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  • AutorenbildWalter Gasperi

Einsame Männer auf der Suche nach Erlösung: Die Filme von Paul Schrader


Paul Schrader (geb. 22.7. 1946)

Als Drehbuchautor von Martin Scorseses "Taxi Driver" und "Raging Bull" wurde Paul Schrader bekannt, mit "American Gigolo – Ein Mann für gewisse Stunden" landete er Anfang der 1980er Jahre einen großen Erfolg als Regisseur. Misserfolge fehlten in seiner Karriere nicht, große Beachtung fanden aber wieder seine letzten Filme "First Reformed" und "The Card Counter". Das Filmpodium Zürich widmet dem 76-jährigen Amerikaner derzeit eine Filmreihe.


Der Kinobesuch war Paul Schrader, der am 22. Juli 1946 in Grand Rapids, Michigan in eine streng calvinistische Familie holländisch-deutscher Abstammung hineingeboren wurde, in seiner Kindheit verboten. Erst mit 17 soll er seinen ersten Kinofilm gesehen haben. Er studierte zwar zunächst in seiner Heimatstadt am Calvin College, begann dann aber ein Filmstudium an der renommierten UCLA, der University of California, Los Angeles.


Er beschäftigte sich nicht nur ausführlich mit den Klassikern der Filmgeschichte, sondern begann auch, gefördert von der Grande Dame der amerikanischen Filmkritik Pauline Kael, Filmkritiken zu schreiben. Sein Artikel "Notes on Film noir" gehört ebenso zu den Standardwerken der Filmliteratur wie sein Essay "Transcendental Style in Cinema: Ozu, Bresson, Dreyer" (1972). Nahe fühlte er sich aufgrund seiner calvinistischen Sozialisation wohl diesen Minimalisten und strengen Stilisten des Kinos.


Kommt in seinem Drehbuch für Sidney Pollacks "Yakuza" (1974), das er zusammen mit seinem Bruder Leonard schrieb, aber danach von Robert Towne überarbeitet wurde, sein Interesse für eine ritualisierte Gesellschaft zum Ausdruck, so fand er in dem Jesuitenschüler Martin Scorsese einen kongenialen Partner. Mit Inbrunst erzählte Scorsese nach Schraders von persönlicher Erfahrung geprägtem Drehbuch zu "Taxi Driver" (1975) von Einsamkeit in der Großstadt, von Verlorenheit und der Sehnsucht nach Erlösung.


An die Stelle der gewalttätigen Explosion des Travis Bickle, der in einem Stundenhotel ein Blutbad anrichtet, um eine jugendliche Prostituierte zu retten, trat in dem Biopic "Raging Bull" (1980) die Implosion des Boxers Jake La Motta, dessen Persönlichkeit durch seinen gewalttätigen Sport zerstört wird. Einsamkeit umgibt auch den von Selbstzweifel gequälten Jesus in Scorseses Kazantzakis Verfilmung "The Last Temptation of Christ" (1988), zu dem Schrader ebenso das Drehbuch schrieb wie zehn Jahre später zu "Bringing Out the Dead" (1999). Statt eines Taxifahrers schickt hier das Duo einen ausgebrannten Krankenwagenfahrer durch die Straßen des nächtlichen New York.


An Hitchcocks "Vertigo" orientierte sich dagegen sein Drehbuch zu Brian De Palmas "Obsession" (1976), während er nach seinem Regiedebüt "Blue Collar" (1979, das kritisch auf die Arbeit der Gewerkschaften blickt, in "Hardcore" (1979) wiederum persönliche Erfahrungen verarbeitete.


Wie in "Taxi Driver" entführt Schrader den Zuschauer hier in die dunklen Regionen der Großstadt, wenn er einen calvinistischen Vater seine verschwundene Teenagertochter im Rotlichtviertel von Los Angeles suchen lässt. Im Gegensatz zu dieser düsteren Welt steht die Hochglanz-Oberfläche von "American Gigolo" (1980), in dem Richard Gere, der mit diesem Film zum Star wurde, einen High-Society-Gigolo spielt, der in einen Mordfall verwickelt wird.


