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Die jungen Wilden - The Young Savages (1961)

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi
Packendes Sozialdrama: John Frankenheimers "Die jungen Wilden"
Packendes Sozialdrama: John Frankenheimers "Die jungen Wilden"

Burt Lancaster versucht als Staatsanwalt im New York der frühen 1960er Jahre drei jugendliche Mörder auf den elektrischen Stuhl zu bringen. – Bei Explosive Media (Vertrieb: Plaion Pictures) ist John Frankenheimers packendes Sozialdrama auf DVD und Blu-ray erschienen.


Zusammen mit Sidney Lumet, Norman Jewison, Arthur Penn und Robert Altman zählt John Frankenheimer zu den Regisseuren, die in den späten 1950er Jahren übers Fernsehen zum Kinofilm kamen. Während sich Altman und Penn allerdings zehn Jahre später zu zentralen Vertretern des New Hollywood entwickelten, orientierten sich Lumet, Jewison und Frankenheimer am klassischen Hollywood, setzten aber statt auf Eskapismus auf Realismus.


Lumet wurde so zu einem Spezialisten des Gerichts- und Polizeifilms, Jewison übte Kritik am Rassismus im Krimi "In the Heat of the Night" (1967) und Frankenheimer legte politisches und soziales Engagement an den Tag. So thematisierte er in "Seven Days in May" (1964) die Möglichkeit eines Staatsstreichs in den USA und in "The Manchurian Candidate" ("Botschafter der Angst", 1962) kommunistische Unterwanderung und setzte sich im Gefängnisdrama "Birdman of Alcatraz" ("Der Gefangene von Alcatraz", 1962) mit dem Strafvollzug und Fragen der Resozialisierung auseinander.


Schon mit "Die jungen Wilden" (1961) begann seine Zusammenarbeit mit Burt Lancaster. In den folgenden Jahren führte diese zu "Birdman of Alcatraz" (1962), "Seven Days in May" (1964), "The Train" (1964), in dem es um NS-Kunstraub geht, sowie "The Gipsy Moths" ("Die den Hals riskieren", 1968), in dem mit der Geschichte um drei Kunstfallschirmspringer allerdings Action dominiert und soziale und politische Themen ausgespart bleiben.


Als Vorlage für "Die jungen Wilden" diente Ed McBains 1959 unter dem Pseudonym Evan Hunter veröffentlichter Roman "A Matter of Conviction ("Harlem Fieber"). Buch und Film wirken wie ein Gegenstück zu Leonard Bernsteins Musical "West Side Story", das im gleichen Jahr wie McBains Roman verfilmt wurde. Schauplatz ist in beiden Filmen New York und im Zentrum stehen jeweils Rassismus und Bandenkriege zwischen Jugendlichen unterschiedlicher ethnischer Herkunft.


Frankenheimer zieht mit einem unvermittelten Einstieg vom ersten Bild an das Publikum in seinen Film hinein. Sommeridylle evoziert zwar der Kauf eines Eises durch eine junge Puerto-Ricanerin, doch dieser kurzen Szene steht der entschlossene Gang von drei weißen Jugendlichen durch die Straßen gegenüber.


Ihre Aggression wird unmittelbar spürbar, wenn nicht nur die Kamera vor ihnen zurückweicht, sondern das Trio mit seiner durch nichts zu bremsenden Vorwärtsbewegung auch Autos zum Stehen bringt. Zielgerichtet gehen sie auf einen jungen Puerto-Ricaner los, stechen ihn nieder und fliehen, werden aber kurz darauf von der Polizei gefasst.


Oberstaatsanwalt Cole (Edward Andrews), der eine politische Karriere als Gouverneur anstrebt, betraut Staatsanwalt Hank Bell (Burt Lancaster) mit dem Fall. Beide streben eine Verurteilung der Jugendlichen als Mörder und deren Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl an. Cole glaubt mit diesem Urteil Wählerstimmen zu gewinnen, Bell dagegen ist überzeugt, dass der brutale Mord gesühnt werden muss. Während Bells Frau den Mord mit dem sozialen Milieu der Jugendlichen erklärt, ignoriert ihr Mann diese Argumentation, stammt er doch selbst aus diesem Milieu, hat es aber hinter sich gelassen.


Angerissen werden so die politische Instrumentierung eines Mordes ebenso wie Assimilierung und Identitätsverlust, wenn Bell seinen ursprünglichen Namen Bellini abgelegt und sich völlig in die amerikanische Mehrheitsgesellschaft integriert hat, um sozial aufzusteigen. Im Zentrum stehen aber die Recherchen dieses Staatsanwalts im Milieu der Jugendbanden.


Während die Zeichnung der Protagonist:innen schematisch ist, packt die Milieuschilderung durch ihre Differenziertheit. Gewaltbereitschaft und Aggression findet Bell hier sowohl bei den puerto-ricanischen als auch bei den italienischstämmigen Jugendlichen und rasch lösen sich die scheinbar klaren Grenzen von Gut und Böse zumindest teilweise auf.


Weniger als Täter als vielmehr als Opfer des Milieus erscheinen so die drei Angeklagten zunehmend und Kompensierung von Angst durch Gewalttaten, Überspielen von Minderwertigkeitskomplexen und falsche Loyalität treten als Auslöser für die Tat in den Vordergrund.


Große Dichte und Authentizität gewinnt die Milieuschilderung durch die ungeschönten Schwarzweißbilder von Kameramann Lionel Lindon, während die jazzige Musik von David Amram die aufgeladen-aggressive Stimmung verstärkt.


Zum klassischen Gerichtsfilm wandelt sich "Die jungen Wilden" erst in den letzten 30 Minuten. Nur geringfügig kann dabei das sentimentale Finale die Wirkung beeinträchtigen, denn haften bleibt doch vor allem die packende Schilderung des prekären sozialen Umfelds, das Jugendlichen kaum Chancen lässt und die Entwicklung von Verbrechen und Prostitution sehr begünstigt.


Auch dass sich Frankenheimer dabei ganz auf die Schilderung der Zustände beschränkt und keine Lösungen anbietet, muss man als Qualität ansehen, werden die Zuschauer:innen dadurch doch aufgefordert, sich selbst über Lösungen Gedanken zu machen.


An Sprachversionen bieten die bei Explosive Media (Vertrieb: Plaion Pictures) erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche und englische Untertitel. Die Extras beschränken sich auf eine Bildergalerie und Trailer zu weiteren Filmen dieses Labels.


Trailer zu "Die jungen Wilden - The Young Savages" (1961)



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