top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Knock at the Cabin


Im 13. Spielfilm von "The Sixth Sense"-Regisseur M. Night Shyamalan bedrohen zwei Männer und zwei Frauen eine Kleinfamilie in einem Waldhaus: Was als Home-Invasion-Thriller beginnt, entwickelt sich zu einem apokalyptischen Film mit reaktionärer Botschaft.


Das Übernatürliche oder Irrationale spielte im Werk von M. Night Shyamalan schon immer eine große Rolle gespielt. In "The Sixth Sense" (1999) sieht ein Junge tote Menschen, in "Signs" (2004) irritierten riesige Kreise in einem Maisfeld einen Farmer, in "Das Mädchen aus dem Wasser" (2006) begegnete ein Hausmeister einer Art Nixe und in "Glass" (2018) behandelte eine Therapeutin in einer psychiatrischen Klinik drei Männer, die glauben über übermenschliche Kräfte zu verfügen.


Während Shyamalans Mystery-Thriller "Old" an einem Traumstrand spielte, ist der einzige Schauplatz seiner Verfilmung von Paul Tremblays 2018 als E-Book erschienenem Bestseller "The Cabin at the End of the World" ein Wald und ein Blockhaus. Hier verbringt die achtjährige Wen (Kristen Cui) mit ihren beiden schwulen Adoptivvätern (Ben Aldridge und Jonathan Groff) die Ferien. Wenn sie durch den Wald streift, Grashüpfer fängt und in einem Glas sammelt, um sie zu studieren, sie aber immer liebevoll behandelt, verweist das schon auf die folgende Handlung. Denn bald wird die Kleinfamilie selbst quasi in so einem Glas sitzen und zu einem Versuchsobjekt von vier Menschen werden, die behaupten, es nur gut zu meinen und an die Allgemeinheit zu denken.


Das Bedrohliche bricht herein, als ein hünenhafter Mann (Dave Bautista) Wen anspricht. Das Mädchen reagiert zunächst zurückhaltend, doch dieser Leonard kann sie mit seiner Freundlichkeit für sich gewinnen. Wenig später greift er mit einem weiteren Mann und zwei Frauen, bewaffnet mit Äxten und Mistgabeln, aber das Haus an. Bald verschafft sich das Quartett Zutritt und fordert von Wen und ihren beiden Adoptivvätern, dass sie einen von ihnen opfern müssen, um die Welt zu retten. Selbstmord wird nicht akzeptiert, sie müssen selbst entscheiden, wen sie töten wollen.


An den griechischen Iphigenie-Mythos, den Yorgos Lanthimos filmisch zuletzt in "The Killing of a Sacred Deer" verstörend aktualisierte, erinnert diese Ausgangssituation. Gleichzeitig wird diese aber dadurch verschärft, dass bei zu langem Zögern der Familie die Aggressoren jeweils einen von sich selbst zum Tod bestimmen.


Wie die Familie werden auch die meisten Zuschauer:innen die Eindringline zunächst als religiöse Spinner abtun, doch sie unterstreichen ihre Warnung vor der nahenden Apokalypse mit TV-Berichten, in denen von Tsunamis, Seuchen und zahllosen Flugzeugabstürzen berichtet wird. Wie man "The Village" (2004) als Reflex auf die Terroranschläge von 9/11 lesen konnte, so verarbeitet Shyamalan hier die großen Katastrophen seit der Jahrtausendwende vom Tsunami in Südostasien 2004 über die Corona-Pandemie bis zu den wiederholten Terroranschlägen.


Mit diesen TV-Berichten holt er auch die Welt in die abgeschiedene Waldhütte, die der einzige Schauplatz von "Knock at the Cabin" ist. Einen starken Gegensatz baut er so mit den globalen Krisen und dem kammerspielartigen Charakter des Films auf. Der Welt und der gesamten Menschheit steht damit die Kleinfamilie gegenüber, gleichzeitig lässt er auch das Sendungsbewusstsein der Eindringlinge auf die Rationalität des schwulen Paares treffen.


Ganz so klar sind allerdings die Fronten nicht. Denn die Eindringlinge mögen zwar entschlossen bei ihrer Forderung bleiben, andererseits betonen sie nicht nur mit Verweis auf ihre Berufe als Grundschullehrer, Krankenschwester und Köchin ihre soziale und humanistische Grundeinstellung, sondern zeigen sich gegenüber der Familie auch immer wieder sehr fürsorglich. Weder sind sie hinter Geld her noch bereitet ihnen Gewalt Vergnügen. Ihr Auftrag, von dem sie bedingungslos überzeugt sind, ist ihnen und vor allem dem Lehrer Leonard vielmehr eine schwere Last.


Auch ihre Warnung vor der Apokalypse scheint bald kein Wahn mehr zu sein, sondern gewinnt Nachdruck durch die TV-Berichte. Zunehmend beklemmender wird so auch das Bild einer aus den Fugen geratenen Welt und einerseits erscheinen die vermeintlichen Spinner als hellsichtige Warner, andererseits gewinnt die Aufforderung zu Opferbereitschaft der Kleingruppe für das Wohl der Allgemeinheit an Nachdruck.


So reaktionär diese Botschaft vom Opfer des Einzelnen für die Allgemeinheit auch ist, so versteht es Shyamalan doch mit der Konzentration auf das Waldhaus, das nur bei einigen Rückblenden sowie den TV-Berichten verlassen wird, einem starken Sound-Design und extremen Großaufnahmen, die selten Überblick gewähren, zu verunsichern und meisterhaft Spannung zu erzeugen. Gleichzeitig tut man sich schwer diesen Film aufgrund seiner Verankerung in den realen Krisen des 21. Jahrhunderts sogleich wieder als Kinofiktion abzutun, sodass die Verunsicherung über das Filmende hinaus anhält.



Knock at the Cabin USA 2022 Regie: M. Night Shyamalan mit: Ben Aldridge, Jonathan Groff, Kristen Cui, Dave Bautista, Nikki Amuka-Bird, Abby Quinn, Rupert Grint Länge: 100 min.

Läuft jetzt in den österreichischen, deutschen und Schweizer Kinos.

Trailer zu "Knock at the Cabin"


bottom of page