Chronologisch geordnet im Folgenden in den letzten zwei Jahrzehnten verfasste Rezensionen zu Filmen von Sofia Coppola.
Lost in Translation (2003)
Zwei Amerikaner, ein Mann in der Midlife-Crisis und eine junge von ihrem Gatten vernachlässigte Ehefrau, begegnen sich zufällig in Tokio. Sofia Coppola entwickelt daraus, unterstützt von der hinreißenden Scarlett Johansson und dem stoischen Bill Murray in den Hauptrollen, eine schwerelose melancholische Tragikomödie.
Ein Flugzeug landet in Tokio - der US-Filmstar Bob Harris kommt zwecks eines Werbefilms für Whisky in die japanische Metropole. Nach knapp einer Woche und 105 Minuten wird er die Stadt wieder verlassen.
Alle begrüßen ihn mit japanischer Freundlichkeit, doch er kann vom Jetlag geplagt nicht schlafen. Die Telefongespräche mit seiner Frau bleiben unverbindlich und schal. Die Ehe ist Routine geworden und der gut 50jährige Harris selbst befindet sich mitten in der Midlife-Crisis. Beim Dreh versteht er kein Wort, er erfüllt aber seine Pflicht. Am Abend hängt er in der Hotelbar herum und lernt dort die junge Yale-Absolventin Charlotte kennen, deren Mann in Tokio als Fotograph arbeitet und für seine Frau keine Zeit hat. Nicht minder gelangweilt als Bob ist sie und so unternehmen sie gemeinsam Streifzüge durch die Stadt, durch Bars und Clubs.
Näher kommen werden sich die beiden, aber der körperliche Kontakt wird sich in diesem sanften und wunderbar zurückhaltenden Film auf eine zarte Berührung von Charlottes Fuß und einen Kuss am Ende beschränken.
Die Hauptrollen scheinen Bill Murray und Scarlett Johansson auf den Leib geschrieben zu sein. Hinreißend ist er, wenn er Frank Sinatra und Dean Martin imitiert, bezaubernd ist ihr Lächeln. Mit viel Einfühlungsvermögen und spürbar aus persönlichen Erfahrungen heraus erzählt Coppola diese Geschichte ebenso stilsicher wie gelöst. Auf Spektakuläres verzichtet die 34jährige Tochter von Francis Ford Coppola. Subtil vermittelt sie in alltäglichen Szenen, in Blicken und Gesten, die Seelenverwandtschaft.
So bestechend das Spiel und die Inszenierung dieser Begegnung auch sind, zum traumverlorenen Wunderwerk wird „Lost in Translation“ erst durch die melancholische Atmosphäre, die Coppola durch den superben Soundtrack und das Wechselspiel von Innen und Außen, von Blicken auf dieses Paar, das kein Paar ist, und auf die Metropole evoziert. Zu prägnanten Spiegelbildern der Einsamkeit und Isolation dieser in der Fremde verlorenen Protagonisten werden dabei die Großstadtbilder mit Wolkenkratzern und Leuchtreklamen und nicht von ungefähr wird Fellinis „La dolce vita“ zitiert: Wie der Italiener vor 45 Jahren, so deckt auch die Amerikanerin in allem materiellen Überfluss Einsamkeit und innere Leere auf.
Marie Antoinette (2006)
Mit ihrem poppigen Girlie-Drama über die während der Französischen Revolution hingerichtete Königin hält Sofia Coppola der Spassgesellschaft der Gegenwart den Spiegel vor.
Rosa Vorspanntitel und Popmusik stimmen auf das Kommende ein. – An Aufwand bei Kostümen und Perücken, Dekors und Settings wurde zwar nicht gespart, doch nicht um historische Exaktheit geht es Coppola, sondern um die Evokation einer Gesellschaft, die in ihrem Überfluss, sich nicht nur vom Volk abgesondert hat, sondern auch in ihrem Leben erstarrt und zu Gefühlen längst nicht mehr fähig ist.
