Mit „Frances Ha“ stieg Greta Gerwig 2012 zum Star auf, ihr Regiedebüt „Lady Bird“ wurde 2018 für fünf Oscars nominiert, ging aber bei der Preisverleihung leer aus. Mit ihrer Darstellung etwas chaotischer unabhängiger Großstädterinnen prägte sie ein neues Frauenbild im US-Kino. Das St. Galler Kinok widmet der 36-jährigen Kalifornierin im September eine Filmreihe.
Wie die Protagonistin ihres Regiedebüts „Lady Bird“ (2017) stammt die am 4. August 1983 geborene Greta Gerwig aus der kalifornischen Hauptstadt Sacramento, doch der von Saorsie Ronan gespielte Teenager sei nicht autobiographisch zu sehen, sondern vielmehr ein Gegenentwurf zu ihr selbst. Während Lady Bird sich widerborstig präsentiert und von den anderen abgrenzen will, habe sie selbst die Regeln befolgt und sich angepasst verhalten.
Der autobiographische Hintergrund mit der Vorstadt von Sacramento und der katholischen Highschool als Schauplätze verleiht „Lady Bird“ aber eine Frische und Echtheit, die auch immer wieder das Spiel Gerwigs auszeichnen. Wie Lady Bird – und auch die Protagonistin in Noah Greenbergs „Frances Ha“ (2012) - ging auch sie selbst nach Abschluss der Highschool nach New York. Dort studierte sie Philosophie und Englisch, schrieb Theaterstücke und begann parallel dazu mit Freunden Filme zu drehen. Weder eine Schauspiel- noch eine Filmschule hat sie je besucht, autodidaktisch hat sie das Handwerk gelernt.
Als Mumblecore wurden diese billigen Produktionen, die sie ab 2006 vor allem mit Joe Swanberg drehte, bald bezeichnet. Den Namen erhielten diese Filme, weil bei der Do-it-yourself-Ästhetik nicht nur mit Handkamera und vorhandenen Schauplätzen gearbeitet wurde, sondern bei den improvisierten Dialogen auch viel genuschelt und verschluckt (= mumble) wurde. Nach anderen Quellen soll der Name allerdings von der schlechten Tonspur der Filme herrühren.
Mit diesem Stil wurde authentisch das Lebensgefühl der Mittzwanziger eingefangen und in Greta Gerwig fanden diese Filme eine Hauptdarstellerin, die mit ihrer Natürlichkeit begeisterte. Weil sie nicht zu spielen, sondern ihre Charaktere zu sein und zu leben schien, wirken diese Figuren so vertraut und gehen einem nahe. Doch was so natürlich wirkt, ist nach Gerwigs eigener Aussage das Ergebnis intensiver Vorbereitung auf die einzelnen Rollen.
Ihren internationalen Durchbruch schaffte sie 2010 mit der Tragikomödie „Greenberg“, die sie unter der Regie Noah Baubach drehte, mit dem sie seit 2011 liiert ist und mit dem sie seit Frühjahr 2019 auch ein gemeinsames Kind hat. Spielte sie hier eine energische junge Haushälterin, die sich um den neurotischen Bruder ihres verreisten Arbeitgebers kümmern muss, so prägte sie mit Baumbachs „Frances Ha“ (2012), zu dem sie zusammen mit ihrem Partner das Drehbuch schrieb, das Bild der unabhängigen jungen Großstädterin, die ihren Platz im Leben noch nicht ganz gefunden hat.
Wie in „Lady Bird“ fließt auch in diesen Film, der durch seine Schwarzweißbilder wie eine moderne, aber weibliche Variation von Woody Allens „Manhattan“ wirkt, Autobiographisches ein. Wie Gerwig selbst kommt nämlich auch die Protagonistin aus Sacramento nach New York um Karriere zu machen, muss bei ihren Bewerbungen als Tänzerin aber viele Rückschläge hinnehmen und kann sich nur eine kleine Wohnung zusammen mit ihrer Freundin leisten. Kurzzeitig muss sie sogar zurück zu ihren Eltern nach Sacramento ziehen.
Auch Gerwig hat diese Erfahrungen gemacht, aber wie Frances Ha, die sie mit unglaublicher Natürlichkeit und Elan spielt, ließ sie sich nicht unterkriegen, bewahrte ihre Lebensfreude und Energie. In der ersten Liga der US-Schauspielerinnen war sie mit der Darstellung von „Frances Ha“, die ihr eine Golden Globe-Nominierung einbrachte, angekommen.
Zu brillieren verstand sie auch in der Titelrolle von Rebecca Millers Komödie „Maggie´s Plan“ (2015), eine Hommage an Woody Allen und die Screwball-Komödien der 1930er und 1940er Jahre, oder an der Seite von Annette Benning in Mike Milles „20th Century Women“ (2016). Im Gegensatz zu Mills´ Hymne auf drei Generationen von Frauen und den Blick auf den Wandel der amerikanischen Gesellschaft Ende der 1970er Jahre, steht Baumbachs „Mistress America“ (2015) mit dem Porträt des Lebensgefühls junger Großstädter wieder ganz in der Tradition ihrer frühen Mumblecore-Filme.
Gerwig spielte in diesem Film, zu dem sie wiederum in Zusammenarbeit mit Baumbach das Drehbuch schrieb und in den Erfahrungen aus ihrer eigenen Studienzeit einflossen, aber nicht mehr die einsame und orientierungslose Studentin, die soeben nach New York gekommen ist, sondern vielmehr deren etwa 30-jährige etwas abgedrehte künftige Stiefschwester, die die 18-jährige mit dem Leben im Big Apple vertraut machen soll, selbst aber das Leben nicht so im Griff hat, wie es anfangs scheint.
Wie ihre Drehbücher durch einen genauen Blick fürs Milieu und Figuren und ein sicheres Gespür für lebensechte Dialoge bestechen, so lebt auch ihr Regiedebüt „Lady Bird“ vom großen Einfühlungsvermögen und einer Inszenierung, die dafür sorgt, dass der Film wie dem Leben abgeschaut wirkt. Gespannt macht dieses fulminante Debüt auf Gerwigs zweite Regiearbeit „Little Women“, die im Januar 2020 in die Kinos in den deutschsprachigen Ländern kommen soll.
Greta-Gerwig-Filmreihe im Kinok in St. Gallen
Trailer zu "Frances Ha"
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