Alex Garland zeichnet ein beklemmendes Bild einer USA in einem neuen Bürgerkrieg und rückt die Rolle von Kriegsfotograf:innen ins Zentrum: Eine ebenso packende wie schonungslos realistische Dystopie.
Der Präsident (Nick Offerman) will eine Rede halten, in der er von einem großen Sieg über die so genannten Western Forces berichtet. Die USA befindet sich nämlich in einem neuen Bürgerkrieg, Texas und Kalifornien haben sich von der Union abgespalten.
Ein kluger Schachzug Alex Garlands ist es diese beiden Bundesstaaten zu wählen. Indem er nämlich mit dem traditionell demokratisch-liberalen Kalifornien und dem republikanisch-konservativen Texas einen sogenannten blauen und einen roten Staat zu Verbündeten macht, entzieht er sich des Vorwurfs der Parteinahme.
Offen lässt der Brite auch weitgehend die Gründe für Abspaltung und Bürgerkrieg. Man erfährt nur, dass der Präsident sich schon in seiner dritten Amtsperiode befindet, obwohl doch die gültige US-Verfassung nur eine einmalige Wiederwahl erlaubt, und er das FBI aufgelöst habe. Drastisch macht er aber die Folgen des Bürgerkriegs sichtbar, wenn der Auftritt des Präsidenten von Bildern des Chaos und der Zerstörung unterschnitten werden.
Inspiriert ist dieser Auftakt wohl von den Bildern vom Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, von der zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung der USA und Donald Trumps Warnungen vor oder Drohungen mit einem Bürgerkrieg. Auf politische Analysen verzichtet Garland aber, beschränkt sich darauf die Folgen eines solchen Bürgerkriegs zu schildern, fokussiert aber vor allem auf vier Kriegsberichterstattern.
Von der Auftaktszene springt "Civil War" so in ein geisterhaft-ruhiges New York, in dem der Verkehr zum Stillstand gekommen ist und Radfahrer die Straßen dominieren. Doch auch hier herrschen Unruhen und eine Konfrontation von Demonstrant:innen und Polizei endet im Anschlag eines Selbstmordattentäters.
Mitten drin im Geschehen ist die Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst), die die junge Jessie (Cailee Spaeny), die selbst Kriegsfotografin werden will, aus der gefährlichen Situation rettet. Mit diesen beiden Figuren kann Garland in der Newcomerin einerseits Lees eigene Entwicklung zur Kriegsfotografin spiegeln, andererseits anhand der erfahrenen Lee die psychischen Auswirkungen eines Lebens in Kriegsgebieten und der jahrelangen Dokumentation von Gewalt und Gräueln aufzeigen.
Nachts wird Lee nämlich in Flashbacks von Erinnerungen an frühere Kriegserlebnisse heimgesucht. Ebenso abgeklärt und nüchtern wie ausgebrannt ist ihr Blick, auch wenn sie von Jessie fotografiert wird, gelingt ihr nur mit Mühe ein Lächeln. Intensiv spielt Kirsten Dunst diese Lee und bildet einen starken Gegensatz zur von Cailee Spaeny, die zuletzt in Sofia Coppolas Priscilla Presley-Biopic "Priscilla" brillierte, mit jugendlichem Schwung gespielten Jessie.
Im Hotel treffen sich die beiden Frauen wieder. Obwohl Lee Jessie loswerden will, gelingt es dieser den Reporter und Mitarbeiter Lees (Wagner Moura) zu überreden, sie mit nach Washington, DC zu nehmen, wo sie den Präsidenten interviewen wollen. Als vierter kommt der alte afroamerikanische Journalist Sammy (Steven McKinley Henderson) dazu, der kaum noch gehen kann.
Mit jung und alt, weiblich und männlich, erfahren und unerfahren hat Garland ein klassisches Quartett gebildet. Konsequent aus dessen Perspektive erzählt er die zunächst durch Inserts zur Distanz von Washington strukturierte Fahrt. Identifikationsfiguren sind die Journalist:innen zwar, werden aber in der schonungslos realistischen Schilderung nie zu Helden aufgebaut.
