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Diagonale ´25: Neue Namen statt alte Meister

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • 2. Apr.
  • 5 Min. Lesezeit
Newcomer präsentierten bei der Diagonale 2025 starke Filme
Newcomer präsentierten bei der Diagonale 2025 starke Filme

Nicht nur bei der Preisverleihung setzten sich mit dem Spielfilmpreis für Mo Harawes "The Village Next to Paradise" und dem Dokumentarfilmpreis für Lisa Polsters "Bürglkopf" Newcomer durch, sondern auch insgesamt präsentierte die heurige Grazer Diagonale eine erfrischende Vielfalt an jungen bzw. noch unbekannten Regisseur:innen.


Mo Harawes Langfilmdebüt "The Village Next to Paradise" gewann nach der Premiere in Cannes schon letzten Herbst den Wiener Filmpreis. Nun kommt der mit 15.000 Euro dotierte Große Diagonale Preis des Landes Steiermark für den besten Spielfilm dazu. Auch mit dem gleich hoch dotierten Preis für den besten Dokumentarfilm wurde mit Lisa Polsters "Bürglkopf" ein Debüt ausgezeichnet. Die 29-jährige Korneuburgerin fokussiert darin auf dem auf 1300 Meter Höhe in Tirol gelegenen Rückkehrzentrum Bürglkopf, in dem versucht wird, Menschen im Asylverfahren zur Ausreise aus Österreich zu bewegen.


Auch einer der Schauspielpreise ging mit der Auszeichnung des Performancestars Florentina Holzingers für ihre Leistung in Kurdwin Ayubs zweitem Spielfilm "Mond" an die Arbeit einer jungen Regisseurin. Nur mit dem zweiten Schauspielpreis für Marie Luise Stockinger für ihre Leistung in Gina Koflers Sozialdrama "Gina" wurde das Werk einer Regisseurin berücksichtigt, die zwar erst ihren zweiten Spielfilm vorlegte, aber auf eine langjährige Erfahrung als Editorin zurückblicken kann.


Auch die gebürtige Südtirolerin Evi Romen hat nach langjähriger Tätigkeit als Editorin vor fünf Jahren mit "Hochwald" ihren ersten eigenen Spielfilm vorgelegt. Für diesen wurde sie 2021 mit dem Großen Diagonale Preis für den besten Spielfilm ausgezeichnet. Nun präsentierte sie mit "Happyland" ihren zweiten Spielfilm. Im Mittelpunkt steht eine Mittvierzigerin, die vor Jahren ihre niederösterreichische Heimat und ihre Bekannten verließ, um in London als Rock-Sängerin Karriere zu machen.


Wie Barbara Stanwyck in Douglas Sirks Melodram "All I Desire" (1953) kehrt sie nun in die Provinz zurück, doch entfremdet sind ihr die einstigen Bekannten und Freunde. Im Kontrast zur Sprachlosigkeit und Verlorenheit dieser Musikerin steht ihre Mutter, die das titelgebende Freizeitzentrum Happyland leitet und bei einem Kuraufenthalt eine neue Liebe findet.


Das ist von Kameramann Martin Gschlacht zweifellos stark gefilmt, doch die Handlung mäandert zäh dahin und kulminiert in einem sehr konstruierten Höhepunkt. Auch die Mischung unterschiedlicher Musikstile von der Rockleidenschaft der Protagonistin über die Vorliebe für Westernmusik der Mutter bis zu einem kurzen Abstecher zum Jodeln wirkt gesucht und wenig stimmig. Vielmehr hat man das Gefühl, dass hier immer wieder lange Songpassagen eingesetzt werden, um über die insgesamt dürftige Handlung hinwegzutäuschen.


Im Gegensatz dazu kann Alexandra Makarová in "Perla" durchaus Spannung aufbauen. Geradlinig erzählt die slowakisch-österreichische Drehbuchautorin und Regisseurin von der Slowakin Perla, der nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 im Gegensatz zu ihrem Geliebten die Flucht nach Österreich gelang.


Dort gebar sie ihr Kind und baute sich mit einem Österreicher eine neue Existenz auf, doch Anfang der 1980er Jahre erhält sie einen Anruf ihres Ex-Partners, der behauptet todkrank zu sein und nochmals seine Tochter sehen zu wollen. So reist die Familie in die Tschechoslowakei, wo sie sich nicht nur mit dem Bespitzelungssystem konfrontiert sieht, sondern Perla bald auch zwischen ihrem früheren Leben und ihrer österreichischen Existenz zerrissen ist.


So schlüssig freilich "Perla" erzählt ist, so sorgfältig dieser historische Film auch ausgestattet ist und so überlegt jede Einstellung und jeder farbliche Akzent gewählt sind, so ist doch auch die sehr konventionelle Inszenierung und das Fehlen jedes Überraschungsmoments nicht zu übersehen.


