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Diagonale ´25: Spiegelung der US-Geschichte im Werk Henry Fondas

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 31. März
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Apr.

Alexander Horwaths Essayfilm "Henry Fonda for President" ist ein Höhepunkt der Grazer Diagonale
Alexander Horwaths Essayfilm "Henry Fonda for President" ist ein Höhepunkt der Grazer Diagonale

Ein Höhepunkt der heurigen Diagonale ist zweifellos Alexander Horwaths großartiger Essayfilm "Henry Fonda for President": Meisterhaft verbindet der Filmhistoriker und Kurator in seinem Debüt einen Streifzug durch die Filme mit Hollywoodstar Henry Fonda mit der amerikanischen Geschichte: Ein dank akribischer Recherche, brillanter Montage des Materials und klugem Kommentar Horwaths trotz einer Länge von 184 Minuten durchgängig gedankenanregender und spannender Film, der nicht nur Fonda- und Filmfans begeistern kann.


Kein anderer Schauspieler von Rang spielte im Laufe seiner Karriere wohl so oft US-Präsidenten oder Präsidentschaftskandidaten wie Henry Fonda. Mit Rollen wie des Geschworenen "12 Angry Man" ("Die 12 Geschworenen", 1957) galt er als Inbegriff des aufrechten Amerikaners, spielte unter John Ford in "Young Mr. Lincoln" ("Der junge Mr. Lincoln", 1939) Abraham Lincoln als noch unerfahrenen Anwalt im ländlichen Illinois ebenso wie unter Sidney Lumet in "Fail Safe" ("Angriffsziel Moskau", 1964) einen Präsidenten, der angesichts eines drohenden Atomkriegs eine schwerwiegende Entscheidung treffen muss.


In Franklin J. Schaffners "The Best Man" ("Der Kandidat", 1964) spielte er einen Präsidentschaftskandidaten, der seine Kandidatur zurückzieht und einem jüngeren und unbekannten Kandidaten Platz macht, um damit auch seinen rücksichtslosen und populistischen Konkurrenten zu Fall zu bringen. In Otto Premingers "Advise and Consent" ("Sturm über Washington", 1962) steht er als Außenminister zur Diskussion, bis seine kommunistische Vergangenheit heftige Diskussionen auslöst.


Alexander Horwath, der von 1992 bis 1997 Direktor der Viennale und von 2002 bis 2017 Direktor des Österreichischen Filmmuseums war, lässt seinen Essayfilm mit persönlichen Erinnerungen an seine Entdeckung der Filme Henry Fondas während einer Parisreise im Sommer 1980 beginnen.


Horwaths pointierter Kommentar hält den Film zusammen und er führt mit seinen klugen assoziativen Ausführungen die Zuschauer:innen nicht nur durch Leben und Filme Henry Fondas, sondern verknüpft diese meisterhaft mit der amerikanischen Geschichte.


Gegliedert mit Ort- und Zeitinserts spannt er den Bogen von der Immigration von Fondas holländischen Vorfahren im Jahr 1651 bis zu den späten Oscar-Ehren in den Jahren 1981 und 1982 und dem Tod des Hollywoodstars. Die Ansiedlung von Fondas Vorfahren im Mohawk-Tal verknüpft er dabei nicht nur mit Szenen aus John Fords "Drums Along the Mohawk" (1939), sondern erinnert dabei auch an den Prozess der Expansion und Verdrängung der Indigenen.


Fords Western "Fort Apache" (1948), in dem Fonda einen sturen Offizier spielte, kontrastiert er mit der heutigen Gedenkstätte des Genozids an den Indigenen und dem Tanz auf der im Rohbau befindlichen Tanzhalle in dem im Aufbau befindlichen Tombstone in "My Darling Clementine" ("Faustrecht der Prärie", 1946) steht das Spektakel gegenüber, das den Touristen heute am Ort des legendären Gunfight at the O.K. Corral täglich geboten wird. - Beeindruckend gegen dabei Filmszenen immer wieder in heutige Aufnahmen der Schauplätze über.


Das Schauspiel Fondas mit Körperhaltung, Gang, Schüchternheit und Verdecken des Gesichts mit einer Hand, um seine Traurigkeit oder Scham zu verbergen, arbeitet Horwath anhand von Filmszenen ebenso schlüssig heraus, wie seine liberale Haltung und Zivilcourage, wenn er als Reaktion auf die kindliche Erfahrung eines Lynchmords an einem Afroamerikaner, knapp 30 Jahre später den antirassistischen Western "The Ox-Bow Incident" initiierte oder sich während der McCarthy-Ära vom Kino zurückzog und "nur" am Theater auftrat.


Zentrale Rolle spielt dabei im Film Fords Steinbeck-Verfilmung "The Grapes of Wrath" (1940), die von sozialem Impetus durchzogen ist und Kapitalismus und Ausbeutung anprangert. Kritik nicht nur an Kapitalismus, sondern auch an der Umweltzerstörung wird dabei geübt, wenn über die Brücke, über die die Protagonist:innen dieses Films von Arizona nach Kalifornien wechseln nun Öl- und Gasleitungen fließen und eine Kamerafahrt durch die Halbwüste die Folgen der Ausbeutung der Bodenschätze sichtbar macht.


Leichthändig schlägt Horwath den Bogen von den 1930er Jahren zur Gegenwart und deckt in Sergio Leones linkem Western "C´era una volta il west" ("Spiel mir das Lied vom Tod", 1967) auch Fondas Wandlung zum entschiedenen Kritiker des Kapitalismus auf.


Gleichzeitig kann er mit diesem Film den Bogen zur US-Gegenkultur der späten 1960er Jahre schlagen und von einer Annäherung des Vaters an seine Kinder Peter und Jane, die durch "Easy Rider" und Anti-Vietnam-Engagement Ikonen dieser Bewegung waren, erinnern. Denn auch die familiären Bruchlinien mit Selbstmord seiner zweiten Frau und Verheimlichung der Umstände dieser Tat seinen Kindern gegenüber spart Horwath nicht aus.


Dem Ruf der Öffentlichkeit nach Fonda als realem liberalem Präsidentschaftskandidaten, der auch in einer Sitcom thematisiert wird, steht der reale Aufstieg des Schauspielers Ronald Reagans zum Präsidenten gegenüber.


Durchgängig zieht sich so durch den Film, der das Werk akribischer Recherchearbeit ebenso wie meisterhafter Montage dieses Materials ist, auch der Gegensatz zwischen den Männern der Tat und dem besonnenen und zögerlichen Auftreten Fondas, der zumal in seinen Rollen mehr ein Mann des Worts denn des Handelns war.



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