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  • AutorenbildWalter Gasperi

Hors-Saison – Zwischen uns das Leben

15 Jahre nach ihrer Trennung begegnen sich ein Mann und eine Frau in einer kleinen bretonischen Küstenstadt wieder: Die Ausgangssituation klingt altbekannt, doch Stéphane Brize macht mit Feingefühl und den zwei großartigen Hauptdarsteller:innen Guillaume Canet und Alba Rohrwacher daraus ein leises, an Zwischentönen reiches, ebenso tiefschürfendes wie leichtes Liebesdrama.


Schon mit der Tragikomödie "Je ne suis pas là pour être aimé" (2005), in dem ein verknöcherter Gerichtsvollzieher langsam wieder Lebensfreude entwickelt, bewies Stéphane Brizé, mit wie viel Feingefühl er zu erzählen und wie sicher er die Balance zwischen Gefühl und leisem Witz zu halten vermag. Es folgte mit "Mademoiselle Chambon" (2009) ein berührender Liebesfilm, in dem sich ein Familienvater in die Grundschullehrerin seines Sohnes verliebt. Der Clou dabei war, dass die Liebenden von Vincent Lindon und Sandrine Kiberlain gespielt wurden, die selbst ein Paar waren, sich aber während der Dreharbeiten schon getrennt hatten.


Ganz andere Töne schlug Brizé danach mit der Trilogie "La loi du marché" ("Der Wert des Menschen", 2015), "En guerre" (Streik, 2018) und "Un autre monde" (2021) an, in der er von Arbeitslosigkeit, Arbeitskampf um Erhaltung einer Fabrik und einem zwischen Führungsetage und Arbeiterschaft zerrissenen Manager erzählte. Aber auch diese Filme bestachen durch den genauen Blick, herausragende schauspielerische Leistung von Vincent Lindon und mitreißende Inszenierung.


Mit "Hors-Saison – Zwischen uns das Leben" kehrt Brizé nun gewissermaßen zu "Mademoiselle Chambon" zurück. Gesellschaftspolitik bleibt ausgeklammert, der Fokus liegt ganz auf den beiden Protagonist:innen und ihrer Beziehung, die Handlung beschränkt sich auf etwa eine Woche, einziger Schauplatz ist eine kleine bretonische Küstenstadt in der Nachsaison.


Hierher reist der gefeierte Filmschauspieler Mathieu (Guillaume Canet), um sich in einem Wellnesshotel bei einer Thalasso-Therapie zu erholen. Der Grund für seine Krise ist ein gescheitertes Theaterprojekt. Mit etwa 50 wollte er sich nämlich nun auch als Bühnenschauspieler beweisen, sprang aber vom Projekt vier Wochen vor der Premiere ab.


Per Handy muss er sich jetzt schwere Vorwürfe des Autors anhören, da er mit seiner Aktion die ganze Theatertruppe im Stich gelassen habe. Sichtlich Schuldgefühle quälen ihn, auch seine Frau kann ihm diese nicht nehmen, wenn sie bei einem Anruf die Bedeutung seines Absprungs herunterspielt.


Viel Zeit lässt sich Brizé, um Mathieus Verunsicherung und Ängste zu vermitteln. In Totalen lässt er ihn am herbstlich-rauen Atlantikstrand spazieren, im sterilen Wellnesshotel im Zimmer herumsitzen oder seine Behandlungen konsumieren. Sein angeschlagener Zustand, der auch durch die Dominanz von blassen Farbtönen stimmungsvoll vermittelt wird, steht im Kontrast zu seinem Image als erfolgreicher Schauspieler, der immer wieder auf seine Filme angesprochen oder um Selfies gebeten wird.


Trotz allem löst diese Schilderung beim Publikum aber keine Niedergeschlagenheit aus, denn durch feine Komik werden die Szenen immer wieder aufgelockert. Mit der Tücke des Objekts arbeitet Brizé dabei ebenso, wenn Mathieu Probleme mit einer hypermodernen Kaffeemaschine hat wie mit der Schwierigkeit sich von modernen Massage-Geräten zu befreien.


Bewegung kommt in diese Monotonie, als sich mit Alice (Alba Rohrwacher) eine Frau meldet, mit der Mathieu vor 15 Jahren eine Beziehung hatte. In eine schwere Depression stürzte sie damals die schroffe Trennung, nun lebt sie mit Mann und Tochter in der Küstenstadt.


Unsicher verläuft noch das erste Treffen, doch bald ist wieder die alte Vertrautheit da und in den Gesprächen arbeiten sie ihre damalige Beziehung und Trennung auf. Steht so zunächst Mathieu im Zentrum, gewinnt zunehmend Alice an Gewicht.


Nichts Spektakuläres passiert und Brizé dramatisiert auch nicht durch die Inszenierung. Unauffällig begleitet er seine beiden Protagonist:innen, lässt ihnen in langen Einstellungen viel Zeit und Raum. Einblick kann so Alice in den einstigen Trennungsschmerz bieten, aber auch die verpassten Chancen werden aufgearbeitet.


Getragen wird dieses leise und langsame Liebesdrama von den beiden großartigen Hauptdarsteller:innen Guillaume Canet und Alba Rohrwacher. Eindrücklich vermittelt Canet die Ängste dieses Mathieu, während bei Rohrwacher langsam das Aufflackern alter Gefühle und die Zerrissenheit zwischen Familie und dem Ex-Freund spürbar werden.


Zur Stimmigkeit des wunderbar zurückhaltend inszenierten Films trägt dabei auch wesentlich die Einbettung in das herbstliche Küstenambiente bei. In den gegen die Felsen brandenden Wellen des Atlantiks kann man eine Metapher für die erwachenden Gefühle sehen, der weitgehend leere Strand und der vorwiegend graue Himmel verstärken die Melancholie, die Mathieu und Alice umgibt.


Dennoch wird "Hors-Saison – Zwischen uns das Leben" nie zum schweren Drama, sondern bewahrt dank des Feingefühls und der Empathie Brizés sowie durch sein Gespür für leisen Witz immer Leichtigkeit, betrauert zwar das Verpasste und Missglückte, erzählt aber auch von Versöhnung und wie das Leben weitergeht.

  

 

Hors-Saison - Zwischen uns das Leben Frankreich 2023 Regie: Stéphane Brizé mit: Guillaume Canet, Alba Rohrwacher, Sharif Andoura, Marie Drucker, Emmy Boissard Paumelle, Lucette Beudin, Gilberte Bellus, Hugo Dillon, Stéphane Brizé Länge: 115 min.



Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn (Deutsche Fassung) und im Kinok St. Gallen (O.m.U.). TaSKino Feldkirch im Kino GUK: 16. bis 19.5.



Trailer zu "Hors-Saison - Zwischen uns das Leben"





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