Als natürliches Mädchen kommt die jüngste Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia 1770 im Alter von 14 Jahren ins absolutistische Frankreich, um aus politischen Gründen mit dem Thronfolger verheiratet zu werden.
Ihr altes Wesen muss Marie Antoinette (Kirsten Dunst) an der Grenze ablegen und nicht nur ihre Freundinnen und den geliebten Hund Mops, sondern auch ihre Kleider zurücklassen. Nackt wird sie übergeben und neu eingekleidet. „Das ist lächerlich!“ stellt sie bald fest und erhält als Antwort „Das ist Versailles!“ In die Etikette wird sie gepresst, fügt sich eine gewisse Zeit den Regeln, doch wird dieser überdrüssig, als Ludwig sich ihr im Ehebett entzieht und folglich auch Nachkommen ausbleiben.
Allein gelassen wendet sich die junge Königin anderen Genüssen zu: Essen, Partys und Shopping. - Das Volk bleibt ausgeschlossen, kommt erst mit der Revolution kurz ins Bild.
Wie Porzellanpüppchen bewegen sich die Figuren mit ihren kunstvollen Frisuren durch den Film und wirken wie die rosa und mintfarbenen Kuchen förmlich von Zuckerguss überzogen. Nicht von ungefähr wird von Marie Antoinette auch einmal Jean Jacques Rousseau zitiert: Die Überzivilisierung hat dieser Gesellschaft das Leben ausgetrieben.
Ohne zu kommentieren wird dabei Coppolas Blick allein durch die Beschränkung auf die akribische Schilderung des oberflächlichen Hofstaates ironisch. In der endlosen Morgentoilette, der einförmigen Kommunikation und den Jagdgesellschaften wird die ganze Lächerlichkeit und Leere dieser Gesellschaft sichtbar.
Marie Antoinette erscheint dabei nicht als Täterin, nicht als die das Volk verachtende Königin, die auf die Meldung „Das Volk hat kein Brot“, zynisch geantwortet haben soll „Dann soll es doch Kuchen essen“, sondern als Opfer einer erstarrten Gesellschaft. In statischen Einstellungen fängt Coppola ihre Vereinsamung ein. Versailles wird ihr zum Gefängnis, wenn die Kamera sie in einem langen Rückwärtszoom in der Fassade isoliert.
Im Gegensatz dazu stehen die ausgelassenen Feste mit Freundinnen, bei denen die bewegliche Handkamera Lebensfreude vermittelt. - Wirklich ausbrechen aus ihrem goldenen Käfig möchte die Königin aber nicht: Da müsste sie wohl auf zu viel verzichten.
Marie Antoinette ist eine Seelenverwandte der Selbstmord begehenden Schwestern in Coppolas Debüt „The Virgin Suicides“ und von Scarlett Johansson im melancholischen „Lost in Translation“. – Gemeinsam sind diesen jungen Frauen Isolation, Einsamkeit und der Versuch der inneren Leere zu entkommen. Nach Selbstmord und Melancholie stellt Coppola mit hemmungsloser Genusssucht eine weitere – nicht Ziel führende – Fluchtbewegung aus einem sinnentleerten Leben vor.
Der historische Gestus wird dabei auf mehrfache Weise gebrochen: Nicht nur ein anachronistischer Converse-Turnschuh im Schuhschrank reisst den Zuschauer aus der Vergangenheit heraus, sondern auch Popsongs wie Bow Wow Wows 1982er Hit „I Want Candy“.
Und die Partystimmung mit Champagner und Würfelspielen lässt eher an Paris Hilton und ihre Gespielinnen als ans 18. Jahrhundert denken. Im historischen Gewand erteilt die Amerikanerin so dem Konsumdenken und der Spassgesellschaft der Gegenwart eine Absage, kritisiert die Schicki-Micki-Gesellschaft, kann aber auch aufgrund der Reduktion auf die Beschreibung der Oberfläche und der Äußerlichkeiten Wiederholungen und Längen nicht vermeiden.