Ein klassisches Road-Movie entwickelt sich so, bei dem Garland in der Abfolge von Stationen detailreich die Auswirkungen des Bürgerkriegs auf Land und Bevölkerung schildern kann. Mal geht die Fahrt mit dem weißen SUV, das den Insassen mit der dicken Aufschrift "Press" gewisse Sicherheit garantiert, über Highways auf denen zerstörte Autos stehen, mal kommt man in eine scheinbar idyllische Kleinstadt, bis sich auf den Dächern Scharfschützen zeigen.
Wie sich im Krieg die Barbarei breit macht, wird spürbar, wenn bei einer Tankstelle Männer grausam gefoltert werden, wenn Tote von einer Autobahnbrücke hängen, oder die Journalist:innen auf eine Massengrab stoßen und der Täter auch auf sie enormen Druck ausübt und vor ihren Augen Menschen erschießt.
Verstörend kontrastiert werden diese Szenen mehrfach von idyllischen Bildern der weiten Landschaft, in denen sich aber immer auch Spuren des Krieges finden, und vor allem von einem Soundtrack, dessen immer wieder fröhlichen Songs in Opposition zu den Bildern stehen.
Münden muss "Civil War" freilich in die Ankunft in Washington, mit der sich der Film vom Roadmovie zum Kriegsfilm wandelt, der auf der Eroberung der Hauptstadt in einem brutalen Straßenkampf fokussiert.
Im Zentrum steht in all diesen Szenen immer die Frage nach der Rolle und dem Ethos von Kriegsfotograf:innen. Immer wieder unterbrechen so schwarzweiße Aufnahmen der Kämpfer und Opfer die bewegten Bilder. Immer wollen die beiden Fotografinnen hautnah dran sein, im richtigen Moment abdrücken, wenn die Scharfschützen anlegen, ein Soldat im Kugelhagel zusammenbricht oder stirbt.
Eindringlich zeigt Garland dabei nicht nur, wie Lee unter diesen Erfahrungen zunehmend zerbricht, sondern auch wie Jessie zunehmend abgebrühter wird und kühl das Sterben dokumentiert, um DAS Foto zu bekommen.
Garland beschränkt sich darauf dies zu zeigen. Die Antwort auf die Frage, ob es ethisch zulässig ist, diese Gräuel so hautnah zu dokumentieren und letztlich mit ihnen Geld zu machen, überlässt er den Zuschauer:innen. Offen bleibt auch, welche Rolle diese Fotos, von denen laut Lee in der Regel nur eins von 30 verwendbar ist, letztlich spielen, denn nie sieht man deren Veröffentlichung.
So ist "Civil War", auch wenn ein dystopisches und warnendes Bild einer USA im Bürgerkrieg gezeichnet wird, in erster Linie ein Film über den Beruf von Kriegsberichterstattern, deren psychische Belastung ebenso eindrücklich vermittelt wird wie die Kaltschnäuzigkeit, die dieser Beruf voraussetzt.
Passend zum Thema arbeitet Garland dabei mit hartem quasidokumentarischem Realismus, für das Verstörende, Rätselhafte und Uneindeutige, das sich im Werk des Briten von den Science-Fiction-Filmen "Ex Machina" und "Annihilation" bis zum Horrorfilm "Men" fand, ist hier kaum Platz. – So ist "Civil War" bei allen Qualitäten letztlich auch ein Film ohne Geheimnis, ein Film, der alles zeigt und offen darlegt.
Civil War
USA / Großbritannien 2024
Regie: Alex Garland
mit: Kirsten Dunst, Cailee Spaeny, Wagner Moura, Stephen McKinley Henderson, Nick Offerman
Länge: 109 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cineplexx Lauterach, Cineplexx Hohenems und Kino Bludenz sowie in O.m.U. im Skino Schaan.
Trailer zu "Civil War"
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