top of page

Der Student von Prag (1926) + Alraune (1927)

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 1 Tag
  • 4 Min. Lesezeit
"Der Student von Prag" (1926) und "Alraune" (1927): Zwei Stummfilmklassiker von Henrik Galeen
"Der Student von Prag" (1926) und "Alraune" (1927): Zwei Stummfilmklassiker von Henrik Galeen

Henrik Galeen gehörte als Drehbuchautor und Regisseur während der Weimarer Republik zu den Meistern des fantastischen Films. In der Edition Filmmuseum sind mit seinen Remakes von "Der Student von Prag" (1926) und "Alraune" (1927) seine beiden berühmtesten Filme in vom Filmmuseum München restaurierten Fassungen auf DVD erschienen.


1913 schuf der Schriftsteller und Drehbuchautor Hanns Heinz Ewers zusammen mit Stellan Rye als Regieassistent mit "Der Student von Prag" den ersten großen fantastischen Film Deutschlands. Schauerfilme waren auch in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in der Weimarer Republik beliebt, konnte man darin doch in der düsteren Stimmung die Atmosphäre der Zeit spiegeln.


So drehte Henrik Galeen, der schon 1915 gemeinsam mit Paul Wegener bei "Der Golem" Regie geführt hatte und das Drehbuch für Friedrich Wilhelm Murnaus "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens" (1922) und Paul Lenis "Das Wachsfigurenkabinett" (1924) geschrieben hatte, 1926 auch ein Remake von "Der Student von Prag".  Auch hier arbeitete Ewers, den Galeen schon seit den 1910er Jahren kannte, am Drehbuch mit und die Handlung folgt weitgehend dem Original.


Allerdings wurden Szenen des im Prag des Jahres 1820 spielenden Films ausgebaut, sodass den 85 Minuten der Erstverfilmung 131 Minuten des Remakes gegenüberstehen. Ausführlich schildert Galeen so ein Fest der mittellosen Studenten in einem Gastgarten, bei dem nicht nur getrunken, sondern bald auch gefochten wird. Ein Blumenmädchen (Elizza La Porta) findet dabei offensichtlich Gefallen an Balduin (Conrad Veidt), der als der beste Fechter Prags gilt.


Der Armut der Studenten wird in Parallelmontage der Reichtum des Grafen Schwarzenberg gegenübergestellt, dessen Tochter Margit (Agnes Esterhazy) mit einem Baron verlobt wird. Als Balduin zu einem Ball im Schloss eingeladen wird, weil er Margit bei einem Reitunfall gerettet hat, erwacht auch sein Verlangen nicht nur nach Reichtum, sondern auch nach der Grafentochter.


Anfällig ist er so für die Verführungskünste des mysteriösen Scapinelli (Wolfgang Krauß), der ihm eine große Geldmenge schenkt, als Gegenleistung aber Balduins Spiegelbild beansprucht. Schauermomente setzt Galeen, wenn das Spiegelbild direkt aus dem Spiegel in den Raum steigt, Balduin sich nun aber nicht mehr in Spiegeln sieht, andererseits aber immer wieder seinem Spiegelbild in der Realität begegnet.


Fast zwangsläufig löst einerseits die Liebe Margits zu Balduin beim Verlobten und andererseits Balduins Geringschätzung der Liebe des Blumenmädchens Eifersucht aus. Diese führt, befeuert durch Scapinelli, mittels des Doppelgängers bald zu einer tödlichen Konfrontation, auf die die gesellschaftliche Ächtung und Ausgrenzung Balduins folgt.


Auch "Alraune" beruht auf einer Vorlage von Hanns Heinz Ewers, in dessen verstörenden Charakter und Werk Michael Farins Essay im Booklet Einblick bietet. Wie bei "Der Student von Prag" handelt es sich auch hier um ein Remake, denn der Stoff wurde vor Galeens Fassung schon zweimal verfilmt. Im Mittelpunkt steht ein Arzt (Paul Wegener), der aus dem Sperma eines Gehenkten durch künstliche Befruchtung einer Dirne das Mädchen Alraune (Brigitte Helm) schafft. Dieses wächst in einer Klosterschule auf, beginnt aber als Teenager eigene Wege zu gehen.


Sie verleitet ihren Geliebten, seinen als Bankangestellten arbeitenden Vater zu bestehlen, flüchtet aus der Klosterschule und schließt sich bald einem Zirkus an, bis ihr "Schöpfer" davon erfährt. Dieser will sie zur vornehmen Dame erziehen, lehnt aber alle Anträge von Verehrern ab. Als Alraune aber hinter ihre Herkunft kommt, beginnt sie das Spiel umzudrehen, macht ihren "Schöpfer" in sich verliebt und treibt ihn in den finanziellen Ruin und psychischen Zusammenbruch.