Somewhere (2010)
Den Traum vom wunderbaren Leben eines Filmstars dekonstruiert Sofia Coppola gründlich. Die leise Studie der Entfremdung, die bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, läuft ab morgen im Kinok.
In einer Halbwüste dreht ein schwarzer Ferrari seine Runden. Mal verschwindet er aus dem Bild, dann taucht er wieder auf und zwischendurch heult immer wieder der Motor auf. Statisch bleibt die Kamera, folgt dem monotonen und reichlich sinnlosen Geschehen aus der Distanz, bis der Wagen im Bildvordergrund hält und ein Mann aussteigt.
Prägnant bringt Sofia Coppola in dieser mehrminütigen ersten Einstellung die Situation ihres Protagonisten Johnny Marco (Stephen Dorff) auf den Punkt: Mag sich der Hollywood-Star auch in seiner Berühmtheit suhlen, so verdeckt der äussere Glanz doch nur die innere Leere und Monotonie seines Lebens. Partyszenen mit Alkohol und Drogen folgen, die Frauen fliegen Johnny zu und jede will einen One-Night-Stand mit ihm. Manchmal schläft er auch beim Sex ein, kann die Namen seiner Partnerinnen oft nicht auseinander halten, folgt von seinem Bett aus gelangweilt dem stereotypen Tanz von zwei blonden Stripperinnen an der Stange.
Fast wortlos evoziert Coppola die Einsamkeit und Leere, den Verlust jeder Beziehung zur Welt und zu sich. Der weitgehende Verzicht auf Kamerabewegungen korrespondiert mit der Erstarrung des Protagonisten. Fern vom Alltag lebt er nicht in einem Privathaus, sondern in Hollywoods legendärem Hotel Chateau Marmont am Sunset Boulevard. Um nichts muss er sich kümmern, das Personal erfüllt seine Wünsche sofort, und seine weitgehend unsichtbar bleibende Agentin arrangiert für ihn die Geschäftstermine.
Meisterhaft schildert Coppola das ihr bestens bekannte Celebrity-Milieu. So elegant und schick wie diese Society ist ihr Film, macht aber eben auch virtuos die Abgründe hinter dieser Oberfläche sichtbar. Der Blick ist aber nicht vernichtend, sondern zart und mitfühlend, getragen von der Sehnsucht, dass ihr Johnny doch noch einen Ausweg aus dieser Sackgasse findet. Sentimental wird das aber nie, dazu blickt Coppola viel zu lakonisch von aussen auf das Geschehen, begleitet Johnny teilweise fast dokumentarisch durch sein Leben. Keine dramatische Steigerung gibt es, sondern eine Abfolge von Szenen und Auftritten, die alle nur Show ohne authentische Gesten und Gefühle sind.
Daran ändert sich zunächst auch nichts, als sich der Filmstar auf unbestimmte Zeit um seine elfjährige Tochter Cloe (Elle Fanning) kümmern muss, aber langsam und leise gewinnt er doch wieder eine Ahnung von einem anderen Leben, das ungleich realer und reicher sein könnte als das von ihm geführte.
Als große Stilistin erweist sich die 40-jährige Amerikanerin mit ihrem vierten Spielfilm, als Meisterin in der Beschwörung einer Stimmung der Melancholie und Verlorenheit. Vieles erinnert an ihren Erfolg „Lost in Translation“, bis in Details hinein von einer Liftszene bis zum Karaoke gibt es Parallelen. Doch während dort Charme und Witz die Tristesse abfederten, ist „Somewhere“ deutlich bitterer, verzichtet auf expliziten Humor und erzählt auch bei weitem nicht so offensiv von einer Annäherung.
