auch die Figuren den Bezug zur Welt und zum Leben verloren zu haben. Gleichzeitig verweist "Miroirs" aber auch auf die Spiegelbilder, mit denen Petzold immer wieder in seinen Filmen spielt. Durchzogen ist sein 19. Spielfilm so auch von Bildern und Motiven, die "Miroirs No. 3" förmlich mit seinen anderen Filmen zusammenzurren. Schon die ersten Einstellungen, in der die Klavierstudentin Laura, die zum vierten Mal von Petzolds Muse Paula Beer gespielt wird, auf einer Brücke und anschließend an einem Fluss steht, wecken so Erinnerungen an "Yella" (2007), in dem die Protagonistin mit ihrem Wagen von einer Brücke in einen Fluss stürzte.


Unglücklich wirkt die junge Frau, der auf dem Fluss vorbeifahrende Stand-up Paddler kann auch Assoziationen an den mythologischen Unterwelt-Fährmann Charon wecken. Abwesend wirkt sie bei der Fahrt mit ihrem Freund und zwei Bekannten in die Uckermark und will kurz nach Ankunft am Ziel schon wieder zurück in die Stadt.


Ihr Freund will sie mit dem roten Cabrio zum Bahnhof bringen, doch bei der Fahrt kommt es zum Unfall, der nur über die Tonspur vermittelt wird. Der Freund stirbt, Laura überlebt fast unverletzt und wird von Betty (Barbara Auer), die in der Nähe wohnt und als erste am Unfallort war, aufgenommen.


Wie Laura verloren wirkt, scheint auch Betty die Vergangenheit zu belasten. Gegenseitig stützen sie sich aber, wenn sie gemeinsam den Gartenzaun streichen. Langsam gewinnt aber auch ein dunkles Geheimnis Konturen, wenn Betty ihren Mann Richard (Matthias Brandt) und ihren Sohn Max (Enno Trebs) zum Essen einlädt und Laura für sie deren Lieblingsspeise Königsberger Klopse kocht. - So kommt sich die Familie über Laura langsam wieder näher, lösen sich Schmerz und Trauer und auch Laura selbst scheint zurück ins Leben zu finden.


Deutlich kleiner angelegt als andere Filme Petzolds ist "Miroirs No. 3", wirkt fast wie eine Fingerübung, besticht aber mit seiner meisterhaft elliptischen Inszenierung, bei der kein Bild zu viel ist, mit seinen hervorragenden Schauspieler:innen und mit der Sicherheit und Leichtigkeit, mit der der 65-jährige Deutsche diesen Sommerfilm vom ernsten Anfang zu zunehmend gelösterer und heiterer Stimmung führt.


Souverän verbindet Petzold auch das Luftig-Helle, das "Miroirs No. 3" durch die spätsommerliche Uckermark ausstrahlt, mit märchenhaften oder thrillerhaften Momenten. Großartig wird die scheinbar luzide und klare Oberfläche immer wieder mit Momenten der Verunsicherung durchsetzt. Wie in "Yella", "Gespenster" (2005) oder "Phoenix" (2014) – und natürlich in Hitchcocks "Vertigo" (1958), den Petzold nach eigener Aussage mindestens 50 Mal gesehen hat – erscheint auch hier die Protagonistin als Wiedergängerin einer Toten.


Auch ist es nicht nur eine konkrete Szene, wenn Ehemann und Sohn eine Autowerkstatt führen und beim Besuch sofort einen tropfenden Wasserhahn und die Spülmaschine reparieren, sondern – ebenso wie ein defektes Fahrrad und ein verstimmtes Klavier - auch Metapher für die beschädigten Beziehungen und das aus dem Lot geratene Leben, die repariert werden müssen.


Während freilich in früheren Filme vom Post-Terroristen-Drama "Die innere Sicherheit" (2000) über "Wolfsburg" (2003) und "Jerichow" (2008) bis zur Anna-Seghers-Verfilmung "Transit" (2018) eine Unbehaustheit die Protagonist:innen, die praktisch durchgehend mit dem Auto unterwegs waren und in ihm förmlich zu wohnen schienen, kennzeichnete, ist in "Roter Himmel" und "Miroirs No. 3" jeweils ein Haus auf dem Land zentraler Schauplatz. Gleichzeitig sind mit der Autowerkstatt aber doch immer noch das Autoland Deutschland und die Mobilität präsent.


Wichtigere Rolle spielt aber das Fahrrad, mit dem Laura wie die Protagonistinnen im DDR-Drama "Barbara" (2012) und in "Roter Himmel" die Provinz erkundet und von Bettys Haus zur Autowerkstatt fährt. Die Distanz zwischen den beiden Schauplätzen steht dabei auch für die Distanz im Leben, aber auch für die Verbindung, die Laura mit ihren Fahrten wieder herstellt.


"Miroirs No. 3" ist – wie alle Filme Petzolds – kein Film, der seine Kunst ausstellt, sondern besticht vielmehr durch die Fülle an feinen Details bis hin zur Musikauswahl, bei der neben Stücken von Ravel und Chopin auch die Pop Songs "The Night" von Frankie Valli and the Four Seasons und "You Go to my Head" von Mathilde Santing stehen. Vor allem aber ist es in seinen Bildern und Motiven ein unverkennbares Werk von Christian Petzold, der sich einerseits treu bleibt, dessen Filme nach seinen spröden Anfängen aber zunehmend leichter, sanfter und versöhnlicher werden.  



Miroirs No. 3 Deutschland 2025 Regie: Christian Petzold  mit: Paula Beer, Barbara Auer, Matthias Brandt, Enno Trebs, Philip Froissant, Victoire Laly Länge: 86 min.



Läuft derzeit in den deutschen und schweizer Kinos, z.B. im Skino Schaan und im Kinok St. Gallen. - Ab 7. November in den österreichischen Kinos.



Trailer zu "Miroirs No. 3"



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