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AutorenbildWalter Gasperi

Hochwald


Mit starker Bildsprache und einem herausragenden Thomas Prenn in der Hauptrolle erzählt die gebürtige Südtirolerin Evi Romen in ihrem Regiedebüt packend von einem homosexuellen jungen Mann, der als Außenseiter in seinem Heimatdorf nach Orientierung, Identität und einem selbstbestimmten Leben sucht.


Rund 30 Jahre war die 1967 in Bozen geborene Evi Romen als Cutterin tätig, ehe sie mit 50 beschloss, einen eigenen Film zu drehen. Von Wien kehrte sie dafür in ihre Heimat zurück und realisierte ein nicht zuletzt durch die Verwendung des Südtiroler Dialekts auf der einen und Italienisch auf der anderen Seite atmosphärisch dichtes Drama, das unter anderem 2020 beim Zurich Film Festival mit dem Golden Eye und bei der heurigen Diagonale mit dem Großen Diagonale Preis des Landes Steiermark für den besten Kinospielfilm ausgezeichnet wurde.


Mitten hinein ins Leben des jungen Mario (Thomas Prenn) wirft Romen die Zuschauer*innen. Hautnah ist die Kamera an ihm dran bei der Arbeit als Gehilfe des Metzgers, mit dem seine Mutter liiert ist. Eine Konditorlehre in der Stadt hat er zwar begonnen, diese aber abgebrochen und schlägt sich nun in seinem in den Bergen gelegenen Heimatdorf mit Gelegenheitsjobs in der Metzgerei, im Weingut der Eltern seines Jugendfreundes Lenz (Noah Saavedra) oder im Hotel durch.


Glücklich ist Mario damit aber nicht, sondern träumt von einer Karriere als Tänzer. Sein Vorbild ist John Travolta und in knalligen Outfits probt er allein in der Mehrzweckhalle des Ortes zu Disco-Rhythmen. Ein Fremdkörper ist er mit dieser Glitzerkleidung und seiner weißgelockten Perücke in dem traditionellen Bergdorf, seine einzige echte Bezugsperson ist Lenz, der aber in Wien Schauspiel studiert, nur zu Weihnachten ins Dorf zurückkehrt und danach zu einem Casting nach Rom reist.


Der homosexuelle Mario schwärmt sichtlich für Lenz, wirkt eifersüchtig als dieser eine junge Frau küsst, folgt ihm dennoch nach Rom. Doch auch dort vergnügt sich Lenz in einer Schwulenbar lieber mit einem Römer als sich um Mario zu kümmern. Abrupt ändert sich die Situation aber mit einem islamistischen Terroranschlag auf diese Bar: Lenz kommt ums Leben, Mario überlebt äußerlich unverletzt.


Noch orientierungsloser kehrt er ins Heimatdorf zurück, sieht sich mit Schuldvorwürfen konfrontiert, dass er überlebt habe, während der allseits beliebte Lenz umkam. Nicht nur von der Dorfgemeinschaft, sondern auch vom Pfarrer erfährt der bunte Vogel keine Unterstützung, sodass er immer wieder mit der Seilbahn in die Stadt fährt, um sich dort – wie schon in früheren Jahren - durch Drogen Erleichterung zu verschaffen. Doch dort trifft er auch auf junge Moslems, die auf den Straßen ihren Glauben verkünden. Blickt er zunächst aufgrund der Erfahrung des Anschlags feindselig auf diese Gruppe, beginnt er sich bald für sie näher zu interessieren und findet bei ihnen auch Halt und Hilfe.


Meisterhaft verzahnt lässt Romen in ihrem Spielfilmdebüt eine Fülle von Gegensätzen aufeinanderprallen und arbeitet so, unterstützt von dem mit großem Körpereinsatz und mit Leidenschaft spielenden Thomas Prenn, Marios Zerrissenheit und seine verzweifelte Suche nach Halt und Identität heraus. Da steht nicht nur seine Individualität dem traditionell genormten dörflichen Leben, sondern auch die reiche Winzerfamilie, die Sohn Lenz ein Studium finanzieren kann, seinem einfachen Elternhaus gegenüber.


Wie Romen und ihr Kameramann Martin Gschlacht mit dem Wechsel zwischen Nahaufnahmen im Dorf und Totalen auf die weite Berglandschaft ums Dorf visuell den Gegensatz von dörflicher Enge und Sehnsucht nach Freiheit visualisieren, so verdeutlichen auch die wiederholten Seilbahnfahrten den Gegensatz von Bergdorf und Stadt. Der gesellschaftlichen Enge oben steht dabei die Möglichkeit des Eintauchens in die Anonymität unten gegenüber, aber auch dem Katholizismus der Islam.


Indem Romen und Gschlacht das Gesicht Marios immer wieder zur Hälfte ins Licht und zur Hälfte ins Dunkel tauchen, vermitteln sie auch eindrücklich über die Bildsprache die Zerrissenheit des Protagonisten, dessen Gefühle auch die hervorragende Musik immer wieder treffend verstärkt. Konzentriert und konsequent erzählt Romen so von der Suche nach Identität und einem selbstbestimmten Leben, die aber nicht in der Drogensucht und auch in keiner Religion, sondern letztlich nur in und durch sich selbst gefunden werden kann.


TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Sa 2.10., 22 Uhr; Mo 4.10., 18 Uhr; Di 5.10., 20.30 Uhr Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 21.10., 20 Uhr


Trailer zu "Hochwald"


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