Wie durch den ganzen Film ist Johnny auch am Ende mit seinem schwarzen Ferrari unterwegs, der wie ein Sarg wirkt, in dem er gefangen ist. Und die Halbwüsten entlang der endlosen Highways werden zum Spiegelbild der Seele. Doch die sinn- und endlose Kreisbewegung des Beginns wird Coppola nun in eine Vorwärtsbewegung umformen, an die Stelle der Statik Dynamik treten lassen und so – verstärkt noch durch die Nachspannmusik - eine Befreiung und einen Neubeginn andeuten.
The Bling Ring (2013)
Nach einem wahren Fall erzählt Sofia Coppola von fünf Jugendlichen, die in Los Angeles in die Villen von Berühmtheiten wie Paris Hilton oder Lindsay Lohan einbrachen. - Flott erzählt, den grenzenlosen Materialismus und Hedonismus vorführend, aber auch redundant in der Beschränkung auf die Einbrüche und etwas oberflächlich wie die geschilderte Welt.
Sofia Coppola kennt die Glamourwelt Hollywoods von der sie schon in „Somewhere“ erzählte, ist selbst in diesem Milieu aufgewachsen. Auf der Basis eines Artikels von Vanity Fair mit dem Titel „The Suspects wore Louboutins“ erzählt sie nun in „The Bling Ring“, den sie ihrem während der Dreharbeiten verstorbenen Kameramann Harry Savides gewidmet hat, von den sogenannten Hollywood-Hills-Dieben, die aus Langeweile und um ihren Modeikonen nahe zu sein und noch mehr in deren Leben einzutauchen, mehr als aus Gier nach Luxus in den Jahren 2008 und 2009 in die Häuser ihrer Idole einbrachen. Insgesamt Waren im Wert von drei Millionen Dollar erbeuteten die Kids.
„Bling Ring“ setzt mit einem Einbruch und der Bemerkung „Let´s Go Shopping“ ein. - Wie andere einkaufen, brechen die Kids hier ein. Laute Rockmusik und grell-gelbe Vorspanntitel stimmen auf die Gangart und die Oberflächlichkeit nicht nur der Protagonisten, sondern mehr noch der Welt, die diese geschaffen hat ein: in der Villa nimmt man mit, was gefällt: Schuhe, Schmuck, Kleider.
Dass das nicht gut gehen kann, macht Coppola aber von Anfang an klar, denn schon am Beginn gibt es eine kurze Verhörszene mit Nikki. Gewandelt erscheint sie hier, will nun zum Vorbild werden, sich für Menschen und den Planeten einsetzen. - Perfekt einstudiert wirkt ihr Statement.
Dann wird mit einem Insert ein Jahr zurückgeblendet, doch und auch in der Folge unterbrechen immer wieder kurze Verhörszenen die Handlung. Wenn über Facebook-Einträge zum Vorspann die Protagonisten vorgestellt werden, macht das auch klar, welches Medium hier entscheidend ist – entscheidend auch für die Vorbereitung der Einbruchstouren: Denn über Internet kann man leicht erfahren, wo die Celebritys wie Paris Hilton, Audrina Patridge, Megan Fox, Rachel Bilson, Lindsay Lohan wohnen. Dass sie momentan gerade auf einer Fashion-Week, bei Dreharbeiten sind oder das Wochenende in Las Vegas verbringen, erfährt man auch aus dem Netz: Als Promis ist ihr Leben öffentlich – sie informieren über alles, was sie tun. Die Teenager wissen auch genau, wie ihre Häuser ausschauen, welche Räume sie haben.
So geht der neu an die Schule gekommene Marc, angetrieben von der chinesischstämmigen Rebecca bald auf Diebestour, dazu kommen Nikki und Sam, die nicht in die Schule gehen, sondern von Nikkis Mutter Privatunterricht zu Hause erhalten. - Satirisch ist der Blick auf diese esoterisch orientierte Mutter, die die Kids längst nicht mehr ernst nehmen. Beim Thema Charakterbildung fallen ihnen zum Bild von Angelina Jolie nur ihr Ehemann und ihr geiler Körper ein. - Bloßgestellt wird hier ihre Oberflächlichkeit.
