top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Das Vorspiel


Ina Weisse erzählt in ihrem zweiten Kinospielfilm von einer überambitionierten Geigenlehrerin, die über die Ausbildung eines Schülers ihre Familie vernachlässigt. Mit einer starken Nina Hoss in der Hauptrolle zeichnet Weisse ein vielschichtiges Frauenporträt und lotet differenziert das Spannungsfeld von Leidenschaft und zerstörerischem Perfektionismus aus.


Wie weit dürfen und sollen MusiklehrerInnen bei der Ausbildung ihrer SchülerInnen gehen? – Kein neues Thema ist das im Kino. Damien Chazelle thematisierte das in „Whiplash“ ebenso wie Ludovic Bernard in „Der Klavierspieler vom Gare du Nord“. Auch Jan-Ole Gerster zeichnete in „Lara“ das Porträt einer Klavierlehrerin, deren Verhältnis zu ihrem Sohn am Druck, den sie auf diesen ausübte, zerbrach.


Im Mittelpunkt von Ina Weisses zweitem Spielfilm steht nun eine Geigenlehrerin (Nina Hoss), die wie die Protagonistin von „Lara“ nie darüber hinwegkam, dass sich ihr Traum von einer Karriere als Violinistin nicht erfüllte. Während nun bei einem Vorspiel im Konservatorium alle anderen Juroren den jungen Alexander (Ilja Monti) ablehnen, hält sie den Teenager für talentiert und übernimmt ihn als Schüler.


Verbissen arbeitet sie mit ihm, überschreitet dabei aber zunehmend Grenzen und zieht auch die Ablehnung Alexanders auf sich. Empathie scheint sie keine zu kennen, sondern fordert immer wieder Haltung oder spielt eine Aufnahme von Yehudi Menuhin vor, um ihrem Schützling kalt zu erklären, dass der Virtuose dabei in etwa seinem Alter war.


Perfektion ist für sie zentral und um dies zu erreichen, übt sie auch enormen Druck aus. Dies bekommt nicht nur Alexander zu spüren, sondern auch ihr Sohn Jonas, der viel lieber Eishockey als Geige spielt. Auf dessen Wunsch nach einem Hund antwortet sie folglich auch kalt: „Du hast einen Hund. Dein Hund ist deine Geige.“


Gegenpol zu Annas Verbissenheit ist ihr aus Frankreich stammender Mann Philippe, der nicht nur bei seiner Arbeit als Geigenbauer viel Feingefühl an den Tag legt. Zunehmend vernachlässigt sie zudem aufgrund ihres Einsatzes für ihren Schüler ihre Familie. Ihr Sohn wiederum reagiert auf diese Kränkung, aber auch auf den Druck, den die Mutter auf ihn ausübt, zunehmend mit Aggression, die schließlich auch Alexander drastisch zu spüren bekommt.


Aber auch ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater, das aber nur angedeutet wird, scheint auf Anna einzuwirken. Sichtbar wird sukzessive aber auch, dass hinter ihrem Perfektionsstreben große Unsicherheit steckt. Als sie nämlich ein Kollege, mit dem sie eine Affäre hat, einlädt in einem Quintett mitzuspielen, versagt sie beim Konzert aufgrund von Nervosität und Lampenfieber.


Differenziert arbeitet Weisse mit einer großartigen Nina Hoss in der Hauptrolle, die die unterschiedlichen Facetten dieser Frau eindrücklich vermittelt, das Verheerende dieses Spannungsfelds von Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühlen auf der einen und Zwang zur Selbstoptimierung, Kontrolle und Dominanz auf der anderen Seite für sie selbst ebenso wie für ihre Umwelt heraus. Perfekt unterstützt wird dabei der Inhalt durch die ebenso präzisen wie kühlen Bilder von Kamerafrau Judith Kaufmann.


Der Leidenschaft für die Musik und deren Schönheit, die in zahlreichen Vorspiel- und Übungsszenen vermittelt wird, stehen Drill und bedingungslose Selbstdisziplin gegenüber. Das Berufliche dringt aufgrund dieser Besessenheit nicht nur ins Private ein, sondern wirkt sich auch auf den Charakter aus. Kein Lachen kommt über das Gesicht von Nina Hoss, Härte kennzeichnet ihre Züge, auch ihrem Ehemann gegenüber ist sie nicht fähig, ihre Gefühle wirklich auszudrücken.


Das Musikermilieu steht dabei freilich als pars pro toto für die moderne Leistungsgesellschaft insgesamt. Weisse bleibt aber nicht im Charakterporträt stecken, sondern deutet auch eine Entwicklung ihrer Protagonistin an, wenn, wenn diese aufgrund ihrer Erfahrungen doch langsam einsieht, dass sie ihren Sohn loslassen und ihn seine eigenen Wege gehen lassen muss. Ihren Schüler Alexander dagegen mag sie zwar zu einem bejubelten Vorspiel führen können, emotional hat sie ihn auf dem Weg dahin aber längst verloren.


Läuft derzeit im Cinema Dornbirn

TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Do 20.8., 20.30 Uhr; Fr 21.8., 22 Uhr; Sa 22.8., 22 Uhr; Mo 24.8., 18 Uhr


Trailer zu "Das Vorspiel"


Comments


bottom of page