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  • AutorenbildWalter Gasperi

En guerre - Streik


Mit dokumentarischem Gestus erzählt Stéphane Brizé in seinem achten Spielfilm von streikenden Arbeitern, die gegen die drohende Schließung des Werks eines Autozulieferers und den Verlust ihres Arbeitsplatzes kämpfen. – Mitten drin ist der Zuschauer, wenn die unterschiedlichen Positionen aufeinanderprallen, die Arbeiter gegeneinander ausgespielt werden und Gier über Moral siegt.


Das fälschlicherweise Bertold Brecht zugeschriebene Zitat „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren" hat Stéphane Brizé seinem Film vorangestellt. Mit einer Nachrichtensendung über den Streik von 1100 Arbeitern gegen die Schließung eines Werks eines Automobilzulieferers im südfranzösischen Agen wirft er den Zuschauer mitten hinein in einen solchen erbitterten Kampf. – Das folgende Insert des Titels „En guerre“ macht deutlich, dass hier ein Krieg geführt wird. Mehrfach wird Brizé noch solche Nachrichtensendungen einschneiden, die Hintergrundinformationen liefern, im Zentrum steht aber die Konfrontation der Arbeitnehmer mit den Arbeitgebern.


Identifikationsfigur ist der von Vincent Lindon gespielte charismatische Gewerkschaftsführer Laurent, der Großteil des restlichen Casts sind dagegen Laien: Arbeiter, Angestellte, politische Funktionäre, der Firmenchef wird von einem Anwalt gespielt.


Durch die Nähe der Kamera und die heftigen Rededuelle macht Brizé den Ernst und die Unerbittlichkeit dieses Arbeitskampfes erfahrbar. Auf der einen Seite kämpfen die Arbeiter um ihre Existenz, auf der anderen Seite steht der Arbeitgeber, der von fehlender Wettbewerbsfähigkeit spricht.


Die Position von Brizé ist klar, denn die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit präsentiert er als Täuschung, wenn Laurent darauf hinweist, dass das Werk im letzten Jahr 14 Millionen Euro Gewinn gemacht habe. Doch nicht genug damit bricht das Unternehmen auch eine Vereinbarung, die vor zwei Jahren geschlossen wurde, um angeblich die Arbeitsplätze zu sichern. Im Detail rechnen die Arbeiter der Geschäftsführung vor, wie viel sie gespart haben, indem die Arbeiter in den letzten zwei Jahren zwar wöchentlich 40 Stunden arbeiteten, aber nur für 35 Stunden bezahlt wurden, und zudem auf Prämien verzichteten. – Die Aktionäre strichen dagegen hohe Dividenden ein.


Nun aber will sich das Unternehmen nicht mehr an diese Vereinbarung halten. Der Boss ist lange nicht greifbar, ist das Werk doch Teil eines deutschen Konzerns. Den Prozess gegen die Schließung der Fabrik wegen Bruchs der Vereinbarung verlieren die Arbeitnehmer und versuchen über die Politik ihre Ziele zu erreichen.


Das Unternehmen freilich redet sich darauf hinaus, dass man nicht selbst agiere, sondern der Markt die Schließung des Werks erzwinge, und hintertreibt alle Bemühungen die Schließung und die damit verbundenen Entlassungen zu verhindern. Brizé knüpft damit direkt an seinen vorletzten Film „La loi du marché“ („Das Gesetz des Marktes“ – deutscher Titel: „Der Wert des Menschen“) an, in dem Lindon als Arbeitsloser sich mit zunehmender Verzweiflung um einen Job bemühte.


Abgesehen von drei kurzen Szenen zu Laurents Privatleben, bei denen die baldige Geburt eines Enkels im Zentrum steht, konzentriert sich Brizé ganz auf den Arbeitskampf. Anstrengend kann das in den hitzigen und langen Rededuellen werden, kaum eine Ruhepause gönnt der schier atemlose Film, der in nur 23 Tagen gedreht wurde, dem Zuschauer, wirkt wie ein ständig beinahe überkochender Topf.


Aber wie der Franzose in seinem dokumentarischen Gestus, in seiner kompromisslosen Inszenierung die gegensätzlichen Positionen aufeinanderprallen lässt und wie er den verzweifelten Existenzkampf auf der einen Seite und die Gier des Unternehmens, das sich einzig dem Profit und den Dividenden der Aktionäre verpflichtet fühlt, aufeinanderprallen lässt, packt und macht diesen zermürbenden und verzweifelten Kampf hautnah erfahrbar. Nicht zuletzt diese bewusst schmucklose Form, die bedingungslose Konzentration auf das Thema verleiht „Streik“ seine Dringlichkeit und Durchschlagskraft.


Da mag auch mit der Geburt des Babys die Einsicht aufschimmern, dass es auch noch etwas anderes als den Job gibt – oder aber auch die Frage, in welche Welt dieses Kind geboren wird -, aber das letzte Wort ist mit dieser Geburt eben auch nicht gesprochen, sondern Brizé setzt noch einen dramatischen - und auch pathetischen - Schlussakzent, der alle betroffen zurücklässt und auch beim Zuschauer die Wut über die Rücksichtslosigkeit der Konzerne nochmals steigert.


TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Do 29.8., 20.30 Uhr; Fr. 30.8., 22 Uhr; Sa 31.8., 22 Uhr; Mo 2.9., 18 Uhr FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 23.10., 18 Uhr + Do 24.10., 19.30 Uhr


Trailer zu "En guerre - Streik"



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