top of page
AutorenbildWalter Gasperi

Old


Nach Pierre Oscar Lévys und Frederik Peeters´ Graphic Novel "Sandburg" erzählt M. Night Shyamalan von einem vermeintlichem Traumstrand, an dem die Menschen allerdings an einem Tag um 50 Jahre altern. Visuell gibt das Setting viel her, aber Figuren und Handlung des Mystery-Thrillers bleiben flach.


Das vermeintliche Paradies, das sich als Hölle entpuppt, ist ein beliebtes Motiv von dystopischen Filmen. Auch M. Night Shyamalan, der vor gut 20 Jahren mit "The Sixth Sense" einen Welterfolg landete, daran aber nie mehr wirklich anknüpfen konnte, arbeitet mit diesem Grundmuster.


Ein Traumurlaub erwarten sich der Versicherungsmathematiker Guy (Gael Garcia Bernal) und seine als Museumskuratorin arbeitende Frau Prisca (Vicky Krieps), als sie mit ihrem sechsjährigen Sohn und ihrer elfjährigen Tochter im Ferienresort einchecken. Zuvorkommend werden sie auch begrüßt und am nächsten Tag soll sie ein Mitarbeiter des Hotels an einen ruhigen Strand in einem Naturreservat bringen, zu dem der Zugang offiziell verboten ist.


Im Rover findet sich dann zwar ein weiteres Paar mit Großmutter und Tochter, doch diese sollten die Idylle nicht stören. Zu Fuß geht es durch eine kleine Schlucht an den Traumstrand, der von hohen Felsen begrenzt wird. Visuell geben das türkisfarbene Meer, die rotbraunen Felsen und der blaue Himmel einiges her und Kameramann Mike Gioulakis versteht es diese Kulisse auch ausgiebig ins Bild zu rücken. Gefunden hat Shyamalan diese auf der Dominikanischen Republik, die Felsküste wurde allerdings am Computer ergänzt.


Überraschend taucht noch ein weiteres Paar auf und, ehe man sich an Sonne, Wasser, Strand erfreuen kann, bekommt das Bild vom Paradies auch schon Risse. Denn da entdeckt Guys und Priscas Sohn zunächst eine Leiche, dann müssen die Eltern feststellen, dass ihre Kinder rasend schnell altern. Bald sind sie Teenager und auch eine Schwangerschaft stellt sich ein, die förmlich in Zeitraffer abläuft, bis auch die Erwachsenen ihren eigenen rapiden Alterungsprozess wahrnehmen: Die Schönheit eines jungen Starlets verfliegt, bei Guy stellen sich Sehprobleme, bei Prisca Schwerhörigkeit ein.


Ein philosophischer Film über (Lebens)Zeit und übers Altern hätte das werden können. In diese Richtung deutet auch der Auftakt, wenn die Kinder davon träumen doch älter zu sein, es nicht erwarten können in der Hotelanlage anzukommen und Mutter Prisca sie auffordert doch aus dem Fenster zu schauen und den Augenblick zu genießen. Auch mit den Berufen des Paares als Versicherungsmathematiker, der immer zukünftige Ereignisse zu berechnen versucht, und Museumskuratorin, die sich mit der Vergangenheit beschäftigt, wird indirekt das Thema Zeit ins Spiel gebracht, doch letztlich interessiert sich Shyamalan für diese Ebene recht wenig.


Denn ist auf der Insel die schreckliche Wahrheit mal erkannt, geht es nur noch darum von diesem Ort zu flüchten. Spannungen entwickeln sich dabei innerhalb der Gruppe, die nicht nur ausgewogen multiethnisch, sondern neben der Familie mit Arzt, Psychologin und Krankenpfleger auch sehr klischeehaft zusammengesetzt ist. Schwer nachvollziehbar ist bald vor allem die Wandlung des Arztes, Kitsch pur ist die schwierige Ehegeschichte von Guy und Prisca, und die Schwäche der Dialoge zeigt sich vor allem, aber nicht nur bei den Tipps der Psychologin.

Möglichst schnell will man weg, aber Handyempfang gibt es – wie in solchen Filmsituationen üblich – an diesem Strand nicht. Offen stehen nur Meer und Felswand. Wie nicht anders zu erwarten wird die Gruppe bei den diversen Fluchtversuchen nicht anders als bei Krimis, bei denen sich eine Gruppe in einem abgeschiedenen Landhaus befindet, sukzessive dezimiert und auch interne Konflikte bleiben nicht folgenlos. Flach bleibt freilich die Handlung mit dieser Fokussierung auf der Flucht und statt plastische Charaktere zu zeichnen setzt Shyamalan lieber auf Action, bei der gegen Ende auch Splatter-Momente nicht fehlen.


Mit der dynamischen Kameraarbeit, mit dem Spiel mit Unschärfen und dem Wechsel zwischen Landschaftstotalen und extremen Großaufnahmen, in denen die Alterung der Figuren sichtbar wird, wird "Old" zwar am Laufen gehalten, doch wirklich packend wird dieser Mysterythriller kaum. Nicht fehlen darf der finale Twist, für den der 51-jährige indischstämmige Amerikaner berühmt ist. Überraschend kommt dieser hier allerdings kaum, denn nachdem man schon bald auf den Klippen Lichtsignale und später auch einen Mann gesehen hat, kann man schon in etwa ahnen, wer und was hinter dem tödlichen Strandabenteuer steckt.


Zwar kein Totalversager ist "Old", dessen Trailer schon fast den gesamten Inhalt preisgibt, so insgesamt, bleibt aber doch weit hinter den Möglichkeiten zurück, die im Stoff und der vom Papier her großartigen Besetzung stecken. Denn insgesamt wird zwar eine visuell prächtige Verpackung geboten, doch dahinter verbirgt sich leider nur eine große Leere.


Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems


Wer mehr über das Schaffen M. Nights Shyamalan wissen möchte, dem sei eine neue Monographie empfohlen: Adrian Gmelch, Die Neuerfindung des M. Night Shyamalan. Wie sich ein eins gefeierter Filmemacher zurück an die Spitze kämpft, Büchner Verlag, Marburg, 326 S., 29 Euro, ISBN 978-3-96317-260-1


Trailer zu "Old"


Comments


bottom of page