Sie stammen aus der gut situierten Mittelschicht, im Grunde fehlt ihnen nichts, aber den Luxus der Stars können sie sich nicht leisten, träumen aber davon. Am Abend geht es auf Partys und in Discos – freilich nicht in irgendwelche, sondern in die, die ihre Vorbilder als ihre Lieblingslocations nennen. Es wird getanzt, gekokst und getrunken. Lifestyle- und Modemagazine geben vor, was in ist. Zunächst klaut man Wertsachen aus nicht abgeschlossenen Autos, dann die Wagen und bald nützt man die Chance in eine Promi-Villa einzubrechen. - Doch es bleibt nicht bei einem Einbruch und man wird immer kühner, prahlt auch mit seinen Diebestouren. - Vor allem ein Überfall bleibt in Erinnerung, den Coppola in einer einzigen Totalen zeigt, in der die Teenager aus der Distanz wie in einem Puppenhaus wirken, die aber gleichzeitig mit den vielen Glasflächen des Hauses sichtbar macht, wie öffentlich das Leben dieses Stars ist.
Out möchte man nicht sein und so nützt man die Gelegenheit bei den Promis sich Luxusartikel zu beschaffen, da ja Paris Hilton – ihr Haus, in dem es von Kissen mit ihren Konterfei wimmelt, der Stiegenaufgang mit Zeitschriftencovers mit ihrem Gesicht behängt ist, diente auch als Drehort - sogar den Schlüssel unter der Fußmatte versteckt, andere Häuser oder Autos gar unversperrt sind. Da werden dann Louboutin-Schuhe, Prada-Taschen, Birkin-Taschen, McQueen Sonnenbrillen und Designer-Klamotten abgestaubt, auch eine Schachtel mit Rolex-Uhren und Bargeld nimmt man mit. - Man will so leben und so werden wie die Promis. Berufe als Designer, Model und in der Lifestyle-Branche sind der Traum. Ein Teil der geklauten Ware – man will ja so sein wie die Idole - behält man, ein Teil wird verkauft
Das ist flott und ausgesprochen stilsicher inszeniert. Coppola beherrscht ihr Handwerk und auch die Teenager sind trefflich besetzt, doch beschränkt sich die Regisseurin ganz auf die Perspektive der Jugendlichen, erlaubt sich mit einem Cameo-Auftritt von Paris Hilton und Kirsten Dunst einen kleinen Gag, ist aber auch in der Wiederholung der Einbrüche bis hin zur Verhaftung und dem Prozess etwas redundant, lässt tiefere Einblicke vermissen und bleibt an der Oberfläche wie die Gesellschaft, die hier geschildert wird. Zu dürftig und zu karikaturenhaft bleiben die wenigen Blicke ins Familienleben
Ein Perspektivenwechsel nimmt Coppola dabei gegenüber den früheren Filmen vor, schildert nicht mehr die High-Society, sondern die, die zu dieser dazugehören wollen und die Celebritys dazu bestehlen.
Ihr Ziel berühmt zu werden haben die Jugendlichen freilich mit Verhaftung und Prozess erreicht. Fotogewitter ist ihnen beim Weg zum Prozess sicher und auch Interviews mit ihnen sind gefragt – wenn auch auf eine Art, wie sie es sich wohl nicht gewünscht haben. Coppola wird diese Berühmtheit mit dem Film noch mehren.
Zu nah bleibt sie aber an den Ereignissen, beschränkt sich auf die Nachzeichnung, lässt es aber an Überhöhung und eigener Position vermissen. In der Redundanz macht der Film aber auch die Leere des Lebens dieser Jugendlichen sichtbar. Diesmal blickt Coppola aber kühl und gleichgültig darauf, es fehlt die melancholische Stimmung, die Beschwörung einer Sehnsucht nach etwas anderem als diese Leere, die die bisherigen Filme der Amerikanerin auszeichneten. Kühl und nüchtern ist der Blick, hier wird nicht mit erhobenem Zeigefinger moralisiert, aber es gibt auch keine sympathischen Figuren: die konsumsüchtigen und für die Mode-Ikonen schwärmenden Teenager sind genauso unsympathisch wie die Promis, die bestohlen werden.
