top of page

Der Gefangene von Alcatraz - Birdman of Alcatraz

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi
Burt Lancaster brilliert im Gefängnisfilm "Der Gefangene von Alcatraz"
Burt Lancaster brilliert im Gefängnisfilm "Der Gefangene von Alcatraz"

Der zu lebenslanger Haft verurteilte Robert Stroud (1890 – 1963) entwickelt sich im Gefängnis zum anerkannten Ornithologen. – Bei Pidax Film ist John Frankenheimers biographischer Gefängnisfilm, in dem Burt Lancaster in der Hauptrolle brilliert, auf DVD und Blu-ray erschienen.


Ein Vorspanninsert kündigt an, dass der Film auf wahren Begebenheiten beruht, und durch den Auftritt von Tom Gaddis (Edmond O´Brien), der eine Biographie über den Protagonisten Robert Stroud schrieb, soll der Eindruck von Authentizität verstärkt werden.


Am Pier von San Francisco stehend, informiert Gaddis mit Blick auf die berüchtigte Gefängnisinsel Alcatraz, dass der Mann, der 53 Jahre seines Lebens im Gefängnis saß, die meiste Zeit davon in Einzelhaft, und keine Kenntnis von der modernen Welt hat, nun von der Insel an Land gebracht werde.


Damit setzt eine Rückblende ein, bei der Gaddis immer wieder Ereignisse kommentieren oder raffen wird. Die Handlung spannt sich nämlich über fast 50 Jahre, bis der Film nach fast 150 Minuten zum Pier zurückkehrt und mit der Ankunft Strouds (Burt Lancaster), der in das Gefängnis von Springfield überstellt wird, und seiner Begegnung mit Gaddis endet.


Auftakt und Ende des Films sind zwei der ganz wenigen Szenen, die außerhalb eines Gefängnisses spielen. Schon mit Beginn von Gaddis´ Erzählung versetzt John Frankenheimer die Zuschauer:innen nämlich in die Welt von Häftlingen, die 1912 per Zug in das moderne Bundesgefängnis von Leavenworth / Kansas überstellt werden.


Als unberechenbar und cholerisch wird Stroud gezeichnet, aber auch seine intensive Mutterbeziehung wird spürbar, wenn er aggressiv auf jede Berührung eines Fotos von ihr reagiert. Aus der langjährigen Haftstrafe wegen Tötung einer Frau wird die Todesstrafe, als er in Wut einen Wärter tötet. Der Galgen wird schon vorbereitet, doch Strouds Mutter (Thelma Ritter) erreicht über die Gattin von Präsident Wilson, dass die Hinrichtung aufgehoben und in eine lebenslange Haft umgewandelt wird.


Aufrecht bleibt aber die Einzelhaft. Als Stroud bei einem Spaziergang im Gefängnishof ein Vogelküken findet, nimmt er es auf und pflegt es in seiner Zelle. Bald kommen weitere Vögel dazu, für die er nicht nur in geduldiger Handarbeit Käfige baut, sondern auch ein Medikament entwickelt, als sie an einem Fieber zu verenden beginnen.


Erzählen klassische Gefängnisfilme von Fluchtversuchen, Schikanen durch sadistische Wärter oder Auseinandersetzungen unter den Häftlingen, so fehlen diese Aspekte in "Der Gefangene von Alcatraz" weitgehend. Im Fokus steht die Wandlung Strouds vom unbeherrschten Gewalttäter zum sanftmütigen Menschen und großartigen Forscher, der sich autodidaktisch immenses Wissen erwirbt.


Kritisiert wurde dieses idealisierte Bild Strouds, in dem das Justizvollzugspersonal und seine Mithäftlinge in der Realität einen unberechenbaren und gefährlichen Psychopathen sahen. Von Anfang an stellt sich der Film aber auf die Seite seines Protagonisten, der schon durch die Besetzung mit dem Hollywoodstar Burt Lancaster einen Vertrauensvorschuss genießt. Beschönigt werden so wohl auch seine beiden Tötungsdelikte, die nicht als Mord, sondern als Totschlag im Affekt geschildert werden.


Ziel des Autors Gaddis und der Verfilmung von Frankenheimer ist es nämlich die Möglichkeit der Resozialisierung eines Verbrechers aufzuzeigen. Den Methoden des Gefängnisdirektors Schoemaker (Karl Malden), der glaubt den Willen der Häftlinge brechen und sie zu normierten Mitgliedern der Gesellschaft machen zu müssen, steht Strouds Position gegenüber. Dieser sieht im Agieren des Direktors den Hauptgrund für die hohe Rückfallquote von Häftlingen und stellt Schoemakers Vorgehen die positive Entwicklung der Individualität der Häftlinge und ihrer Fähigkeiten als Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Resozialisierung gegenüber.


Frankenheimer diskutiert diese Fragen aber nicht aufgesetzt, sondern verpackt sie in einen spannend inszenierten und großartig gespielten Gefängnisfilm. Spektakuläre Action ist hier nicht nötig, der Fokus liegt ganz auf den Interaktionen Strouds mit den verschiedenen Direktoren, seinem Wärter und seinem unmittelbaren Zellennachbarn (Telly Savalas) sowie auf seiner persönlichen Entwicklung. Aber auch die Dominanz seiner Mutter, die ihren Sohn ganz für sich will, wird sichtbar, als mit der Vogelkundlerin Stella (Betty Field) eine andere Frau in sein Leben tritt.


Fast dokumentarischen Charakter entwickelt "Der Gefangene von Alcatraz" durch die teilweise ebenso geduldige wie ausführliche Beobachtung, während andere Ereignisse wieder durch flüssige Montagesequenzen gerafft werden. Für atmosphärische Dichte sorgen dabei auch die gestochen scharfen Schwarzweißbilder von Kameramann Burnett Guffey, der immer wieder Gitter ins Bild rückt, die das Gefühl der Haft verstärken. Aber auch der reduzierte Einsatz der Musik von Elmer Bernstein überzeugt, denn gerade Momente der Stille entwickeln hier immer wieder große Intensität.


Die Vögel dienen Frankenheimer dabei auch als Metapher für Freiheit. Wie Stroud in seiner Zelle sind sie in ihren Käfigen gefangen und sein in der Zelle herangewachsener Spatz verzichtet auf ein Leben in der - auch gefährlichen - Freiheit zugunsten der sicheren Zelle.


So wirft der Film auch die Frage auf, ob nach langjähriger Haft überhaupt noch ein Leben in Freiheit möglich ist. Gleichzeitig zeigt er aber auch, wie ein Mensch trotz der räumlichen Begrenzung der Gefängniszelle und sehr reduzierter menschlicher Kontakte Großes erreichen und Erfüllung in seiner Leidenschaft finden kann.


An Sprachversionen bietet die bei Pidax Film erschienene Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Die Extras beschränken sich auf den originalen Kinotrailer und eine Bildergalerie.



Trailer zu "Der Gefangene von Alcatraz" (Bildqualität entspricht nicht der Bildqualität des Films)



Commenti


bottom of page