Das Geheimnis von Velázquez – L´Énigme Velázquez
- Walter Gasperi

- 2Std.
- 3 Min. Lesezeit

Stéphane Sorlat zeichnet in seinem Dokumentarfilm nicht Leben und Schaffen des spanischen Malers Diego Velázquez nach, sondern spürt vielmehr mit Kommentaren von zahlreichen Expert:innen und Künstlern dessen Einfluss auf die europäische Kunstgeschichte nach.
Ungewöhnlich ist schon der Einstieg, wenn zu Bildern einer Waldlandschaft mit Bach aus dem Off eine Männerstimme über die Tendenz der späten Bilder von Diego Velázquez (1599 – 1660) zur Abstraktion spricht. Mit einem Schnitt entpuppen sich diese Ausführungen als Zitat aus Jean-Luc Godards "Pierrot le fou" ("Elf Uhr nachts"), sieht man doch nun Jean-Paul Belmondo, der in der Badewanne sitzend einem kleinen Mädchen aus dem Buch "L´histoire de l´art" des französischen Essayisten und Kunsthistorikers Élie Faure vorliest.
Wie Stéphane Sorlat hier auf einen Spielfilm zurückgreift, um die Bedeutung von Velázquez herauszustreichen, so setzt er in der Folge immer wieder schwarzweißes Archivmaterial ein, in dem unter anderem Salvador Dali, Francis Bacon, Marcel Duchamp und der Philosoph Michel Foucault ihre Bewunderung für den spanischen Maler zum Ausdruck bringen.
Um dem Geheimnis, das diesen Hofmaler und die über 200 Bilder, die er hinterließ, umgibt, auf die Spur zu kommen, lässt Sorlat zudem im neu gefilmten Material 22 weitere Personen von Malern, Kunsthistoriker:innen, einem Kurator und einer Restauratorin über einen Glasharmonikaspieler und eine Weberin bis zur Regisseurin Isabel Coixet und dem Künstler und Filmregisseur Julian Schnabel zu Wort kommen.
Alle schwärmen von der Einzigartigkeit und der herausragenden Bedeutung dieses Künstlers, doch als Zuschauer:in wird man förmlich erschlagen von den dicht hereinprasselnden kurzen Statements. Keine Luft zum Atmen lässt dieser Dokumentarfilm, unmöglich ist es die Anmerkungen in ihrer Fülle wirklich aufzunehmen und klug wäre es wohl gewesen den einzelnen Szenen mehr Zeit und Raum zu lassen.
Statt an den Texten kleben zu bleiben, die gegen Ende doch affirmativ und redundant den Porträtierten feiern, sollte man sich deshalb auf die Bilder selbst einlassen. Nur sehr fragmentarisch bietet Sorlat nämlich mittels Vincent Lindon als Erzähler Einblick in die Biographie von Velázquez mit einer prägenden Kindheit im multikulturellen Sevilla und früher Heirat mit der Tochter seines Lehrers.
Der Fokus liegt vielmehr einerseits auf den Einflüssen, die Velázquez prägten, und andererseits auf seiner herausragenden Bedeutung für die europäische Kunstgeschichte. Aufregend macht so das Bild eines jungen Mädchens in Gegenüberstellung mit da Vincis "Mona Lisa" Ähnlichkeiten sichtbar, während andererseits die Beeinflussung moderner Maler ebenfalls durch Gegenüberstellung von Gemälden plastisch vermittelt wird. Sichtbar werden so die Parallelen zwischen einem Bild von Velázquez und einem impressionistischen Gemälde Manets, der den Spanier als "Maler der Maler" verehrte, während der Ire Francis Bacon dessen Porträt von Papst Innozenz X. in einer Serie schreiender Päpste neu interpretierte und Pablo Picasso sich in einer Serie von 58 Bildern mit dem Meisterwerk "Las Meninas" auseinandersetzte.
Dieses sowohl berühmteste als auch rätselhafteste Gemälde des Spaniers nimmt den größten Raum in "Das Geheimnis des Velázquez" ein, doch Sorlat bietet auch Einblick in Velázquez´ Porträtkunst, bei der er mit leerem Hintergrund mit Konventionen brach und den Fokus ganz auf die dargestellte Person lenkte. Immer wieder wird im Blick auf diese Gemälde, in denen Spiegel eine zentrale Rolle spielen, aber auch thematisiert, dass weniger die Betrachter:innen auf das jeweilige Bild schauen als vielmehr die Figuren des Bildes auf die Betrachter:innen.
So reich sind diese Kunstwerke, dass es sinnvoller gewesen sich auf einzelne wie "Las Meninas", "Las Hilanderas" ("Die Spinnerinnen") oder "La Venus del Espejo" ("Venus vor dem Spiegel") zu beschränken und diese intensiver zu analysieren als einen Bogen durch das Werk von Porträts bis zum historischen Gemälde "Las Lanzas" ("Die Übergabe von Breda") zu spannen. Wie bei den Ausführungen der Expert:innen und Künstler:innen fliegt so vieles nur vorüber, bleibt aber nicht wirklich haften.
Aber eines erreicht dieser Dokumentarfilm, der entgegen möglichen Erwartungen aufgrund des Titels das Geheimnis um Velázquez erfreulicherweise nicht lüften kann, sicherlich: Mit dem Eintauchen in die rätselhafte Welt des spanischen Malers und der Aufdeckung der vielfältigen kunstgeschichtlichen Querverbindungen weckt "Das Geheimnis von Velázquez" große Lust auf einen Museumsbesuch und auf ein intensives Studium dieser Meisterwerke der europäischen Kunstgeschichte.
Das Rätsel von Velázquez - L’Énigme Velázquez
Frankreich 2025
Regie: Stéphane Sorlat
Dokumentarfilm mit Javier Portús, Xavier Albertí, David Pullins, Julian Schnabel, Isabel Coixet
Länge: 90 min.
Läuft jetzt in den deutschen und Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan. - Ab 25.12. in den österreichischen Kinos
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 25.2., 18 Uhr + Do 26.2., 19.30 Uhr
Trailer zu "Das Geheimnis von Velázquez – L´Énigme Velázquez"




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