Filmbuch: Deutsche Krimis essential
- Walter Gasperi
- vor 12 Minuten
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Das elfte Sonderheft der Filmzeitschrift "35mm – Das Retro-Filmmagazin" lädt mit der Vorstellung von 24 Krimis zu einem Streifzug durch die deutsche Filmgeschichte von 1913 bis 1965 ein.
Der Krimi ist im Fernsehen zweifellos das beliebteste Genre. Kein Tag vergeht, an dem auf den verschiedenen Sendern nicht mindestens eine Krimiserie läuft. Beschränkte sich das Angebot in den 1980er Jahren bei den deutschen Serien noch weitgehend auf "Tatort", "Derrick", "Der Alte" und "Ein Fall für Zwei", so spannt sich heute der Bogen von "Die Rosenheim Cops" bis zur "Mordkommission Istanbul" und von "Die Toten vom Bodensee" über den "Erzgebirgskrimi" bis zum "Ostfriesenkrimi".
In der deutschen Filmgeschichte spielte der Krimi dagegen lange Zeit eine untergeordnete Rolle. Standen im Nationalsozialismus - und wohl auch in der DDR, die mit keinem Film vertreten ist - die Behörden dem Genre ablehnend gegenüber, da der Eindruck eines Staates vermittelt werden sollte, in dem es kein Verbrechen gibt, so war in den 1950er Jahren laut Claudius Seidl "der Polizist als Unterdrücker verhasst, der Detektiv als Denunziant gefürchtet" (S. 29).
Neben berühmten Meisterwerken wie Fritz Langs "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" (1931), Robert Siodmaks "Nachts, wenn der Teufel kam" (1957) und Ladislaos Vajdas Dürrenmatt-Verfilmung "Es geschah am helllichten Tag" (1958) finden sich so unter den 24 Filmen, die wie gewohnt auf jeweils einer Doppelseite mit einem Filmstill auf der linken und einem Text auf der rechten Seite vorgestellt werden, auch zahlreiche weitgehend unbekannte Filme.
Während anhand von Max Macks Stummfilm "Wo ist Coletti?" (1913) die Frage nach dem ersten deutschen Krimi diskutiert wird, stellen sich bei Robert Wienes "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920) ebenso wie bei E.A. Duponts "Varieté" (1925), an dem der hohe Erotikanteil auffällt, und Robert Siodmaks "Voruntersuchung" (1931) Gattungsfragen. Fließend scheinen vielfach die Grenzen zwischen psychologischem Drama und Krimi.
Einblick in die erste kleine Welle an deutschen Edgar Wallace-Verfilmungen in den frühen 1930er Jahren wird ebenso geboten wie in den Sherlock Holmes-Film "Der Hund von Baskerville" (1937) und den parodistischen Umgang mit dem britischen Meisterdetektiv in "Der Mann, der Sherlock Holmes war" (1937).
Mit "Dr. Crippen an Bord" (1942) wird auch einer der wenigen erfolgreichen Krimis der NS-Zeit vorgestellt. Die auf einem aufsehenerregenden Mordfall beruhende Handlung spielt dabei aber bezeichnenderweise nicht in Deutschland, sondern in England. Im Nachkriegsdeutschland arbeitete dagegen Erich Engel, der nicht mit dem "Dr. Crippen"-Regisseur Erich Engels verwechselt werden darf, in "Affäre Blum" (1948) nicht nur einen Kriminalfall der Weimarer Republik auf, sondern prangerte auch die antisemitische Hetzjagd gegen einen jüdischen Unternehmer an.
Als Entdeckung feiert Matthias Merkelbach Helmut Käutners weitgehend unbekannten "wachechten Film noir" (S. 25) "Epilog: Das Geheimnis der Orplid" (1950), in dem ein Journalist zum Verschwinden der titelgebenden Luxusyacht recherchiert. Bernward Knappik sieht dagegen in Alfred Weidenmanns "Alibi" (1955) eine packende Auseinandersetzung mit der Rolle der Presse in einer demokratischen Gesellschaft und der Problematik einer Verurteilung auf der Basis von Indizien. Aber auch als Auseinandersetzung mit der Frage der Kollektivschuld der Deutschen für die Verbrechen der Nazis kann dieses Gerichtsdrama nach Ansicht von Knappik gelesen werden.
Ins Licht gerückt wird mit der Vorstellung des Frauenmörderfilms "Viele kamen vorbei" (1956) auch der weitgehend vergessene Regisseur Peter Pewas und Frank Wisbars "Fabrik der Offiziere" (1960) wird in den Kontext seiner Filme über den U-Boot-Krieg ("Haie und kleine Fische", 1957), die Schlacht von Stalingrad ("Hunde wollt ihr ewig leben", 1959) und den Untergang der Wilhelm Gustloff ("Nacht fiel über Gotenhafen", 1960) gestellt.
Wie hier schaffen es die neun Autoren - ausnahmslos Männer - trotz der Kürze ihrer Beiträge auch bei den anderen vorgestellten Filmen nicht nur jeweils den Inhalt zu skizzieren, sondern auch knappe filmgeschichtliche Anmerkungen zum Regisseur, den Schauspieler:innen, der filmischen Gestaltung oder thematischen Schwerpunkten unterzubringen.
Ausgehend von Helmuth Ashleys "Das schwarze Schaf" wird so ebenso Einblick geboten in die Tradition der Filme um "Father Brown" wie anhand von Fritz Langs "Die toten Augen des Dr. Mabuse" (1960) in das filmische Weiterleben dieses Superschurken, dem Lang schon in den 1920er Jahren ein Denkmal setzte.
Anhand von "Die toten Augen von London" (Alfred Vohrer, 1961) werden die Standardfiguren der Edgar Wallace-Filme vorgestellt, von denen zwischen 1959 und 1972 die Rialto-Film 38 drehte, aber mit "Schüsse aus dem Geigenkasten" (Fritz Umgelter, 1965) fehlt auch ein Blick auf die auf Romanheften aufbauenden und in New York spielenden Jerry-Cotton-Krimis nicht. Lust wird aber auch geweckt auf Michael Pfleghars ziemlich schrägen und durchgeknallten "Die Tote von Beverly Hills" (1964), der auch der einzige Farbfilm der Auswahl ist.
So vermittelt dieses Heft trotz seiner knappen 52 Seiten nicht nur einen eindrücklichen Überblick über zentrale Filme des deutschen Krimis, sondern weckt mit seinen ebenso prägnanten wie spannenden Beschreibungen auch Lust vor allem die wenig bekannten und vergessenen Filme zu entdecken.
Deutsche Krimis essential, 35 mm – Das Retro-Filmmagazin Sonderausgabe Nr. 11, Saarbrücken 2025, 52 S., € 6,90 – Bestelladresse: https://35mm-retrofilmmagazin.de/produkt/35-millimeter-sonderausgabe-11-deutsche-krimis-essential-juli-2025/
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