Während so "Der Student von Prag" mit dem romantischen Doppelgängermotiv arbeitet, handelt es sich bei "Alraune" um einen Mix aus "Frankenstein" und "Pygmalion", der auch Fragen nach den Grenzen der Wissenschaft aufwirft, und von einer Befreiung einer selbstbestimmten Frau aus der Abhängigkeit von Männern erzählt.


Gemeinsam ist beiden Filmen Galeens Gespür für flüssige filmische Inszenierung. Beide Filme kommen weitgehend ohne Zwischentitel aus und vertrauen auf die Bildsprache. Abgesehen von wenigen Schattenspielen in beiden Filmen wie einer Szene in "Der Student von Prag", in der sich Scapinellis Schatten übergroß über eine Balustrade und das Paar Balduin und Margit legt, verzichtet Galeen auch auf Effekte und inszeniert unauffällig. Expressionistische Akzente setzen am ehesten die Zwischentitel mit Groß- und Fettschrift.


Galeens Stärke ist die Verankerung der Filme in unterschiedlichen Milieus, die er detailliert schildert. So stellt er in "Der Student von Prag" prägnant der Armut der lebenslustigen Studenten den Reichtum und Prunk im Schloss gegenüber, in dem steife gesellschaftliche Konventionen das Leben bestimmen. In "Alraune" steht wiederum der Zirkus im Kontrast zu den eleganten Hotels, durch die Alraune mit ihrem Schöpfer zieht.


Wichtige Rolle spielen bei diesen Studioproduktionen so die Kulissen. Mit den aufwändigen Bauten von Hermann Warm für "Der Student von Prag" bzw. von Max Heilbronner und Walter Reimann für "Alraune" wird dicht die Atmosphäre der unterschiedlichen Milieus evoziert, während Galeen mit flüssigem Wechsel von Totalen, die die Figuren in ihr Umfeld einbetten, und nahen Einstellungen, in denen die Emotionen spürbar werden, die Handlung dynamisch vorantreibt und immer wieder Spannung aufbaut.


Bauen kann der 1881 im österreichisch-ungarischen Lemberg geborene Regisseur dabei auch auf seine Schauspieler:innen. So beeindruckt in "Der Student von Prag" Werner Krauß als diabolischer Scapinelli und Conrad Veidt bewegt als im Grunde sympathischer Student, der als Opfer seines Verlangens nach Reichtum erscheint. Übertroffen werden diese Leistungen aber von Brigitte Helm, die in "Alraune" die Titelfigur mit vollem Einsatz und Leidenschaft als klassischen lasziven Vamp und Femme Fatale spielt, die die Männer ins Unglück stürzt.


Vom Filmmuseum München wurden die beiden Klassiker unter der Leitung von Direktor Stefan Drößler sorgfältig rekonstruiert. Die Bildqualität ist zum großen Teil hervorragend, der Inhalt kurzer Passagen von "Alraune", die bei der Uraufführung zensuriert wurden und nicht rekonstruiert werden konnten, wird mit Inserts und Standbildern vermittelt.


An Sprachversionen bieten die in der Edition Filmmuseum erschienenen DVD die Originalfassung mit deutschen Zwischentiteln, zu denen englische Untertitel zugeschaltet werden können. Gewählt werden kann auch jeweils zwischen einer stummen Fassung und einer mit einer neuen Filmmusik von Stephen Horne ("Der Student von Prag") bzw. von Sabrina Zimmermann und Mark Pogolski ("Alraune").


Die Extras umfassen Ausschnitte (15 Minuten) aus Harry Piels Abenteuer- und Action-Stummfilm "Auf gefährlichen Spuren" (1924), in dem Henrik Galeen eine Hauptrolle spielt, sowie als pdf im ROM-Bereich Daniel Semlers 240-seitiges Buch "Brigitte Helm. Der Vamp des deutschen Films".


Dazu kommt ein – wie gewohnt bei der Edition Filmmuseum – hervorragendes und sehr informatives Booklet mit einem Text von Henrik Galeen über die Arbeit des Regisseurs, mit einem Drehbericht von "Alraune", und ausführlichen Essays von Stefan Drößler über Leben und Karriere Galeens sowie von Michael Farin über den Drehbuchautor und Schriftsteller Hanns Heinz Ewers. Dazu gibt es eine zeitgenössische englische Rezension zu "Der Student von Prag" und zwei zeitgenössische englische Rezensionen zu "Alraune".



Trailer zu "Der Student von Prag"



Kommentare


bottom of page