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AutorenbildWalter Gasperi

Priscilla

Das Mädchen und der "King": Sofia Coppola erzählt die Geschichte von Priscilla Beaulieu und Elivs Presley als Entwicklungs- und Emanzipationsgeschichte einer jungen Frau. – Herausragend gespielt, großartig ausgestattet und mit viel Feingefühl inszeniert.


Während Baz Luhrmann in "Elvis" mit bombastischer Inszenierung Aufstieg und Fall des "Kings" nachzeichnete und Bühnenauftritte eine zentrale Rolle spielten, erzählt Sofia Coppola ganz aus der Perspektive seiner Geliebten und Gattin Priscilla Beaulieu (Cailee Spaeny).


Schon die erste, 1959 in Deutschland spielende Szene gehört ihr. In Großaufnahme rückt die Kamera von Philippe Le Sourd das Gesicht der 14-Jährigen ins Bild, die erst vor kurzem mit ihrer Mutter und ihrem bei der US-Army arbeitenden Stiefvater in der US-Basis angekommen ist. Ein junger Soldat geht auf sie zu und fragt sie, ob sie Elvis Presley kenne. "Of course, who doesn´t?" ist ihre Antwort und gerne nimmt sie auch die Einladung zu einer Party beim schon berühmten King of Rock 'n' Roll an, muss aber zuerst ihre Eltern um Erlaubnis fragen.


Bestechend evoziert Sofia Coppola die Atmosphäre im bei Wiesbaden gelegenen US-Stützpunkt, in dem Elvis Presley (Jacob Elordi) seinen Militärdienst absolviert. Auf Anhieb fühlt sich der zehn Jahre ältere und rund 20 Zentimeter größere Star zu dem Teenager hingezogen. Ihre Sehnsucht nach der Heimat, seine Trauer über die vor kurzem verstorbene Mutter verbinden sie.


Großartig intensiviert Coppola den ersten Kuss, in dem sie ihn mit dem – freilich erst knapp 10 Jahre später entstandenen - Hit "Crimson and Clover" unterlegt. Doch es bleibt beim Küssen und Kuscheln, denn zurückhaltend und feinfühlig agiert vor allem Elvis. Aber auch schon Aufputschmittel, die sich durch den Film ziehen werden, kommen ins Spiel, wenn er Priscilla Tabletten gibt, um nach langen Nächten am nächsten Tag in der Schule durchzuhalten.


Mit viel Fingerspitzengefühl fängt Coppola, unterstützt von der wunderbar natürlich agierenden und bei den Filmfestspielen von Venedig als beste Darstellerin ausgezeichneten Cailee Spaeny, die anfängliche Unsicherheit des Mädchens ein, das durch die Begegnungen mit Elvis, der von Jacob Elordi ebensfalls mit viel Feingefühl gespielt wird, langsam sicherer und befreiter auftritt.


Keine Eskapaden gibt es hier, sondern für jedes abendliche Treffen wird die Erlaubnis von Priscillas Eltern eingeholt. Nicht weniger intensiv vermittelt Coppola auch Priscillas Liebeskummer, als Elvis nach Ende seines Militärdienstes in die USA zurückkehrt, sie aber mit ihren Eltern in Deutschland bleibt.


Schon glaubt sie sich vergessen, da kommt doch noch ein Anruf. Unter Zusicherung, dass Elvis´ strenger Vater die Vormundschaft übernimmt, darf die noch minderjährige Priscilla allein in die USA übersiedeln, um in Elvis´ Anwesen Graceland einzuziehen und in einer katholischen Highschool ihren Schulabschluss zu machen.


Doch das vermeintliche Paradies entpuppt sich zunehmend als goldener Käfig. Schon das mächtige Tor signalisiert die Abschottung von Graceland. Keine Schulfreundinnen darf sie hierher mitbringen, im Park darf sie nicht ungestört spielen, denn Journalist:innen könnten unangemessene Fotos von ihr machen.


Verloren wirkt die kleine Frau in den weiten Räumen. Auch ihren Geliebten sieht sie nur selten, denn immer wieder ist er auf Tour oder bei Dreharbeiten zu Filmen und aus den Boulevardzeitungen erfährt sie von seinen Affären, die er selbstverständlich immer wieder herunterspielt.


Aber auch Elvis selbst schränkt ihre Freiheit ein, gestaltet sie wie Pygmalion nach seinen Wünschen, wenn er ihr vorschreibt, welche Kleider und Haarfarbe sie tragen und wie sie sich schminken soll, und ihr verbietet einen Job anzunehmen.


Zwar wird schließlich geheiratet (1967) und Priscilla gebärt auch die Tochter Lisa Marie (1968), doch die Beziehung bekommt auch aufgrund der heftigen Gefühlsschwankungen des schwer tablettensüchtigen Rockstars zunehmend Risse, bis Priscilla sich entschließt ihr eigenes Leben zu führen und sich trennt.


Wie geschaffen war dieser Stoff für Sofia Coppola. Auf Basis von Priscilla Presleys und Sandra Harmons 1985 erschienener Biographie "Elvis and Me" konnte sie hier nach "The Beguiled - Die Verführten" ein weiteres Mal vom Coming-of-Age und Erwachen eines Teenagers erzählen und wie in "Marie Antoinette" konnte sie wieder auf eine junge Frau fokussieren, die zwar in materiellem Überfluss lebt, aber in ihrem abgeschlossenen Lebensraum keine Erfüllung, sondern Langeweile und Einsamkeit findet.


Im Gegensatz zur knalligen Zuckerpuppenwelt und den poppigen anachronistischen Spielereien von "Marie Antoinette" inszeniert Coppola hier aber ungleich dezenter und zurückhaltender. Nah dran bleibt sie an Priscilla, die in beinahe jeder Szene präsent ist, und zeichnet eindrücklich deren Wandlung nach vom schüchternen über den langsam aufblühenden Teenager zur zunehmend unglücklichen jungen Frau, die sich schließlich aus der Abhängigkeit befreit.


Wie immer bei Coppola wird dabei mit detailreicher Ausstattung, mit Frisuren und Kostümen nicht nur die Zeitstimmung beschworen, sondern auch spürbar, wie das Materielle die Menschen bestimmt. Auch die sanften Pastellfarben verstärken das Bild einer äußerlich sorgenfreien, heilen Welt, hinter der freilich zunehmend die Unfreiheit Priscillas sichtbar wird.


Zwangsläufig tendiert "Priscilla" dabei nach dynamischem Auftakt mit der Ankunft in Graceland zunehmend zu Stillstand und Wiederholungen, da diese auch das Leben der Protagonistin bestimmen. Doch der Film braucht diese Momente, um die unbefriedigende und auf Dauer unerträgliche Situation Priscillas zu vermitteln. - Erst aus diesem Stillstand und der Beengung heraus gewinnt der finale Befreiungsschlag seine Kraft und entwickelt sich über die konkrete Filmhandlung hinaus zum allgemeinen Aufruf an Frauen, sich aus unbefriedigenden Verhältnissen zu befreien und sich für ihren eigenen Weg zu entscheiden.

 

 

Priscilla

USA / Italien 2023

Regie: Sofia Coppola

mit: Cailee Spaeny, Jacob Elordi, Ari Cohen, Dagmara Dominczyk, Tim Post, Lynne Griffin, Dan Beirne, Rodrigo Fernandez-Stoll, Jorja Cadence, Josette Halpert

Länge: 113 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan und ab 4.1. in den österreichischen und deutschen Kinos


Trailer zu "Priscilla"




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