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  • AutorenbildWalter Gasperi

Barbie


Greta Gerwig feiert und zertrümmert zugleich das Barbie-Universum, stellt die Puppenwelt der Realität gegenüber, zieht männliches Macho-Gehabe durch den Kakao und singt eine Hymne auf weibliches Empowerment: Kein Kinderfilm, sondern ein von zahllosen Meta-Witzen durchzogenes, vor Einfallsreichtum sprühendes, knallbuntes Vergnügen vor allem für ein erwachsenes Publikum.


Kann ein Film über die "Barbie"-Puppe wirklich etwas taugen? – Skepsis ist angebracht, doch andererseits hat sich Greta Gerwig, die zusammen mit ihrem Partner Noah Baumbach auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, mit ihren beiden Regiearbeiten "Lady Bird" und "Little Women" als hochbegabte Filmemacherin mit entschieden feministischer Haltung etabliert.


Im Gegensatz zur Skepsis schraubte dann der erste Teaser, der nun die Pre-Title-Sequenz bildet, die Erwartungen in die Höhe: Wie hier Gerwig Kubricks "2001" parodiert und auf die Zerschlagung von Babypuppen, an denen Mädchen die ihnen später zugedachte Mutterrolle üben sollten, wie Kubricks Monolith die langbeinige erwachsene Barbie auf die Erde fällt, ist ein Auftakt, der die Gangrichtung vorgibt.


Denn beginnt die eigentliche Handlung noch in der ganz in Rosarot getauchten perfekten Barbie-Welt, in der die Frauen Schlüsselpositionen einnehmen, Nobelpreisträgerinnen, Präsidentinnen und Physikerinnen sind und die Kens nur als durchtrainierte Accessoires der Barbies fungieren, so bekommen die Verhältnisse mit einem Ausflug Barbies und Kens in die reale Welt Risse. Denn ganz im Gegensatz zur Barbie-Welt herrschen dort die Männer.


Temporeich und mit Verve rechnet Gerwig so mit dem Patriarchat ab, doch Kens Erfahrung bei den Menschen lässt ihn nach Rückkehr in die Puppenwelt auch hier eine Verfassungsänderung planen. Gleichzeitig folgen mit der Chefetage der Barbie-Firma Mattel, die ausschließlich aus Männern besteht, weitere Menschen den beiden Puppen nach Barbie-Land.


Leichthändig und mit viel Liebe zum Detail bei Ausstattung (Sarah Greenwood) und Kostümen (Jacqueline Durran) setzt Gerwig diese knallbunte Kunst-Welt in Szene. Sie feiert einerseits mit Oberflächenreizen diese perfekte Puppenwelt und wirft gleichzeitig einen kritischen Blick darauf. Denn während auf der einen Seite in einer Szene das Schönheitsideal in Frage gestellt wird, das durch Barbie propagiert wird, macht sich andererseits Ryan Gosling als Ken mit viel Lust an Selbstironie über männliche Macho-Posen lustig. Und bei Barbie selbst wiederum setzt langsam ein Selbstfindungsprozess ein.


Da mögen die Kens durch Gehirnwäsche der Frauen zwar vorübergehend auch in Barbie-Land patriarchale Strukturen etablieren können, doch unterstützt von der Weird Barbie gelingt dann doch wieder der Umsturz. Kernstück des Films ist dabei eine fulminante Rede, in der eine Mutter aus der realen Welt (America Ferrera) eindrücklich die immensen Anforderungen, die an Frauen im Berufs- und Familienleben gestellt werden, aufzeigt.


Aber auch mit Perfektionsstreben wird abgerechnet und für Toleranz und Akzeptanz des Unkonventionellen und Fehlerhaften wird plädiert. Denn da bringen nicht nur Todesgedanken und Zellulitis die heile Welt der stereotypen Barbie in Unordnung, sondern gerade die ausgegrenzte Weird Barbie erweist sich als wichtige Helferin.


Für Witz sorgt aber auch immer wieder das Spiel mit der Meta-Ebene. Denn da wird nicht nur aus dem Off kommentiert, dass Margot Robbie eine Fehlbesetzung für die Titelrolle sei, sondern auch Geschichte und Name der 1959 erfundenen Puppe werden reflektiert, wenn im Firmengebäude von Mattel in einer Kellerkammer eine alte Dame sitzt.


Gleichzeitig erzählt "Barbie" aber auch eine Selbstfindungsgeschichte, die daran erinnert sich nicht über Dinge, sondern über seine Persönlichkeit zu definieren. So lernen nicht nur die einzelnen Kens schließlich "Ich" zu sagen, sondern auch Barbie entwickelt eine Identität, fällt selbstständig Entscheidungen und will schließlich auch das physische Defizit, mit dem sie ihre Entwickler versahen, in der realen Welt korrigieren lassen.


Insgesamt ist das wohl ein bisschen zu ausfransend und wenig fokussiert, bereitet aber mit der leichthändigen Mischung aus Klamauk und ironischen Spitzen sowie dank perfekter Ausstattung, eines groß aufspielenden Ryan Gosling und zahlreichen Musical-Einlagen nicht nur für Barbie-Fans, sondern auch für Barbie-Hasser temporeiche Unterhaltung voll gesellschaftskritisch-feministischer Spitzen.



Barbie USA / Großbritannien 2023 Regie: Greta Gerwig mit: Margot Robbie, Ryan Gosling, Emma Mackey, Helen Mirren, Will Ferrell Länge: 115 min.



Läuft derzeit in den Kinos


Trailer zu "Barbie"




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