Mangelnden Wagemut kann man dagegen Florian Pochlatko bei seinem Langfilmdebüt "How to Be Normal and the Odness of the Other World" nicht vorwerfen. Mit inszenatorischem Furor erzählt er aus der Perspektive der psychisch angeschlagenen Mittzwanzigerin Pia, wie sie versucht nach der Entlassung aus der Psychiatrie im Leben wieder Fuß zu fassen.


Wenn sie versucht die Beziehung zu ihrem Ex-Partner zu reaktivieren und immer wieder mit ihren überfürsorglichen Eltern, von denen der Vater zudem mit beruflichen Problemen zu kämpfen hat, zusammenkracht, verschwimmen nicht nur die Grenzen von Realität und Einbildung, sondern auch die Filmformate wechseln und Szenen aus einem TV-Krimi fließen in die Handlung ein.


So sprüht "How to Be Normal …" zwar vor inszenatorischem Einfallsreichtum, ist aber damit gleichzeitig – vielleicht auch durchaus gezielt – so zerrissen wie seine Protagonistin und fügt sich zu keinem geschlossenen Ganzen, sondern lässt vor allem Irritation zurück. Gerade die mehrfach zitierten Klassiker "Matrix" und vor allem "Fight Club" lassen dabei die Fallhöhe zwischen diesem Debüt und den Vorbildern schmerzlich zu Tage treten.


Das pure Gegenteil – und gerade dadurch beglückend – ist Isabella Brunäckers "Sugarland". Fast ausschließlich auf Iga, die mit dem Auto von Wien nach Schottland unterwegs ist, und Ethan, der per Autostopp nach London kommen will, beschränkt sich der Film. Ablehnend verhält sich die junge Frau zunächst zwar, als der Engländer sie an einer Autobahnraststätte mit der Bitte um Mitnahme anspricht, willigt dann aber doch ein.


Unsicher und einsilbig sind die Gespräche zunächst, kreisen um musikalische Vorlieben und das Verhalten der Menschen im Allgemeinen, bis langsam doch persönliche Geheimnisse – zumindest von Iga - gelüftet werden.


Ganz unspektakulär und lakonisch ist das erzählt. Nicht viel passiert und in langen Einstellungen blickt die Kamera in dem auf körnigem 16-mm-Film gedrehten Roadmovie immer wieder vom Rücksitz vorbei an den beiden Reisenden auf die vielbefahrene Autobahn, lässt sie später verschwindend klein wirken, wenn sie am belgischen Sandstrand vor grauem Meer und grauem Himmel spazieren, oder blickt bei der Überfahrt nach England aufs raue Meer und die kreisenden Möwen.


Kurz kommt zwar einmal Dramatik auf, doch davon abgesehen konzentriert sich Brunäcker in ihrem minimalistischen Roadmovie ganz auf die Interaktion zwischen den beiden Protagonist:innen. Wie sich diese dabei zwar langsam näher kommen und Sehnsüchte sichtbar werden, aber sich nur unterschwellig und nur einseitig eine Liebesgeschichte entwickelt, begeistert, weil die Figuren, die Gefühle und Dialoge echt wirken.


Auch im Bereich des Dokumentarfilms gab es mit Olga Kosanovićs "Noch lange keine Lipizzaner" ein starkes Langfilmdebüt zu entdecken. Ausgehend von ihrer eigenen Situation als seit ihrer Geburt 1995 in Österreich lebenden Serbin, deren Antrag auf österreichische Staatsbürgerschaft abgelehnt wurde, weil sie sich in den vergangenen 15 Jahren um 58 Tage zu lang im Ausland aufgehalten hat, bietet die Regisseurin Einblick in das restriktive österreichische System bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft.


Gleichzeitig spürt Kosanović aber der österreichischen Identität, dem Wir-Gefühl und dem typisch Österreichischen nach. Zunehmend wird dabei das Konstrukt sichtbar, stehen doch die scheinbar so typisch österreichischen Lipizzaner in der Spanischen Hofreitschule, werden im slowenischen Lipica gezüchtet, wobei zudem arabische, andalusische und italienische Pferde einbezogen werden.


Ausgehend von einem rassistischen Social Media-Post, in dem ein Schreiber ihren Talk-Show-Auftritt anlässlich der Verweigerung der Staatsbürgerschaft mit dem Satz kommentierte „Wenn eine Katze in der Hofreitschule Junge wirft, sind das noch lange keine Lipizzaner“, befragt Kosanović zu den unterschiedlichen Themen Experten wie Jurist:innen, Kulturwissenschaftler:innen oder den Autor Robert Menasse ebenso wie unterschiedlichste Migrantinnen wie eine junge Sudanesin, einen US-Amerikaner, eine Äthiopierin oder einen Serben und ältere österreichische Paare.


In der Gleichförmigkeit, mit der sich diese Szenen wiederholen ist "Noch lange keine Lipizzaner" zwar nicht besonders originell und formal redundant, bietet aber durch den frischen und persönlichen Zugang der Regisseurin und die vielfältigen Perspektiven, die auf das Thema geworfen werden, überraschende Einblicke und bleibt bis zum Ende unterhaltsam.


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