The Beguiled – Die Verführten (2017)
Ein verletzter Nordstaatensoldat wird während des amerikanischen Bürgerkriegs in einem Mädcheninternat aufgenommen. – Sofia Coppola erzählt in ihrem Remake eines Don Siegel/Clint Eastwood-Films aus weiblicher Perspektive in betörend schönen Bildern, wie das Eindringen des Mannes Sehnsüchte und Begehrlichkeiten und damit auch Eifersüchteleien und Rivalitäten weckt.
Wie in einem verwunschenen Märchenwald liegt das prächtige Mädchenpensionat, dessen Fassade weiße ionische Säulen zieren, im ländlichen Virginia. 1864 tobt zwar der Bürgerkrieg, doch in dieser Abgeschiedenheit erinnern daran nur ferner Kanonendonner, Rauchschwaden oder hin und wieder passierende Trupps von Soldaten. Wie aus dem Versailles in Coppolas «Marie Antoinette» scheint die restliche Welt hier durch ein Eisengitter ausgesperrt.
Als eine der fünf im Pensionat verbliebenen Schülerinnen beim Sammeln von Pilzen auf einen verwundeten Soldaten der Nordstaaten trifft, erschrickt sie zunächst verständlicherweise, bringt ihn dann aber ins Haus. Nach kurzer Diskussion über das weitere Vorgehen, beschließt die Direktorin (Nicole Kidman) den verletzten Corporal John McBurney (Colin Farrell) zunächst gesund zu pflegen und erst dann an die Südstaaten auszuliefern.
Die Präsenz des Mannes ist für die Frauen nicht nur eine willkommene Abwechslung im doch recht eintönigen Alltag, den Coppola ausführlich schildert, sondern bringt auch rasch Bewegung in das soziale Gefüge. Sichtlich Gefühle werden bei der Direktorin wach, wenn sie dem bewusstlosen McBurney die Brust wäscht oder seine Hand hält.
Doch auch die Lehrerin (Kirsten Dunst), die ihre Jugend schwinden fühlt, sieht hier die Chance auf ein Liebesglück, während die pubertierende Schülerin Alicia (Elle Fanning) wohl erste sexuelle Erfahrungen machen möchte. Und für die jüngeren Schülerinnen ist der Soldat wiederum durch seine Fremdheit und Neuheit interessant.
Nie wird der Film, der nicht nur in seiner Ästhetik, sondern auch in der Frauengemeinschaft an Coppolas Debüt «The Virgin Suicides» erinnert, das Anwesen verlassen. Unaufgeregt, aber durch die kontrollierte Inszenierung, durch die das kontrollierte Leben im Internat auch durch die Form vermittelt wird, sehr dicht schildert die 45-jährige Amerikanerin, wie der Alltag mit Schulunterricht, Haus- und Gartenarbeit zwar einerseits weitergeht, andererseits sich aber mit der Aufnahme des Soldaten das Verhalten der Frauen auch verändert.
Man begründet das Verhalten zwar mit christlicher Nächstenliebe und spricht von Barmherzigkeit, kleidet sich aber gleichzeitig auch schön, um dem Gast zu gefallen, und versucht auch möglichst oft in das Musikzimmer zu kommen, in dem er untergebracht wird.
Die echten Gefühle mag man sich und den anderen offensichtlich nicht eingestehen, versteckt sie unter hehren christlichen Motiven. Der Gast wiederum ist sich seiner Wirkung auf die Frauen und damit auch seiner Position durchaus bewusst, schmeichelt ihnen und versucht sie als Hahn im Korb zu manipulieren und für seine Zwecke einzuspannen.
