Jay Kelly
- Walter Gasperi

- vor 8 Stunden
- 3 Min. Lesezeit

In Noah Baumbachs wehmütiger Tragikomödie stürzt George Clooney als alternder Hollywoodstar in eine Lebenskrise: Trotz großartiger Besetzung und stilvoller Inszenierung leidet diese Reflexion über den Preis von Ruhm und Karriere an mangelnder Auslotung des Themas.
In einer spektakulären Plansequenz, die Erinnerungen an den Auftakt von Klassikern wie Orson Welles´ "Touch of Evil" oder Robert Altmans "The Player" weckt, gleitet die Kamera von Linus Sandgren minutenlang durch ein Filmstudio, bis sie zum Hauptdarsteller Jay Kelly (George Clooney) kommt, der gerade seine Sterbeszene spielt.
Wie schon die Vorspanntitel mit ihrer geschwungenen Schrift eine Reminiszenz ans klassische Hollywood-Kino sind, so knüpft "Jay Kelly" auch mit diesem Einstieg an eine vergangene Kinotradition an. Wehmütig lässt Noah Baumbach nicht nur bald seinen Protagonisten sich an sein Leben erinnern, sondern er feiert auch das Hollywoodkino klassischer Schule. – Im Kino ist diese Netflix-Produktion aber nur kurz in Deutschland und der Schweiz zu sehen, nicht aber in Österreich, ehe sie ab Anfang Dezember weltweit zum Streamen angeboten wird.
Keine bissige Abrechnung mit dem Filmgeschäft, wie sie Vincente Minnellis "The Bad and the Beautiful" oder Billy Wilders "Sunset Boulevard" boten, ist diese Tragikomödie, sondern der Blick ist milde und sanft-ironisch. Weit mehr noch als die gespielte Sterbeszene machen dem Hollywoodstar Jay Kelly der reale Tod seines Mentors und Freundes (Jim Broadbent), der ihm vor 35 Jahren zum Durchbruch verhalf, und der Highschool-Abschluss seiner Tochter Daisy (Grace Edwards) sein eigenes Altern bewusst.
Aber auch die Begegnung mit einem Studienfreund (Billy Crudup), der ihm vorwirft, ihm einst seine Karriere und seine Freundin gestohlen zu haben, löst beim gefeierten Star Erinnerungen aus. Mehrfach taucht er physisch in die Vergangenheit ein, sieht sein jugendliches Ich beim ersten Vorsprechen oder beim Dreh einer Filmszene mit einer seiner späteren Frauen ebenso wie ein in Streit endendes Treffen mit seiner zweiten Tochter.
Wie das dem Film vorangestellte Sylvia-Plath-Zitat „Es ist eine verdammte Verantwortung, man selbst zu bleiben. Es ist einfacher, jemand anderes zu sein oder überhaupt niemand“ schon signalisiert, wird Kelly sich bewusst, dass er immer Rollen spielte, aber sich selbst darüber verlor. Zweifel an seinen Lebensentscheidungen kommen so auf: Hätte er sich mehr um seine Töchter und Freundschaften kümmern sollen als um seine Karriere?
Um seiner Tochter Daisy, die vor Beginn ihres Studiums noch mit Freund:innen eine Europareise unternimmt, wenigstens noch kurze Zeit nahe zu sein, beschließt er so, ihr heimlich nach Paris und in die Toskana zu folgen. Selbstverständlich ist der Star dabei nicht allein unterwegs, sondern wird von seiner gesamten Entourage, vor allem von seinem Agenten und Manager Ron (Adam Sandler), seiner PR-Beraterin Liz (Laura Dern) und seinem Bodyguard begleitet.
Amüsant macht sich Baumbach dabei über Star-Verehrung lustig, wenn diese Truppe nicht abgeschottet, sondern mit anderen Reisenden mit dem Zug in der zweiten Klasse durch Europa fährt. Während die Fans nämlich ganz begeistert vom großen Star sind, fühlt sich dieser selbst gar nicht wohl. Dem glänzenden Bild von außen steht so sein bröckelndes Selbstbild gegenüber. Was nützt es, wenn die Fans mit Kellys Filmen ihr ganzes Leben verbinden, er selbst aber zunehmend seine innere Leere entdecken muss.
Diese Thematik verliert Baumbach aber immer wieder aus den Augen, vertieft sie nicht entscheidend, sondern scheint vielmehr die Reise zu benutzen, um europäische Klischeebilder von Paris und der lichtdurchfluteten Toskana zu präsentieren und um europäischen Stars wie Lars Eidinger und Alba Rohrwacher Kurzauftritte zu ermöglichen.
Bis in die Nebenrollen hinein großartig besetzt und elegant gefilmt ist "Jay Kelly" zwar und unterhält auch mit geschliffenen Dialogen, doch die Handlung plätschert mehr dahin, anstatt Nachdruck zu entwickeln. Wirklich bewegend wird diese sanfte Tragikomödie erst gegen Ende, wenn sich Kelly zunehmend seiner Einsamkeit bewusst wird und die Beziehung zu dem von Adam Sandler großartig gespielten Manger Ron, der sein Leben ganz in den Dienst des Stars stellte und in ihm immer auch einen Freund sah, Gewicht gewinnt und bei einer Preisverleihung mit Ausschnitten aus Clooneys eigenen Filmen Jay Kelly und dessen Darsteller gewissermaßen zur Deckung gebracht werden und auch Kino- oder Filmerinnerungen der Zuschauer:innen geweckt werden.
Jay Kelly
USA / Großbritannien 2025
Regie: Noah Baumbach
mit: George Clooney, Adam Sandler, Laura Dern, Louis Partridge, Billy Crudup, Isla Fisher, Stacy Keach, Alba Rohrwacher, Lars Eidinger
Länge: 132 min.
Läuft derzeit in den deutschen und Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.
Trailer zu "Jay Kelly"




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