Schrader entlarvt in seiner kühl-stilisierten Inszenierung nicht nur diese Welt des schönen Scheins, sondern zitiert in der Schlussszene auch explizit den Schluss von Robert Bressons "Pickpocket". Weniger gut kam dagegen sein Remake von Jacques Tourneurs subtilem Horrorfilm "Cat People" (1982) an. Während Tourneur nämlich den Schrecken durch Andeutungen evozierte, zeigte Schrader zu viel, andererseits durchzieht auch eine sexualfeindliche Haltung den Film.


Hochstilisiert – und darin wieder ganz in der Nachfolge von Dreyer, Bresson und Ozu – war wiederum "Mishima" (1985), in dem ausgehend vom letzten Tag im Leben des japanischen Schriftstellers Yukio Mischima (1925- 1970) in vier Kapiteln ein Porträt dieses umstrittenen Künstlers, der nach einem gescheiterten Putschversuch "seppuku" beging, gezeichnet wird.


Auch mit "Patty – Schreie im Dunkeln" (1988), in dem er die Geschichte der Millionärstochter Patty Hearst, die sich im Laufe ihrer Gefangenschaft zur Terroristin entwickelte, und der in Venedig-spielenden Ian McEwan-Verfilmung "The Comfort of Strangers" (1990) konnte er nicht reüssieren. Mehr Beachtung fanden die quälenden Porträts einsamer Männer, die er mit "Light Sleeper" (1991) und "Affliction" (1997) vorlegte.


Obwohl auch das Drama "Auto Focus" (2002), in dem Schrader sehr frei vom "Abstieg des gläubigen katholischen Familienvaters Bob Crane, der, durch seinen Erfolg als Hauptdarsteller der Fernsehserie 'Ein Käfig voller Helden' verführt, zu einem Sexsüchtigen wird und die Kontrolle über sein Leben verliert" (Wikipedia) erzählt, gute Kritiken erhielt, blieb das Publikum aus. Gleiches gilt auch für "Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected" (2008), in dem ein Holocaust-Überlebender in einem Sanatorium mit seinen Traumata ringt.


Noch weniger Glück hatte er mit seinem Prequel zu William Friedkins "Der Exorzist", denn seine Fassung von "Dominion: Exorzist – Der Anfang des Bösen" (2005) wurde vom Studio abgelehnt und von Renny Harlin praktisch komplett neu gedreht. Aber auch der Erotikthriller "The Canyons" (2013) fiel bei der Kritik durch, während "First Reformed" (2017) begeisterte Kritiken erhielt.


Mit großer formaler Konsequenz und Inbrunst erzählt Schrader in diesem bohrenden Drama in Schwarzweiß von einem Priester, der zunehmend mit der Welt hadert. Die Einsamkeit des Priesters erinnert dabei ebenso an Robert Bressons "Le journal d´un curé de campagne" wie an "Taxi Driver". Gleichzeitig ist der Film mit Fragen zum Umweltschutz und Widerstand der Zivilgesellschaft auch inhaltlich auf der Höhe der Zeit.


Nahtlos knüpft er dem Vernehmen nach mit seinem jüngsten Film "The Card Counter" an dieses Meisterwerk an. – Wie ein roter Faden zieht sich so das Ringen einsamer Männer mit sich selbst über mehr als 40 Jahre als Konstante durch das Werk des 76-Jährigen. Verwundern kann das freilich kaum, denn in diesen gequälten Protagonisten steckt immer auch ein gehöriges Maß von Schrader selbst.


Genauer Spielplan und nähere Informationen zu den einzelnen Filmen finden Sie hier.


Trailer zu "The Card Counter"



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