In betörend schönen, in sanfte warme Pastellfarben getauchte und teils lichtdurchfluteten, teils nur von Kerzenlicht erhellten Bildern (Kamera: Philippe Le Sourd) beschwört Coppola, die beim Filmfestival von Cannes für die beste Regie ausgezeichnet wurde, die brüchige Idylle. Ganz verzichtet sie bei dem auf 35-mm-Film gedrehten Werk auf Manierismen und poppige Spielereien, die noch «Marie Antoinette» den Stempel aufdrückten.
Erst spät, wenn der Film eine dramatische Wende nimmt, an Tempo zulegt und eine dunklere Tonart anschlägt, greift sie punktuell zu Filmmusik, während davor für die Tonspur einzig Naturgeräusche wie Vogelgezwitscher und Zirpen der Grillen oder das Musizieren der Frauen sorgte.
Entscheidend für den Film ist freilich die Verschiebung der Perspektive, die Coppola gegenüber Don Siegels 1971 gedrehter Erstverfilmung von Thomas P. Cullinans Roman vornimmt. Stand dort Clint Eastwood als verwundeter Soldat im Mittelpunkt, so sind es hier eindeutig die Frauen.
Mögen sie zunächst zwar im verwundeten Feind den Menschen entdecken, so werden sie ihn doch wieder bekämpfen als er beginnt, ihr fragiles soziales Gefüge in Unordnung zu bringen. In historischem Gewand erzählt Coppola so zeitlos von Verdrängung und Unterdrückung von Gefühlen, um ein möglichst konfliktfreies soziales Miteinander zu ermöglichen.
Was diese Ordnung zu stören droht, wird ausgeschlossen. Ruhe wird so auch wieder am Ende im Mädcheninternat einkehren, doch gleichzeitig sperrt die Kamera die sieben Frauen durch den Blick durch das eiserne Tor auch in ihrem Anwesen ein und schließt sie von der restlichen Welt wieder aus.
On the Rocks (2020)
Die Parallelen zu Sofia Coppolas Erfolgsfilm "Lost in Translation" sind unübersehbar: Wurde dort eine quasi Vater-Tochter-Geschichte erzählt, ist es hier eine echte. Und wieder spielt Bill Murray die männliche Hauptrolle. - Eine leichthändig inszenierte Komödie, die hinter der Oberfläche auch über Schwierigkeiten des Familienlebens reflektiert und den Zuschauer mit einem Schmunzeln aus dem Kino entlässt.
Ein aus dem Off eingesprochener Dialog, in dem eine Männerstimme betont, dass die Tochter quasi sein Besitz sei, stimmt schon auf den übermächtigen Vater ein, als der sich Bill Murray, dessen Auftritt durch die Musik vorbereitet und akzentuiert wird, nach 15 Minuten präsentiert. Mehr an anderen Frauen als an der Familie war der Kunsthändler immer interessiert, jetzt will er sich aber um seine Tochter Laura kümmern und mischt sich zunehmend in ihr Leben ein.
Offen bleibt, inwieweit Sofia Coppola in ihrem siebtem Spielfilm eigene Erfahrungen mit ihrem Übervater und Filmmogul Francis Ford Coppola verarbeitet hat. In der zweifachen Mutter Laura (Rashida Jones), die mit der Arbeit an ihrem Buch nicht weiterkommt, und die das Verhalten ihres Mannes zunehmend irritiert, kann man aber wohl teilweise ein Alter Ego der Regisseurin sehen.
Schon seltsam ist, wie ihr Mann Dean (Marlon Wayans) sie, während sie schläft, zunächst leidenschaftlich küsst, dann aber plötzlich das Interesse verliert, als er ihr ins Gesicht sieht und sie erkennt. – Hat er an eine andere Frau gedacht? Und was ist von dem Frauen-Kulturbeutel zu halten, den Laura nach einer Geschäftsreise Deans in seinem Koffer findet. - Ihr Mann hat freilich eine Erklärung dafür und seine häufige Abwesenheit erklärt er mit dem Aufbau der neuen Firma. Aber läuft da vielleicht doch mehr mit seiner Mitarbeiterin Fiona?
