Bradley Cooper interessiert sich in seinem Biopic über Leonard Bernstein mehr für dessen Ehe mit Felicia Montealegre als für dessen künstlerisches Schaffen. Über die sprunghafte Erzählweise können aber auch die großartigen schauspielerischen Leistungen von Cooper und Carey Mulligan nicht hinwegtäuschen.
Nach seinem Remake von "A Star Is Born", in dem Lady Gaga ein starkes Leinwanddebüt gab, widmet sich der Schauspieler Bradley Cooper in seiner zweiten Regiearbeit dem legendären amerikanischen Dirigenten und Komponisten Leonard Bernstein (1918 – 1990), der nicht nur "West Side Story" schuf, sondern auch für Musicals wie "On the Town" verantwortlich zeichnet.
Ursprünglich sollte Martin Scorsese diesen Film inszenieren, sagte aber ab, als er die Gelegenheit bekam "The Irishman" zu realisieren. Danach kam Steven Spielberg ins Spiel, der nach seinem Remake von "West Side Story" auch "Maestro" inszenieren wollte und Bradley Cooper die Hauptrolle anbot. Beeindruckt von dessen Regiedebüt überließ er Cooper aber auch die Regie, fungiert aber nun ebenso wie Scorsese als einer der Produzenten.
Cooper interessiert sich aber weniger für das künstlerische Schaffen Bernsteins als vielmehr für dessen Privatleben. So setzt der Film auch mit einem Fernsehinterview ein, in dem sich der am Klavier sitzende Musiker vor allem an seine verstorbene Frau Felicia Montealegre (1922 – 1978) erinnert.
Ist diese schmale Rahmenhandlung, die letztlich nicht viel bringt, in Farbe und Breitwand gefilmt, so soll die Binnenerzählung mit klassischem 4:3 Academy Format und Schwarzweiß in den bis etwa Mitte der 1950er Jahren spielenden Szenen und erst danach Farbe in die vergangene Zeit versetzen.
Fulminant ist der Auftakt der den Film umspannenden Rückblende, wenn Bernstein, der mit einem jungen Mann im Bett liegt, einen Anruf erhält, in dem er gebeten wird, für den erkrankten Dirigenten Bruno Walter ohne Probe bei einem Konzert in der Carnegie Hall einzuspringen. In furioser Plansequenz folgt die Kamera in Vogelperspektive von Bernsteins Zimmer durch zahlreiche Gänge – völlig irreal – bis in die Carnegie Hall und endet mit dem triumphalen Applaus nach dem Konzert.
So wenig dieser Karrierestart zeitlich durch ein Insert datiert wird (14.11. 1943), so wenig setzt Cooper in der Folge Inserts ein. Angesichts der elliptischen – oder man könnte auch sagen: sprunghaften – Erzählweise ist es so nicht immer leicht den Überblick zu bewahren, denn in der Fokussierung auf Bernstein und seine Frau, fließen auch keine anderen historischen Ereignisse ein, um die Handlung zeitlich verankern zu können.
Bald lernt der Musiker jedenfalls die aus Chile stammende Felicia Montealegre kennen, heiratet sie (1951) und bekommt mit ihr drei Kinder. Seine homosexuelle Orientierung bringt Cooper nicht nur in der Auftaktszene ins Spiel, sondern auch bei einer Szene des Seemänner-Musicals "On the Town". Blickt Bernstein zunächst lüstern auf die Tänzer und ihre Bewegungen, so mischt er sich bald selbst unter sie und lässt auch mit Berührungen sein Begehren spüren.
Felicia entdeckt zwar bald nach der Hochzeit die Homosexualität ihres Mannes, bleibt aber auch wegen der gemeinsamen Kinder bei ihm. Erst als sie ihn in den frühen 1970er Jahren während einer Party mit dem jungen Tom Coltran erwischt, setzt sie ihn vor die Tür. Zumindest in der Dramaturgie des Films versöhnen sie sich aber nur wenig später wieder.
Visuell gibt es an "Maestro" nichts auszusetzen. Die Kameraarbeit von Matthew Libatique versetzt, unterstützt von sorgfältiger Ausstattung und Kostümen, mit großartigen Schwarzweißbildern ebenso stimmig in die 1940er und frühen 1950er Jahre wie die Farbbilder in die folgenden Dekaden.
Beeindruckend sind auch die schauspielerischen Leistungen von Carey Mulligan und Cooper, der durch die Künste des Maskenbildner Kazu Hiro Bernstein in allen Altersstufen verblüffend ähnlich sieht. Neben der äußeren Ähnlichkeit besticht Cooper aber auch vor allem bei seinen Auftritten als Dirigent. Wie er bei einem legendären Konzert in der Kathedrale im britischen Ely mit vollem Körpereinsatz Mahlers 2. Sinfonie dirigiert, beeindruckt auch deshalb, weil diese Szene in einer ungeschnittenen, mehrminütigen Einstellung gefilmt ist.
Immer wieder sind es vor allem gegen Ende diese langen Einstellungen, in denen "Maestro" Intensität und Kraft entwickelt. Der Bogen spannt sich dabei von einem langen Ehestreit, während dem vor dem Fenster Wagen eines Thanksgiving-Umzugs vorbeifahren, über die Krebsdiagnose von Felicia bis zu ihrem langsamen Sterben.
Eine große Rolle bietet so "Maestro" auch Carey Mulligan als Felicia, die als treibende und lenkende Kraft hinter dem Musiker gezeichnet wird, und die Cooper mit seinem Film aus dem Schatten holt und ihr kaum weniger ein Denkmal setzt wie dem berühmten Musiker. Tritt sie zunächst mit jugendlichem Schwung und Unbekümmertheit auf, so wandelt sie sich zur Ehefrau und Mutter, die die Familie zusammenhält, und berührt und bewegt schließlich mit ihrer schweren Erkrankung.
Aber auch die Stärke einzelner Szenen kann letztlich nicht über die Zerrissenheit dieses Films hinwegtäuschen. Im Bemühen die Handlung über einen Zeitraum von über drei Jahrzehnte zu spannen, zerfällt dieses Biopic in seiner sprunghaften Erzählweise in einzelne Szenen, doch ein echter Erzählfluss stellt sich erst gegen Ende ein.
Maestro USA 2023 Regie: Bradley Cooper mit: Bradley Cooper, Carey Mulligan, Matt Bomer, Vincenzo Amato, Greg Hildreth, Michael Urie, Brian Klugman, Nick Blaemire Länge: 129 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.
Trailer zu "Maestro"
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