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Decision to Leave - Die Frau im Nebel

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi

Ein Inspektor verliebt sich in eine Mordverdächtige. – Klingt nach einem abgedroschenen Plot, doch der Koreaner Park Chan-wook macht daraus einen formvollendeten und wendungsreichen Mix aus Film noir und melancholischer Liebesgeschichte, für den er letztes Jahr in Cannes mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet wurde.


Mit dem brutalen Thriller "Old Boy" gelang Park Chan-wook 2003 der internationale Durchbruch. Als großer Stilist präsentierte er sich zuletzt vor sechs Jahren mit dem raffiniert erzählten historischen Thriller "The Handmaiden – Die Taschendiebin" (2016). In seinem neuen Film verzichtet der 60-jährige Koreaner sowohl auf die Brutalität seines frühen Meisterwerks als auch auf die ausführlichen und expliziten Sexszenen seines letzten Kinofilms.


Leisere Töne schlägt er an, demonstriert aber wieder famos seine Meisterschaft im filmischen Erzählen und seinen Stilwillen. Jede Einstellung ist hier überlegt gestaltet, jeder Farbtupfer bewusst gewählt und aufregende Perspektiven sorgen immer wieder für Überraschungen. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, wenn beispielsweise der legendären unappetitlichen Oktopus-Szene aus "Old Boy" hier eine doch recht komödiantische Schildkröten-Szene gegenübersteht.


Am Beginn steht ein toter Bergsteiger: Ist der Mann wirklich verunfallt oder wurde er vielleicht doch die senkrechte Felswand hinabgestürzt? Wie Tiefblicke hier Schwindelgefühle erzeugen können, so irritiert schon ein Blick aus dem Auge des Toten, über das eine Ameise krabbelt.


Seltsam ungerührt reagiert die schöne chinesische Witwe Seo-rae (Tang Wei) auf die Nachricht vom Tod ihres Mannes. Verdacht weckt das beim unter Schlaflosigkeit leidenden Inspektor Hae-joon (Park Hae-il). Mit Kratzspuren, die auf häusliche Gewalt schließen lassen, stellt sich zudem noch ein Mordmotiv ein und schließlich wird auch DNA von Seo-rae unter den Fingernägeln des Toten gefunden. Andererseits taucht aber auch ein Abschiedsbrief auf, der auf einen Selbstmord schließen lässt.


Dennoch beginnt Hae-joon, der eine im Grunde glückliche Wochenend-Ehe mit seiner in einer anderen Stadt lebenden Ehefrau führt, Seo-rae zu observieren und gleichzeitig wird der Blick des Protagonisten im Blick der Kamera von Kim Ji-yong, die den Inspektor zu überwachen scheint, gespiegelt.


Aber auch Seo-rae beginnt den Inspektor zu beobachten, der sich während seiner Beobachtung zunehmend ins Leben der Verdächtigen hineinfühlt. Auch wenn sie auf Distanz sind und nur telefonieren, lässt Park den Inspektor so in der Wohnung neben Seo-rae stehen. Andererseits lässt er Seo-rae den im Auto während der Observierung eingeschlafenen Ermittler fotografieren.


So entwickelt sich langsam eine Beziehung zwischen der Verdächtigen und dem Polizisten, der nie Klarheit gewinnt, ob Seo-rae ihn damit nur von seinen Ermittlungen und seinem Verdacht abbringen will oder aber echte Gefühle für ihn hegt.


Ein brillantes Spiel mit Spiegelungen und indirekten Blicken über Glasflächen überträgt die Frage nach Wahrheit und Täuschung und die daraus resultierende Unsicherheit Hae-joons direkt auf die visuelle Ebene. Dazu kommen Rückblenden, in denen der Inspektor den möglichen Ablauf der Ereignisse nochmals durchspielt.


An "Vertigo" von Parks großem Vorbild Alfred Hitchcock erinnert "Decision to Leave" mit seiner obsessiven Liebe eines Polizisten zu einer Verdächtigen ebenso wie an Paul Verhoevens Erotik-Thriller "Basic Instinct". Doch im Gegensatz zu Letzterem verzichtet Park hier auf Gewalt und Sex. Langsam und sanft ist die Erzählweise, aber auch so verschachtelt, dass man teilweise den Überblick verlieren kann und ein mehrmaliges Sehen zweifellos lohnt.


Ungelöst scheint der Fall des toten Bergsteigers schließlich zu den Akten gelegt zu werden, bis der Film nach einem Zeitsprung von 13 Monaten in der Heimatstadt des Inspektors und mit der Wiederbegegnung mit der inzwischen wieder verheirateten Seo-rae neu einsetzt. Geklärt werden die Zusammenhänge aber erst in der ebenso fulminanten wie tragischen am Meer spielenden Schlusssequenz.


Vorwerfen kann man Park vielleicht, dass er seine Kunstfertigkeit geradezu zelebriert und dass ihm Stil wichtiger ist als Inhalt. Ein verführerisches und sehr sinnliches Kinoerlebnis bietet dieses wendungsreiche und nie durchschaubare Katz-und-Maus-Spiel dennoch.


Zu verdanken ist dies auch den beiden großartigen Hauptdarsteller:innen Park Hae-il und Tang Wei. Wunderbar melancholisch legt Park Hae-il den nur unter dem Einfluss von Seo-rae Ruhe und Schlaf findenden Inspektor an, während Tang Wei, die durch ihre Rolle in Ang Lees Erotik-Thriller "Lust und Begierde" (2007) bekannt wurde, mit ihrem zurückhaltenden Spiel großartig Seo-rae eine Aura der Undurchschaubarkeit verleiht.


Decision to Leave – Die Frau im Nebel Korea 2022 Regie: Park Chan-wook mit: Park Hae-il, Tang Wei, Lee Jung-hyun, Go Kyung-Pyo, Park Yong-woo, Kim Shin-Young, Jung Young Sook Länge: 139 min.



FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 22.2., 18 Uhr + Do 23.2., 19.30 Uhr Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 22.2., 20 Uhr Spielboden Dornbirn: Fr 24.3. + Sa 8.4. - jeweils 19.30 Uhr


Trailer zu "Decision to Leave - Die Frau im Nebel"




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