Als Laura ihren Vater darüber informiert, ist dieser als ausgesprochener Womanizer sofort überzeugt, dass Dean eine Affäre hat, lässt ihn von einem Detektiv überwachen und macht sich nachts auch selbst mit Laura auf, ihm hinterher zu spionieren….
Von der Figurenkonstellation älterer Herr und jüngere Frau erinnert "On the Rocks" natürlich an Coppolas wohl größten Erfolg "Lost in Translation" und nicht nur die Besetzung der männlichen Hauptrolle mit Bill Murray, sondern auch die weibliche Hauptdarstellerin Rashida Jones verstärkt mit ihrer äußeren Ähnlichkeit mit Scarlett Johansson diese Assoziation. An die Stelle von Tokio ist hier ein schickes, vor allem nächtliches New York getreten und an die Stelle der Verträumtheit und Melancholie der bittersüßen Fast-Liebesgeschichte zweier Fremder, die sich zufällig in einem Hotel in der japanischen Metropole begegnen, die Vertrautheit eines Vaters und einer Tochter.
Auch hier gelingt es Coppola bei einer Party leichthändig die Oberflächlichkeit und Leere solcher Veranstaltungen zu evozieren, vor allem bietet der Film aber eine Plattform für Bill Murray, dessen Rolle ein Mix aus seiner Rolle in "Lost in Translation" und der in Jim Jarmuschs "Broken Flowers" ist, in dem er als alternder Frauenheld seine einstigen Geliebten aufsuchte.
Wie Truffaut sagte, dass Filme dazu da seien, um schöne Frauen schöne Dinge tun zu lassen, so scheint "On the Rocks" da zu sein, um Bill Murray mehr oder weniger witzige Dinge machen zu lassen. Wie immer spielt der US-Star natürlich souverän diesen im Grunde übergriffigen Vater, der jede Frau anspricht und mit seiner Eloquenz und seinem Charme früher offensichtlich auch problemlos jede Menge Eroberungen gemacht hat, inzwischen aber in die Jahre gekommen ist. Eine Trouvaille ist einfach, wie er nach einer wilden Verfolgungsjagd mit einem knallroten Cabrio durch das nächtliche New York auch einen Polizisten, der ihm einen Strafzettel verpassen will, für sich gewinnt und schließlich von ihm sogar Pannenhilfe erhält.
Für die Haupthandlung ist diese Szene völlig unwichtig, dient höchstens der Charakterisierung von Murrays anachronistischem Macho, soll aber wohl vor allem Vergnügen bereiten. Mag dieser – immer wieder auch peinliche – Charmeur, der wohl auch aus Langeweile seine Tochter vermehrt aufsucht und Ermittlungen gegen deren Mann einleitet, auch der Motor von "On the Rocks" sein, so ist die zentrale Figur doch Laura. Denn neben der Vater-Tochter-Geschichte erzählt Coppola beiläufig auch Einiges über die Belastungen einer berufstätigen Mutter, die sich auch um zwei kleine Kinder kümmern muss, über Angst vor männlicher Untreue, aber auch über ihre Lösung vom dominanten Vater.
Wenn Laura schließlich die vom Vater geschenkte Uhr ab- und die ihres Mannes anlegt, markiert dies ebenso gewissermaßen eine Abnabelung und der Beginn eines neuen Abschnitts in ihrem Leben, wie der Umstand, dass sie am Ende pfeifen gelernt hat, quasi ihre eigene Musik spielt und nicht mehr nach den Pfeiftönen des Vaters tanzt.
Das gefällt, weil das lakonisch und mit feiner Ironie im Blick auf Murrays Figur inszeniert ist, und der Film sich selbst nicht so wichtig nimmt, sondern sich fast schon als leichthändige Fingerübung ausgibt, aber gerade dadurch charmant unterhält und den Zuschauer gelöst und mit einem Lächeln auf den Lippen aus dem Kino entlässt.
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